Unpolitisch? Gesetzestreu? Was kann, was darf (und was muss) Wissenschaft?, 11.06.2024

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Habt auch Ihr Euch schon gefragt, ob „die Wissenschaft“ und alle daran Beteiligten nicht neue Wege finden müssen, um Menschen für die Krisen unserer Zeit zu sensibilisieren und – noch viel wichtiger – zum Handeln zu bewegen? Mit Menschen, die neue Wege gehen, haben wir in diesem Hub gesprochen.

Unpolitisch? Gesetzestreu? Was kann, was darf (und was muss) Wissenschaft?, 11.06.2024
Datum
Di 11 Juni 2024 16:00 Uhr
Schwerpunkte

Gemeinsam Transformation gestalten Politik
Bezug Wiki-Themen



Agenda und Informationen

Zunächst haben die drei Expert:innen in jeweils zehn Minuten ihre Bewegung in einem Impuls vorgestellt. Dr. Gregor Hagedorn von Scientists for Future, Prof. Dr. Anne Baillot von Scientist Rebellion und Dr. Dieter Martin von Letzte Generation gaben Einblick in die grundsätzliche Idee ihrer jeweiligen Bewegung und sprachen über ihre persönlichen Beweggründe. Im Anschluss gab es eine offene Diskussion mit allen Teilnehmenden zu bspw. den Fragen nach Verantwortung und Neutralität in der Wissenschaft. Neben der fachlichen Diskussion wurde mit einer Mentimeter-Umfrage die Bekanntheit der jeweiligen Bewegungen abgefragt.

Impulse

Einführung und Vorstellung der Impulsgebenden

Die Präsentation enthält alle Umfragen des Hubs und stellt alle Impulsgebenden vor.
Präsentation DG HochN (PDF)

Zum Einstieg in den Hub gab es einen kurzen bebilderten Rückblick auf die großen Globalen Klimastreiks des Jahres 2019 sowie die Reaktion des Nobelpreisträgers Klaus Hasselmann (Physik, 2021) auf diese Proteste. Mit Hilfe eines Mentimeters konnten die Teilnehmenden zwei Fragen interaktiv beantworten:

  • Wie gut kennst du die Bewegung(en)?
  • Kennst du Engagierte persönlich?

Anschließend wurden die Impulsgebenden kurz vorgestellt, bevor sie die Gelegenheit hatten, ihre jeweilige Bewegung vorzustellen.

Scientists for Future (Dr. Gregor Hagedorn)

Dr. Gregor Hagedorn hat Anfang 2019 die Gründung von Scientists for Future (S4F) angestoßen. Die erste (deutschsprachige) Stellungnahme unterzeichneten innerhalb weniger Wochen mehr als 26.800 Wissenschaftler:innen.

Ein Grund für diese Initiative war für ihn, der damals noch stark in Frage gestellten Fridays-for-Future-Bewegung (FFF) Rückendeckung von Seiten der Wissenschaft zu geben. Dabei geht es auch heute noch nicht darum, die Forderungen von FFF zu untermauern, sondern die objektive (nicht ideologische) Sicht der Wissenschaft einzubringen. Grundsätzlich sind die Wissenschaftler:innen in der Bewegung alle ambitioniert, gute Wissenschaft zu machen. Neben der Freiheit bringt die Wissenschaft auch die Verantwortung mit, sich transparent und reflektiert in den politischen Prozess einzubringen. Somit ist Wissenschaftskommunikation gleichermaßen wie Nicht-Kommunikation immer politisch. Dabei adressieren die Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunizierenden nicht die Parteipolitik, sonders die Gesellschaftspolitik!

Wissenschaft wird von Menschen gemacht! Als Menschen sind wir immer gefangen in unserer Herkunft und Kultur, unreflektiert Geglaubtem, wissenschaftlichen Paradigmen und unserer intrinsischen Motivation. Wichtig ist es, diese Menschlichkeit als Fehler und gleichzeitig als Stärke zu erkennen. Scientists for Future fordern die Politik nicht auf, der Wissenschaft zu folgen, sie plädieren aber dafür, die Wissenschaft nicht zu ignorieren.

Stop ignoring the Science!

- Dr. Gregor Hagedorn



Letzte Generation (Dr. Dieter Martin)

Diese Präsentation stellt die Letzte Generation vor und behandelt die Themen ziviler Ungehorsam und die Letzte Generation als radikale Flanke.
Präsentation Letzte Generation (PDF)

Die Letzte Generation hat in den letzten Jahren für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Strategie ist es, ein Unwohlsein hervorzurufen, unter Einsatz der Aktionsform des zivilen Ungehorsams. Wissenschaftliche Erkenntnisse, u.a. aus der Konfliktforschung, zeigen: Wer Unwohlsein empfindet, sucht nach Möglichkeiten zur Veränderung von Werten und/oder Verhalten. Die mediale Aufmerksamkeit ist dabei nur Mittel zum Zweck. Zentrale Erkenntnis: Auch schon wenige Personen können Veränderungen bewirken!

Scientist Rebellion (Prof. Dr. Anne Baillot)

Die Präsentation stellt die Organisation Scientists Rebellion und deren Aufgaben, Ziele und Forderungen vor und enthält Kontaktmöglichkeiten. Ebenfalls wird über friedlichen zivilen Ungehorsam und gewaltfreie direkte Aktionen informiert.
Präsentation Scientists Rebellion (PDF)

Prof. Dr. Anne Baillot sieht sich als Wissenschaftlerin in einer besonderen Verantwortung, auf die katastrophale Situation unseres Planeten hinzuweisen und für Klimagerechtigkeit zu kämpfen. Es geht darum, Akademiker:innen und Wissenschaftler:innen zu mobilisieren und den Raum zu schaffen für eine Diskussion über zivilen Ungehorsam. Darüber hinaus möchte Scientist Rebellion auch einen Beitrag dazu leisten, andere Gruppen des gewaltfreien zivilen Widerstands zu legitimieren und gesellschaftlichen Wandel zu beschleunigen.

Diskussion und Fragen

Diskutiert wurde über drei Leitfragen sowie diverse weitere Themen und Fragen der Teilnehmenden:

Leitfragen und Zitate

  • Wenn Wissenschaftler:innen politische Parteien dafür kritisieren, dass sie bspw. in ihren Wahlprogrammen verbindliche Klimaziele konterkarieren, ist das dann eine rein wissenschaftliche (weil faktenbasierte) Aussage oder eine politische? Stellt das für die Wissenschaftler:innen der Scientists for Future vor dem Hintergrund des Neutralitätsgebots der Wissenschaft einen Konflikt dar?
  • Das Institut für Protest- und Bewegungsforschung veröffentlichte im März 23 das sog. ipb Working Paper 1/2023 „Letzte Generation – Beschreibung und Kritik“. Dieses Paper fasst zusammen: „Die Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ polarisieren. Ein Teil der Bevölkerung befürwortet die provokanten Proteste, die vor allem auf die Maximierung medialer Aufmerksamkeit abzielen. Der andere Teil hält die Protestierenden für Fanatiker, die rücksichtslos und unter Missachtung geltender Gesetze ihre politischen Ziele durchsetzen wollen.“ (S. 1) Wie geht die Letzte Generation mit dieser gespaltenen Wahrnehmung und dem hohen Anteil an Kritik in breiten Teilen der Gesellschaft um?
  • Peter-André Alt, ehemaliger Präsident der HRK, hat kürzlich in DUZ geäußert: „Die Gesellschaft schenkt der Wissenschaft die im Grundgesetz verbürgte Freiheit, damit sie ihren Erkenntnisauftrag bestmöglich erfüllen kann. Im Gegenzug gibt die Wissenschaft der Gesellschaft diese Freiheit zurück, indem sie die Bürgerinnen und Bürger dazu einlädt, neue Denkperspektiven einzunehmen und überkommene Ansichten zu revidieren. Das ist keine politische Mission, sondern ein Akt der Aufklärung. Wissenschaftsfreiheit führt zur Freiheit des Denkens und ermöglicht dadurch eine Dynamisierung der Gesellschaft.“ (Artikel lesen) Wird den bei Scientist Rebellion aktiven Wissenschaftler:innen vorgeworfen, unwissenschaftlich zu handeln, weil sie Politik kritisieren und Gesetze übertreten?

Zusammenfassung der Diskussion und der Fragen der Teilnehmenden

Dieser Abschnitt gibt einen themenbezogenen Überblick über die diskutierten Inhalte.

Wissenschaftskommunikation

  • Grundlegend besteht in der Wissenschaft die Freiheit, Erkenntnisse zu publizieren und bekannter zu machen.
  • Wissenschaftliche Institutionen haben den Anspruch, wissenschaftlich zu arbeiten. Wenn dann objektive wissenschaftliche Erkenntnisse, wie die Erkenntnisse zur Klimaveränderung, zu den Aussagen der Politik passen, entsteht schnell die Sorge, dass etwas "zu politisch" sein könnte.
  • Als einzele:r Wissenschaftler:in kann nie alles aus dem eigenen Fachgebiet kommuniziert werden.
  • Wissenschaft und Politik funktionieren unterschiedlich, das führt zu Reibung.
  • Scientist Rebellion und Scientists for Future versuchen, gute Wissenschaftskommunikation zu fördern, indem der kontinuierliche Versuch unternommen wird, komplexe Sachverhalte leicht verständlich zu kommunizieren.

Studierende

  • Viele Studierende trauen sich nicht, mit eigenen Themen an ihre Professor:innen heranzutreten, obwohl viele Lehrende sich diesen Diskurs ausdrücklich wünschen.
  • Ein Grund dafür könnte sein, dass ökologische Themen oft auf einer persönlichen Ebene diskutiert werden (individuelle Verantwortung). Der Verweis auf die Eigenverantwortung allein hilft jedoch nicht weiter – wir müssen Klimakrise als systemischen Wandel präsentieren und verständlich machen.
  • Als Idee könnte eine Plattform für Studierende geschaffen werden, wo diese anonym ihre Rückmeldungen und Wünsche eintragen können, bspw. welche Themen sie in ihren Studiengängen vermissen.

Wie erreiche ich die Gesellschaft außerhalb der "Wissenschafts-Bubble"?

  • Ganz viel Wissenschaftskommunikation passiert nur innerhalb der Wissenschaftsszene und erreicht nicht die ganze Gesellschaft. Mögliche Lösungsansätze:
    • Durch die Wissenschaftskommunikation über Organisationen wie Scientists for Future oder Scientist Rebellion kann die ganze Gesellschaft erreicht werden.
    • Eine andere Möglichkeit ist qualitativer Wissenschaftsjournalismus. Aktuell gibt es wenig guten Wissenschaftsjournalismus. Durch den Ausbau könnten somit auch mehr Menschen erreicht werden.

Sind Algorithmen in den sozialen Medien ein Problem, weil sie Polarisierung befeuern?

  • Polarisierung ist ein Problem, aber nicht das Übel an sich. Ohne soziale Medien konnten wir das Problem in den vergangenen Jahrzehnten auch nicht lösen.
  • Grundsätzlich kann von den von neuen Medien als Kommunikationsmittel auch sehr stark profitiert werden.

Können wir von Politiker:innen-Konfrontationen etwas lernen? Wie kann eine öffentlichkeitswirksame Konfrontation entstehen?

  • Teilweise gibt es einen hohen Aufklärungsbedarf in der Politik.
  • Oftmals besteht auch eine Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln. Die Probleme sind häufig bewusst und zum Teil handeln Politikschaffende im persönlichen Umfeld sogar entsprechend, indem bspw. im Privathaushalt Solarenergie genutzt wird. Allerdings werden viele sinnvolle politische Maßnahmen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht umgesetzt.

Ist das Klimathema nur einer Minderheit von Hochschulangehörigen ausreichend bewusst?

  • Das Thema wird durch viele neue Regularien, bspw. EU-Gesetzgebung, immer weiter in den Fokus rücken.
  • Positiv ist: Wenn viele Einzelne engagiert sind, können sich Dinge sehr schnell ändern!
  • Alle sind darauf angewiesen, sich Gleichgesinnte und Netzwerke zu suchen.
  • Gesetzgebungsinitiativen können viel bewegen (Bsp. Hessisches Hochschulgesetz: BNE als eines der Ziele jedes Studiums verankern).

Was nehmen die Teilnehmenden aus der Veranstaltung mit?

  • Viel Gemeinsamkeit entdeckt, viele spannende Ideen und Fragen mitgenommen!
  • Für mich war es schön von euren Wegen zu erfahren: Wie ihr euch bewusst für Menschlichkeit und die Vielfalt des Lebens einsetzt und auch andere Menschen dafür gewinnen möchtet.
  • Viele Menschen wissen nicht wie der Wissenschaftsbetrieb funktioniert. Wenn man schnell diese Menschen erreichen will, muss man die Kinder in der Schule erreichen und bilden, dann kommt es zu den Eltern.
  • Einige gute Ideen und noch mehr Fragen mitgenommen.
  • Ich fand es einfach interessant, den Beteiligten mit ihrem Engagement und Erfahrungen zu hören und bin froh, dass es die verschiedenen Gruppen gibt und die Wissenschaftler:innen auf Demos sind.
  • Die Herausforderungen dieser Klimakrise sind enorm. => an allen Schrauben drehen. In den Unis, der Politik, der Wissenschaft, der Gesellschaft. Alle Aktionsformen und -gruppen müssen sich gegenseitig stützen!
  • miteinander ins Gespräch kommen und vernetzen. Politik und Wissenschaft zueinander zu bringen ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Wissenschaftskommunikation ist ein Ziel um Menschen zu erreichen.

Weiterführende Informationen

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