Studierendenbeteiligung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 8. Mai 2024, 16:47 Uhr

Viele Hochschulen berichten von der Herausforderung, Studierende aktiv in die Vorhaben und Prozesse an der Hochschule zu involvieren. Obwohl der Wille da sei, gelinge es nicht, Studierende zur Teilnahme an Veranstaltungen, Konferenzen oder Sitzungen zu motivieren. Als Verein (netzwerk n e.V.), der mit verschiedenen Statusgruppen im Hochschulsystem zusammenarbeitet und insbesondere die Stärkung, Ermutigung und Befähigung von Studierenden forciert, wollen wir in diesem Leitfaden unsere mehrjährige praktische Erfahrung teilen. Der Leitfaden adressiert verschiedene Probleme bei der Beteiligung von Studierenden und zeigt erste Möglichkeiten auf, Studierende erfolgreicher in die Gestaltung des Campus und Betriebs, der Lehre, sowie insbesondere in die Planung und Umsetzung sozialer und ökologischer Maßnahmen im Sinne der nachhaltigen (Hochschul-)Transformation einzubeziehen.

Motivation & Interesse wecken

Häufig wird uns berichtet, dass Beteiligung gewollt ist und Studierende, z.B. zu einer Sitzung oder Konferenz, eingeladen wurden, aber nicht erschienen sind. Daraus wird häufig abgeleitet, dass Studierende kein Interesse an den Themen haben oder sich nicht einbringen wollen. Auch wenn das zunächst naheliegend scheint, ist das eher selten der Fall. Für ihr nicht Erscheinen gibt es häufig andere Gründe. Unsere Erfahrung zeigt: Studierende haben Lust sich einzubringen und ihre Meinung zu sagen, jedoch sind die Formate und Kommunikation häufig nicht studierendengerecht gestaltet (s. auch 3. Beteiligung lehren und lernen).

Wo, welche Form der Beteiligung möglich ist, ist je nach Hochschule und bestehendem Aktivitätsgrad der Studierenden sehr unterschiedlich. Während an manchen Hochschulen bereits von Studierenden geführte Nachhaltigkeitsbüros oder mehrere studentische Initiativen bestehen, gibt es an anderen Hochschulen kaum organisierte Studierendengruppen. Insbesondere wenn noch keine oder sehr wenige Initiativen an der Hochschule bestehen, ist es sinnvoll, Räume zu schaffen, in denen Studierende zusammenkommen und sich niedrigschwellig über ihre Interessen und Bedürfnisse austauschen und erste Ideen entstehen können. Die Veranstaltungen sollten zunächst keinen großen Auftrag haben, sondern vor allem in Kontakt und Freude bringen sowie ein Kennenlernen und Austausch ermöglichen. Das Ziel ist demnach vorerst Motivation und Interesse an klima- und umweltfreundlichem Verhalten und Engagement zu wecken. Dabei sollte auch deutlich werden, dass Sie sich für die Anliegen der Studierenden interessieren, z.B. indem Sie auf die Studierenden zugehen und offene Fragen stellen. An einem späteren Zeitpunkt können dann Formate gestaltet und angeboten werden, in denen motivierte Studierende (und andere Statusgruppen) zusammenkommen und mehr inhaltlich gearbeitet wird, z.B. das Entwickeln von Strategien und Maßnahmen. Hier lohnt es sich auch gezielt auf Studierende zuzugehen (z.B. die bei vorherigen Veranstaltungen dabei waren) und diese persönlich einzuladen.

Beispiel: Veganer Brunch

Ernährung ist nicht nur einer der Big Points des Klimaschutzes, sondern bietet auch eine gute Möglichkeit Menschen zusammenzubringen, für gesunde und umweltfreundliche Ernährung zu begeistern und in einer eher persönlicheren, angenehmen Atmosphäre ins Gespräch zu kommen. Ein kostenloser veganer (Mitbring-)Brunch (oder mit geretteten Lebensmitteln) bietet eine gute Möglichkeit einen lockeren Raum zu schaffen, in dem statusgruppenbedingte Hierarchien weniger spürbar sind. In informellen Gesprächen können so Berührungsängste abgebaut werden und Wünsche, Bedürfnisse und Anliegen der Studierenden erfragt werden. Wichtig ist dabei eine zuhörende, offene Rolle einzunehmen und nicht bereits auf inhaltlicher Ebene für oder gegen die Anliegen und Wünsche der Studierenden zu argumentieren, sondern zunächst einmal zuzuhören und zur Kenntnis zu nehmen.

Plattform

Wie mit den Studierenden über welchen Kanal kommuniziert wird, ist wesentlich, da sie so von Veranstaltungen und Beteiligungsmöglichkeiten erfahren. Dabei sollte sich immer an der Zielgruppe, sprich Studierenden, orientiert werden. Wo sind diese sowieso in ihrem Alltag unterwegs und können durch ansprechende Bilder und Texte erreicht werden? Besonders geeignet sind bspw. Aushänge an der Mensa und in der Bibliothek. Auch die Nutzung von Social Media Kanälen (z.B. Instagram) kann sehr hilfreich sein. Nur über die Homepage zu kommunizieren, ist weniger sinnvoll, da diese selten regelmäßig von den Studierenden besucht wird. Auch über E-Mail-Verteiler zu kommunizieren, ist erfahrungsgemäß weniger erfolgreich (kommt auf den E-Mail-Verteiler an), da sie entweder in der Masse untergehen oder nicht gelesen werden. Sollte dennoch die Wahl auf den E-Mail-Verteiler fallen, sollte der Text studierendenzentriert formuliert werden (sprich aus Perspektive der Studierenden neugierig auf das beworbene Format machen) und möglichst in wenigen Sätzen die relevantesten Informationen vermitteln. Folgende Fragen können als Hilfestellung bei der Formulierung dienen:

  • Warum ist das Format spannend für Studierende? Was haben sie von der Teilnahme?
  • Was soll passieren?
  • An wen richtet sich das Format? (Flinta* only, BiPoC only, statusgruppenübergreifend, …)
  • Wann soll es stattfinden? (Uhrzeit, Dauer, ggf. auch Häufigkeit)
  • Wo soll es stattfinden? (Barrierefrei?)

Beteiligung lehren und lernen

Aus Vorlesungen sind Studierende es gewohnt, Wissen zu konsumieren. 1,5 Stunden sitzen sie da und hören zu - vielleicht werden zwischendrin Fragen gestellt, aber meist sind sie Konsument*innen des vorgetragenen Wissens (vgl. Freire, 1973). Seminare sind zwar interaktiver, aber Lernziele, -inhalte und -methoden ohne vorherige Beteiligung von Studierenden festgelegt. Im Bereich Lehre gibt es demzufolge wenig bis keinen Raum, in denen Studierende / Lernende mitbestimmen und -gestalten können. Das bedeutet auch, dass es kaum Räume gibt, in denen Studierende lernen, wie (Mit-)Gestaltung, selbstorganisiertes und selbstbestimmtes Engagement und die Umsetzung von Vorhaben funktionieren. Entsprechend fehlen Räume, in denen Studierende lernen, aktiv mitzugestalten, ihre Ideen, Meinungen und Wünsche einzubringen, und mitbestimmen zu können. Dadurch lernen Studierende gehorsam, aber sie lernen nicht sich einzubringen und selbstverantwortlich an der Gestaltung ihrer Hochschule mitzuwirken. Sie wissen oft gar nicht, dass die Möglichkeit existiert, ihren Lernort und Umfeld mitzugestalten, geschweige denn, dass das gewollt ist. Das ist kein Vorwurf, sondern soll lediglich verständlich machen, an welchem Punkt die meisten Studierenden stehen. Denn wenn ich mir diese (fehlende) Erfahrung bewusst mache, kann ich verstehen, dass es zunächst Ermutigung und einen befähigenden Ansatz braucht, um Engagement zu fördern. Dabei ist wichtig, im ersten Schritt offen, ohne Vorbehalte oder spezifische Erwartungshaltungen, auf die Studierenden zuzugehen. Die eigene Haltung ist hierbei zentral (Literaturtipp: Teaching to transgress von Bell Hooks). In einem zweiten Schritt geht es darum zu schauen, was konkret die Studierenden brauchen, um sich besser einbringen zu können (Informationen, spezifisches Wissen zu Themen, transparente Kommunikation über geplante Vorhaben und Beteiligungsmöglichkeiten, Ermutigung sich einzubringen, ...). Hier ermutigen wir ebenfalls eigene Annahmen zu hinterfragen und die Studierenden direkt und explizit zu fragen, was sie brauchen, um sich einbringen zu können.

Ein anderer relevanter Faktor für die Motivation sich einzubringen, ist die Wirkung des Engagements zu kommunizieren, sprich was mit den Ergebnissen (von Gruppenarbeiten) passiert. Wir haben häufiger erlebt, dass beispielsweise in Praxismodule Studierende Konzepte erarbeiten, bspw. für eine klimafreundlichere Mensa, die sehr gelobt werden, letztlich jedoch nichts damit passiert. Es bleibt ein Konzept auf Papier, das theoretisch jederzeit umgesetzt werden könnte, praktisch aber nie wird. Das ist in zweierlei Hinsicht tragisch. Einerseits geht damit ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Umgestaltung der Hochschule verloren und andererseits erfahren Studierende, dass ihre Arbeitsergebnisse, in die sie viel Zeit, Energie und Arbeit gesteckt haben, verpuffen. Die Selbstwirksamkeitserfahrung, sprich, dass das Einbringen ihrer Ideen und Wünsche etwas bringt und sie eine Veränderung bewirken können, und die es braucht, um das Selbstbewusstsein aufzubauen, solche angebotenen Räume zu betreten und zu nutzen, bleibt aus.

Zusammenfassend: Studierende sind sie es eher gewohnt, dass ihre Meinung(en) und Ideen überhört oder lediglich zur Kenntnis genommen werden. Selten werden sie berücksichtigt, und wenn, dann meist jedoch unmerklich, da sich wenig bis nichts verändert, zumindest nicht über einen Zeitraum, den Studierende mitbekommen. Wir hoffen, dass nun verständlicher geworden ist, warum Studierende Aufrufe zur Beteiligung bzw. Mitgestaltung nicht wahrnehmen. Es braucht eine studierendengerechte Kommunikation und Gestaltung von Veranstaltungsformaten. Darüber hinaus braucht es insbesondere am Anfang vor allem Ermutigung, Offenheit und Transparenz über Erwartungen, den geplanten Prozess und Möglichkeiten der Teilhabe.

Wertschätzung & Bezahlung

Ehrenamtliches Engagement neben dem Studium ist nicht für alle möglich. Abhängig von diversen Faktoren, die die zeitlichen, finanziellen und mentalen Ressourcen betreffen, können sich nur bestimmte Studierende in ihrer Freizeit für soziale und ökologische Themen einsetzen. Doch für die sozial-ökologische Transformation brauchen wir alle - Klimagerechtigkeit und Umweltschutz sollten keine Privilegienfrage sein. Um mehr Menschen zu ermöglichen sich zu engagieren, können folgende Lösungen hilfreich sein:

  • Einbindung in die Lehre → Erhalt von Credit Points für studentisches Engagement oder Anrechnung als Praktikum
  • Bezahlte Stellen schaffen → viele Studierende müssen trotz Bafög neben dem Studium arbeiten, um sich finanziell über Wasser zu halten; was viele Studierende aktuell in Initiativen in ihrer Freizeit erarbeiten, kann auch institutionell und strukturell verankert werden, bspw. Durch das Schaffen eines Nachhaltigkeitsbüros bzw. Green Offices. Ein ausführlicher Leitfaden zur Etablierung dieser Struktur und dessen Vorteile ist hier zu finden: https://www.greenofficemovement.org/download/2494/

Wertschätzung muss nicht nur in Form von Bezahlung oder ECTs geschehen, auch die Umsetzung erarbeiteter Konzepte und/ oder die spürbare Unterstützung von Ideen (durch ermutigende Worte, das Aufzeigen von Möglichkeiten, die transparente Kommunikation darüber, was mit erarbeiteten Ergebnissen passiert und/ oder die kollaborative und kooperative Bemühung Lösungen zu finden) können zur Motivation der Studierenden beitragen sich an ihrer Hochschule zu engagieren und aktiv einzubringen.

Beteiligungsgrad

Formen der Partizipation und Teilhabe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Qualität und Wirkung. Eine Orientierungshilfe bieten die 9 Stufen der Beteiligung nach Roger Hart (1992) und Wolfgang Gernert (1993).

Stufen der Partizipation, Quelle: Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung (Wright et al., 2007)
Stufen der Partizipation, Quelle: Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung (Wright et al., 2007)


Eine Erläuterung zu den einzelnen Stufen ist in diesem kurzen Dokument (ab S.3) zu finden: https://www.armut-und-gesundheit.de/uploads/tx_gbbkongressarchiv/Wright__M..pdf Ein hilfreiches Tool für die Evaluation des Beteiligungsgrads der eigenen Lehrveranstaltung ist hier zu finden: https://howtoopen.education/ (mit etwas Transferarbeit lässt es sich auch auf andere Veranstaltungsformate übertragen)

Fazit

Ja, Studierende zu beteiligen, ist zeitintensiv. Es erfordert Empathie und Arbeit und lässt sich nicht in wenigen Stunden abhandeln, sondern bedarf kontinuierlicher Reflexion und Mühe. Aber es lohnt sich. Studierende bringen sie unterschiedliche wertvolle Perspektiven mit, ermöglichen Disruption und Veränderung, in dem sie veraltete, für selbstverständlich angenommene Strukturen und Praktiken hinterfragen, haben innovative und kreative Ideen und bringen einen motivierenden Macher*innengeist mit. Sie sind zentrale Schlüsselakteur*innen in der Gestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft. An der Hochschule lernen sie, ihr Umfeld aktiv mitzugestalten und erproben zukunftsfähige Arbeits-, Organisations- und Lebensweisen, die sie (später) in die Gesellschaft tragen. Beteiligung ist Teil politischer Bildung und bedeutet auch Demokratisierung. Laut UNESCO Programm Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) für 2030 zentraler Bestandteil von BNE und auch in Hinblick auf die aktuellen politischen Strömungen ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

Weitere Informationen

Vertiefend empfehlen wir folgende Beiträge und Literatur:

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