Partizipation

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Hochschulen stellen sich zunehmend den großen Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation, die tiefgreifende Veränderungen in Forschung, Lehre, Governance und Betrieb – also allen Bereichen des Hochschulalltags – mit sich bringen. Diese Veränderungen betreffen alle Hochschulangehörigen, die Partizipation aller Statusgruppen ist dabei für den Erfolg von Transformationsprozessen an Hochschulen essenziell. [1]

Begriffsdefinition

Der Begriff der Partizipation bezeichnet die Beteiligung von Akteur*innen oder Akteursgruppen an Themen, Fragestellungen, Prozessen oder Entwicklungen von Lösungen.[2] Im Folgenden werden die Begriffe Partizipation, Beteiligung und Teilhabe synonym verwendet.

Ziele

Partizipative Prozesse sollten eingesetzt werden, um die Transformation hin zur Nachhaltigkeit nicht nur top-down, also durch Vorgaben oder Regularien, sondern auch bottom-up zu gestalten. Dadurch fließen persönliche Haltungen oder notwendige Expertise in bestimmten Handlungsfeldern der Hochschulangehörigen mit ein – in der Konzeption von Lehre mit Nachhaltigkeitsbezug sollten beispielsweise Lehrende und Studierende partizipieren können, im Bereich Gebäudemanagement verfügt vermutlich die Verwaltung im Bau über die notwendige Expertise. Bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsverständnisses entsteht so beispielsweise mehr Legitimität und ein aktives Leben dieser Nachhaltigkeit an den Hochschulen.[3]

Zusätzlich wird durch Beteiligungsmöglichkeiten das Engagement verschiedener Statusgruppen an den Hochschulen erhöht. Personen werden befähigt, ihre Interessen und Meinungen mitzuteilen, dazu können auch digitale Technologien hilfreich sein.[4] Partizipation und Teilhabe sind wesentliche Bausteine für ganzheitlichen Klimaschutz im Sinne des Whole Institution Approach. Wichtig ist die tatsächliche Förderung von Teilhabe und Partizipation, da Scheinbeteiligung zu gegenteiligen Effekten führen kann.

Zu betrachten sind außerdem verschiedene Abstufungen der Partizipation: Roger Hart und Wolfang Gernert (1992; 1993) entwickelten als Konzeptualisierung 9 Stufen mit steigendem Beteiligungsgrad, an denen sich in der Planung gut orientiert werden kann. Weitere Informationen finden sich im Artikel zur Studierendenbeteiligung. Teilhabe ermöglicht verschiedenen Gruppen, ihre Interessen einzubringen und durchzusetzen.[5] Besonders in konfliktbehafteten Kontexten, in denen verschiedene Interessengruppen aufeinandertreffen, ist Partizipation wichtig. Bei der Einführung von Klimaschutzmaßnahmen an Hochschulen sollten verschiedene Statusgruppen von Anfang an einbezogen werden, auch in der Konzeption oder bei strategischen Entscheidungen. Dies kann die Akzeptanz, die Qualität und Legitimität der Entscheidungen erhöhen. Die verschiedenen einzubeziehenden Gruppen werden im Folgenden genauer betrachtet.

Statusgruppen mit ihren spezifischen Anforderungen

Alle Statusgruppen der Hochschulen sollten in Klimaschutzprozesse an ihren Hochschulen miteinbezogen werden - sie haben dabei unterschiedliche Anforderungen, Möglichkeiten und Voraussetzungen und sind auf unterschiedliche Arten von Transformationsprozessen betroffen.

Im Folgenden wird zwischen der Hochschulleitung, Hochschuldozierenden und wissenschaftlichem Personal, nicht-wissenschaftsunterstützendem Personal und Studierenden als Statusgruppen unterschieden.

Hochschulleitung

In einigen Veröffentlichungen wird vor allem die Rolle der Hochschulleitung in ihrer Vorbildfunktion betont.[6] Zudem sollten Beteiligungsmöglichkeiten gezielt von der Hochschulleitung gefördert werden. An einigen Universitäten werden die Transformationsprozesse durch die starke Unterstützung des Rektorats, die sich beispielsweise in der Etablierung von neuen Strukturen oder der Bereitstellung von Budgets zeigt, charakterisiert.[3] Bottom-Up Initiativen benötigen also Unterstützung aus der Leitungsebene, um ihr partizipatives Potenzial gänzlich entfalten zu können.

Hochschuldozierende und wissenschaftliches Personal

Für wissenschaftliches Personal gibt es an Hochschulen bereits etablierte Mitbestimmungsmöglichkeiten, so werden in Senaten vorwiegend die Interessen der Professor*innen vertreten.[7] Hochschuldozierende können darüber hinaus als Multiplikator*innen fungieren und Klimaschutz und Nachhaltigkeit in ihrer Lehrtätigkeit verbreiten[4], weshalb es von großer Bedeutung ist, diese miteinzubeziehen und das Engagement zu erhöhen. Vor allem wissenschaftliches Personal und Professor*innen, die durch ihre Forschungsfelder eine Nähe zu Themen der Nachhaltigkeit haben, spielen oft eine wichtige Rolle in diesen Transformationsprozessen und sollten daran teilhaben. Sie bringen sich vermutlich aus einer Mischung von persönlicher Motivation und Überzeugung und dem Bewusstsein über ihre Position mit ein.[3]

Wissenschaftsunterstützendes Personal in Verwaltung und Betrieb

Wissenschaftsunterstützendes Personal wird bei der Einteilung in top-down und bottom-up Prozesse oft außen vor gelassen, ist aber für langfristige Veränderungen entscheidend.[8] Wenn Veränderungen beispielsweise von studentischen Bewegungen angestoßen und dann von der Hochschulleitung angeordnet werden, müssen die Mitarbeitenden diese umsetzen. Zudem haben Verwaltung und Betrieb oft große Expertise und arbeiten länger in ihrem Bereich als Studierende. In Partizipationsprozessen kann diese Gruppe vor allem hilfreich sein, um durch ihre Expertise mögliche Hürden oder Schwierigkeiten und genauso Potenziale zu identifizieren. Zudem könnten Veränderungsprozesse ohne Beratung und Unterstützung der Mitarbeitenden ineffizient und nicht effektiv sein.[8]

Studierende

Die Gruppe der Studierende stellt die größte betroffene Statusgruppe dar. Der Partizipation von Studierenden ist daher ein eigener Artikel gewidmet. Weiter zum Artikel Studierendenbeteiligung.

Konkrete Beispiele

Die niedrigste Vorstufe der Partizipation ist die transparente Bereitstellung aller Informationen. Dies kann durch effektive Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit geschehen und sollte alle Universitätsangehörigen erreichen. Während Studierende möglicherweise eher durch Social Media angesprochen werden, sollte das Personal durch Personalnewsletter oder Impulse in der Personalvertretung ebenfalls transparent informiert werden.

Gezielte Projekte und Aktionen können die weiteren Vorstufen der Partizipation, die Anhörung und teilweise Einbeziehung, erfüllen. Bei Wettbewerben, Infoständen oder Mitmachaktionen sollte immer darauf geachtet werden, Dialogmöglichkeiten zu schaffen, damit alle Universitätsangehörigen ihre Meinungen, Ideen oder Sorgen äußern können. Zudem wird so möglichst niedrigschwellig das Engagement erhöht.

Die tatsächliche Einbeziehung und Mitbestimmung als erster Schritt der Partizipation lässt sich über verschiedene Beteiligungsformate in Arbeitsgruppen oder auf digitalen Plattformen umsetzen. Dafür muss die notwendige Infrastruktur geschaffen werden. Arbeitsgruppen könnten in geplanten Einführungsveranstaltungen oder Runden Tischen gebildet werden und sich dann mit spezifischen Themen befassen. Dort könnten potenzielle Maßnahmen für die Hochschulen erarbeitet und priorisiert werden. Durch eine paritätische Besetzung mit den verschiedenen Statusgruppen fließen so die genannten unterschiedlichen Erfahrungen und Expertisen mit ein.

Mitbestimmung und je nach Etablierung auch teilweise Entscheidungskompetenz als weitere Stufen der Partizipation kann durch die Etablierung fest verankerter Institutionen, wie Kommissionen oder Green Offices, erreicht werden. Bei der Implementierung solcher festen Strukturen sollte die Entscheidungsmacht im Voraus festgelegt werden: Erarbeitet eine solche Kommission Entscheidungsvorschläge für die Hochschulleitung? Hat das Green Office ein festes Budget, über das es frei verfügen kann?

Vor allem Kommissionen bieten ebenso wie Arbeitsgruppen das Potenzial unterschiedliche Expertise durch die Einbindung aller Statusgruppen zu ermöglichen. Green Offices können darüber hinaus als zentrale Anlaufstelle für alle Anliegen in Bereich Nachhaltigkeit dienen und so Potenziale für mehr Engagement gezielt fördern und bündeln.

Auch zeitlich begrenzte Konferenzen (Mitbestimmungskonferenzen), Workshops oder Projekte zu verschiedenen Themenfeldern können eine Möglichkeit sein, möglichst viele verschiedene Akteur*innen einzubeziehen, denen die Ressourcen für längerfristige Teilhabe fehlt. Ein Beispiel für einen umfangreichen partizipativen Prozess, eingebunden in ein hochschulübergreifendes Projekt, ist KlimaPlanReal. In diesem wurden statusgruppenübergreifende Klimahochschulräte durchgeführt, die themenspezifische Handlungsempfehlungen zum Erreichen der Klimaneutralität erarbeiteten.

Enorm wichtig bei all diesen Beispielen ist es, die Ergebnisse oder Erkenntnisse, die aus den vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten entstehen, auch tatsächlich in die Prozesse und Entscheidungen miteinfließen zu lassen. Daher sollte nicht nur die Beteiligungsmöglichkeit an sich im Vorhinein geplant werden, sondern auch das weitere Vorgehen mit den Ergebnissen aus den durchgeführten Formaten.

Herausforderungen für Teilhabe und Partizipation

Die Herausforderungen liegen häufig in mangelnden Ressourcen, fehlenden Strukturen und, teilweise daraus resultierender, geringer Motivation. Auch kurzfristige Beteiligungsformate ohne langfristige Perspektive können hemmend für das Engagement wirken.

Gerade deshalb ist die Schaffung (langfristiger) Strukturen wichtig, hierbei ist oft die Finanzierung der springende Punkt, da Strukturen nicht langfristig im Ehrenamt getragen werden können. Für Green Offices können dabei Projektmittel hilfreich sein, das Green Office in Ingolstadt finanzierte so Sachmittel und die Einstellung von studentischen Hilfskräften.

Kommissionen und Arbeitsgruppen können ohne finanzielle Mittel auskommen, der zeitliche Aspekt scheint hier schwieriger. Meetings oder Treffen müssen entweder außerhalb der Arbeitszeit stattfinden, was häufig mit dem Privatleben nicht vereinbar ist, oder die Arbeit aus dem Tagesgeschäft muss umverteilt werden, sodass Zeit und Raum für Beteiligung bleibt. Wenn Kommissionen für Klimaschutz oder Nachhaltigkeit ähnlich den existierenden Gremienstrukturen der Hochschulen eingeordnet sind, erleichtert das die zeitlichen Beschränkungen und betont zugleich die Wichtigkeit des Themenfeldes.

Fazit

Partizipation ist als essenzieller Teil von ganzheitlichem Klimaschutz an Hochschulen zu betrachten und sollte in verschiedenen Beteiligungsgraden gefördert werden. Die Etablierung von Beteiligung benötigt einiges an Ressourcen und bestenfalls Strukturen, die daraus entstehenden Vorteile allerdings überwiegen. Verschiedene Perspektiven und Expertise sollten einbezogen werden, das Engagement der Statusgruppen wird so gefördert, die Qualität der Entscheidungen erhöht und der Transformationsprozess an Hochschulen hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz effektiv vorangebracht.

Weblinks

KlimaPlanReal - https://www.klimaplanreal.ovgu.de/

Einzelnachweise

  1. Bassen, A., Schmitt, C. T., & Stecker, C. (2017, June). Nachhaltigkeit an Hochschulen: entwickeln–vernetzen–berichten (HOCHN). In Sustainability Management Forum (Vol. 25, No. 1-2, pp. 139-146). Springer Nature BV.
  2. Baasch, S., & Blöbaum, A. (2017). Umweltbezogene Partizipation als gesellschaftliche und methodische Herausforderung. Umweltpsychologie, 21(2), 11-33.
  3. 3,0 3,1 3,2 Bohunovsky, L., Radinger-Peer, V., & Penker, M. (2020). Alliances of change pushing organizational transformation towards sustainability across 13 universities. Sustainability, 12(7), 2853.
  4. 4,0 4,1 Weselek, J., Kohler, F., & Siegmund, A. (2022). Partizipation und Teilhabe durch digitale Bildung für nachhaltige Entwicklung?. In Digitale Bildung für nachhaltige Entwicklung: Herausforderungen und Perspektiven für die Hochschulbildung (pp. 261-273). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
  5. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), o.D. Partizipation. https://www.bmz.de/de/service/lexikon/partizipation-14752
  6. Lozano, R., Ceulemans, K., Alonso-Almeida, M., Huisingh, D., Lozano, F. J., Waas, T., ... & Hugé, J. (2015). A review of commitment and implementation of sustainable development in higher education: results from a worldwide survey. Journal of cleaner production, 108, 1-18.
  7. Heilsberger, L. (2021). Politische Partizipation an Hochschulen. Politische Partizipation, 275-293.
  8. 8,0 8,1 Brinkhurst, M., Rose, P., Maurice, G., & Ackerman, J. D. (2011). Achieving campus sustainability: top‐down, bottom‐up, or neither?. International Journal of Sustainability in Higher Education, 12(4), 338-354.
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