HOCH-N:Gelingensbedingungen hochschulischer Nachhaltigkeit: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. Januar 2024, 13:50 Uhr
Gelingensbedingungen hochschulischer Nachhaltigkeit | |
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Es werden die förderlichen und die hemmenden bzw. erschwerenden Faktoren in Bezug auf die Entwicklung hochschulischer Nachhaltigkeit diskutiert. | |
Themenbezug | |
Zielgruppe | |
Forschende, Lehrende, Studierende, Verwaltungsmitarbeitende, Hochschulleitung, Nachhaltigkeitsbeauftragte(r), Wissenschaftliche(r) Mitarbeiter(in)
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Einstieg
Was beeinflusst hochschulische Nachhaltigkeit? Wo kann eine Hochschule Akzente setzen, wo muss sie sich mit externen Bedingungen auseinandersetzen und welche Prinzipien unterstützen die Nachhaltigkeitsprozesse an Hochschulen? Dies waren zentrale Fragen der empirischen Forschung, die diesem Leitfaden zugrunde liegen. Darauf aufbauend diskutiert dieses Kapitel Rahmenbedingungen und unterstützende Faktoren hochschulischer Nachhaltigkeit und zeigt notwendige Handlungsprinzipien auf. Die in einigen der Kästen aufgeführten Zitate bieten prägnante Einblicke in das umfangreiche Erhebungsmaterial von 61 Interviews.
Als Rahmenbedingungen müssen sich Hochschulen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit mit Regularien und Vorgaben auseinandersetzen. Die Wissenschaftspolitik der Bundesländer gibt entscheidende Impulse; etablierte Wissenschaftslogiken können zu Zielkonflikten führen. Die Hochschulgröße und ihre regionale Einbindung beeinflusst die Entwicklungspotenziale hochschulischer Nachhaltigkeit. Manche dieser Variablen sind festgelegt. Andere befinden sich selbst in Entwicklung – gerade durch das individuelle Engagement und die Aktivitäten der Hochschulen. Unterstützende Faktoren hingegen können von der Hochschule selbst aktiv gestaltet werden. Hier geht es um die Frage nach der Bedeutung und Priorisierung, die der Nachhaltigkeit innerhalb der eigenen Institution beigemessen wird, wie auch um die resultierende Ressourcenausstattung und Anreizsysteme. Schließlich bedarf es der Berücksichtigung organisationaler Handlungsprinzipien, die sich konsistent zum Nachhaltigkeitskonzept verhalten.
Rahmenbedingungen
Nachhaltigkeit als gesellschaftspolitischer Diskurs
Nachhaltigkeit mit all ihren Facetten hat sich in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen, gesellschaftspolitischen Debatte entwickelt und gewinnt auch für Hochschulen auf gesamtinstitutioneller Ebene zusehends an Bedeutung. Hochschulen werden dabei immer stärker als verantwortliche gesellschaftliche Akteure adressiert und beansprucht. Der Nachhaltigkeitsdiskurs bietet Hochschulen einen entscheidenden Bezugsrahmen, dessen Ziele und normativen Bezüge in hohem Maße Orientierung für die eigene Profilierung und Entwicklung bieten können – für die Organisationsstruktur gleichermaßen wie in Bezug auf die inhaltlich-disziplinäre Schwerpunktsetzung.
Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005-2014), das folgende Weltaktionsprogramm (WAP) „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2014-2019), die Sustainable Development Goals (SDGs) sowie Projekte wie LeNa zum Nachhaltigkeitsmanagement in außeruniversitären Forschungsorganisationen sind wichtige Treiber für die Entwicklung hochschulischer Nachhaltigkeit. Dabei hat die UN-Dekade weit mehr bewirkt, als nur eine Nachhaltigkeitsperspektive innerhalb der Bildungsdebatte zu thematisieren. Viel eher kam es durch die Diskurse im Rahmen der UN-Dekade zu einer Erweiterung des Bildungsbegriffes selbst.
Zielkonflikte der Nachhaltigkeit
Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit bedeutet vielfach, die verschiedenen – und teils widersprüchlichen – Interessen und Perspektiven an einer Hochschule zum Thema zu machen. Wie verträgt sich z. B. die wissenschaftspolitische Forderung nach einer stärkeren Internationalisierung der Hochschulen mit dem Leitbild einer nachhaltigen Hochschule, die ihren ökologischen Fußabdruck minimiert? Wie verhalten sich das Ziel eines gesamthochschulischen Nachhaltigkeitsprozesses und die Autonomie in Lehre und Forschung zueinander? Welche Anreize kann es beispielsweise für Professor*innen attraktiv machen, sich aktiv in den Entwicklungsprozess der eigenen Hochschule einzubringen? Bei solchen Fragen treffen die Positionen und Interessen unterschiedlicher Personengruppen aufeinander, die es abzuwägen und denen es Rechnung zu tragen gilt.
BEISPIEL | Nachhaltigkeitsbericht drucken oder ‚nur‘ Online veröffentlichen?
Zum Bericht 'Online vs. Papier - Zahlen und Fakten' im Greenpeace Magazin |
Politik und Verwaltung als relevante Partner*innen
Als zentral verantwortliche Instanzen für die Hochschulentwicklung haben die Wissenschaftsministerien der einzelnen Bundesländer starken Einfluss auf die Hochschulen und deren Potenziale zur nachhaltigen Entwicklung. Auf formeller Ebene können über Gesetze und Verordnungen nachhaltigkeitsrelevante Kriterien wie Umwelt- und Sozialstandards verankert werden (z. B. über Vergaberichtlinien). In direkter Verhandlung zwischen den Hochschulen und den Landesregierungen finden derartige Kriterien auch Eingang in die Hochschulverträge bzw. Zielvereinbarungen, wie sie von den Länderregierungen zur Festlegung grundlegender Entwicklungsziele mit den Hochschulen vereinbart werden. Ausschreibungen auf der Ebene der Bundesländer, des Bundes und der EU bieten Fördermöglichkeiten für nachhaltigkeitsbezogene Forschungs- und Entwicklungsprojekte (z. B. FONA, SISI, HOCHN).
„Das war z. B. auch der Grund, warum das Studierendenwerk sich dazu entschieden hat, Refill-Becher zu fördern, weil die Behörde letztes Jahr einen verbindlichen Leitfaden herausgebracht hat, in dem jede städtische Behörde dazu angehalten ist, gerade im Lebensmittelbereich den Abfall so gering wie möglich zu halten. Das ist kein Gesetz, das ist aber ein verbindlicher Leitfaden und an den muss sich auch die Uni und entsprechend auch das Studierendenwerk halten.“ |
ZUM LEITFADEN BETRIEB |
BEISPIEL | Hochschulrektorenkonferenz und UNESCO-Kommission
Zum Positionspapier 'Hochschulen für nachhaltige Entwicklung' von HRK und DUK vom 24.11.2009 Zur HRK-Erklärung 'Für eine Kultur der Nachhaltigkeit' vom 06.11.2018 |
Etablierte Wissenschaftslogiken und neue Leitbilder
Die etablierte Wissenschaftslogik, deren Erfolgskriterien und Belohnungssysteme zielen maßgeblich auf disziplinäre Spitzenforschung. In den meisten Wissenschaftsgebieten dominiert nach wie vor eine disziplinäre Logik. Das Leitkonzept nachhaltiger Entwicklung hinterfragt ein oftmals auf monodisziplinärer Forschung fußendes Wissenschaftsverständnis und fokussiert die Schnittstellen zwischen Disziplinen. Weiterhin macht die Nachhaltigkeitsforschung die Wissenschaft selbst zum Forschungsgegenstand, wenn sie kritisch die Begründungszusammenhänge etablierter Wissenschaft diskutiert und die gesellschaftliche Bedeutung der Forschung vor dem Hintergrund nachhaltiger Entwicklung reflektiert.
ZUM LEITFADEN FORSCHUNG |
Neben der Betrachtung von fachlichen Wissensinhalten kommt es dabei auch zur Reflexion und Berücksichtigung von Ziel- und Transformationswissen. Das bedeutet, dass Forscher*innen einerseits den angestrebten Soll-Zustand durch gezielte Fragen klar definieren (Zielwissen) und andererseits einen möglichen Weg dorthin durch die nötigen Veränderungen von Verhaltens- und Handlungsweisen beschreiben und veranlassen können (Transformationswissen).
„Es ist eine Hürde, dass es im Wissenschaftssystem andere Anerkennungsmechanismen gibt, als die, die sinnvoll wären, um Nachhaltigkeit durchzusetzen. Also wenn wir jetzt an die Verankerung in der Lehre denken: ‚Wie kann in allen Fächern mindestens die Möglichkeit bestehen, dass man sich mit dem Thema auseinandersetzen könnte?‘ Dann scheitert es sehr schnell an den Rahmenprüfungsordnungen. Wenn man versucht – und das mache ich seit drei Jahren – eine Rahmenprüfungs- ordnung zu entwickeln, in der das strukturell ermöglicht wird, scheitert das z. B. daran, dass meine Fachgesellschaft nur eine gewisse Anzahl an Leistungspunkten anerkennt.“ |
Eigenlogiken und Fachkulturen innerhalb der Hochschule
Hochschulen sind komplexe Organisationen: Je größer die Hochschule, desto vielgestaltiger die Prozesse, Strukturen und Eigenlogiken der Disziplinen und Teilbereiche. Dies gilt für die Fächer und ihre Organisationseinheiten ebenso wie für die hochschulischen Handlungsfelder wie Forschung und Lehre oder das Campusmanagement. Jeder Bereich hat innerhalb der Organisation eine eigene Entwicklung genommen und spezifische organisationale wie disziplinäre Eigenlogiken entwickelt. Diese müssen berücksichtigt werden, wenn es darum geht, einen gesamthochschulischen Nachhaltigkeitsprozess zu entwickeln und zu gestalten. Dies betrifft sowohl den Prozess der inhaltlichen Verständigung auf ein Nachhaltigkeitskonzept und dessen Ziele, als auch die Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Organisationskulturen und den involvierten Akteur*innen (z. B. in der gemeinsamen Arbeit zwischen Verwaltungspersonal und Forschenden).
„Wenn man jetzt die Universität einmal als Betrieb sieht, dann geht Nachhaltigkeit ganz schnell alle etwas an, in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen. Deshalb ist es meines Erachtens so wichtig zu betonen, dass hier wirklich ein kultureller Wandel stattfindet. Das hat etwas mit Haltung und Einstellung zu tun. Das ist immer ein sehr langfristiger Prozess und das hat manchmal auch etwas mit mehr Mühe zu tun.“ |
Hochschulgröße
Die Hochschulgröße hat großen Einfluss darauf, wie schnell Nachhaltigkeit Schritt für Schritt in der eignen Institution verankert werden kann. Da sich an kleinen Hochschulen die Hochschulangehörigen vielfach persönlich kennen, fällt es ihnen oft leichter, einen gesamthochschulischen Nachhaltigkeitsprozess gemeinsam zu entwickeln und zu gestalten. Entscheidend hierfür sind der Austausch und die Koordination aller Hochschulangehörigen sowie eine enge Anbindung an die Hochschulleitung.
Kleine Hochschulen zeichnen sich oft durch eine disziplinäre Spezialisierung aus, was die inhaltliche Verständigung über ein Thema erleichtert. Schließlich ist der Kontakt zwischen den hochschulischen Handlungsfeldern (Forschung und Lehre, Betrieb, Campusmanagement) bei räumlicher Nähe leichter herstellbar und gemeinsame Projekte können unkomplizierter auf den Weg gebracht werden – beispielsweise die Ermittlung des ökologischen Fußabdrucks. Auf der anderen Seite ist es häufig so, dass gerade kleine Hochschulen in einem eng umgrenzten Themengebiet hoch spezialisiert sind.
Große Hochschulen sind komplexe Organisationen. Sie verfügen dank ihrer starken Personalausstattung über ein breiteres disziplinäres Expertisespektrum. Oftmals aber fehlen den Akteur*innen innerhalb der Organisation das Wissen und der Überblick über die vielfältigen, häufig dezentralen Aktivitäten. Es bedarf also insbesondere in großen Organisationen geeigneter Instrumente zur Etablierung gesamthochschulischer Austausch- und Arbeitsprozesse, um Akteur*innen miteinander zu vernetzen.
„Wir sind eine kleine Hochschule, bei der vieles auf Zuruf funktioniert. Die Kommunikationswege sind viel kürzer, als in einer größeren Universität oder Hochschule. Das ist übrigens auch ein wichtiges Thema hinsichtlich der Nachhaltigkeit.“ |
„Es ist ja nun eine ganz große Organisation hier. Da ist klar, dass es nicht immer alles so schnell geht. Trägheit ist ein wesentlicher Punkt und ich glaube, das kann man schon ein bisschen verbessern. Meine Befürchtung ist, dass es nachher viel zu viele Gruppen gibt, die irgendwie irgendwas mit Nachhaltigkeit machen. Irgendwann führt es dazu, dass die rechte Hand nicht mehr weiß, was die linke macht. Ich hoffe nicht, dass es so ist und würde es ein bisschen gebündelter besser finden.“ |
Regionale Verortung und lokale Einbindung
Das Leitkonzept der Nachhaltigkeit setzt in hohem Maße auf inter- und transdisziplinäre Formate und darauf, den eigenen Elfenbeinturm zu verlassen, um in Kooperation mit lokalen Akteur*innen wie KMU sowie Forschenden verschiedener Disziplinen zu treten. Die Bearbeitung von Nachhaltigkeit im Hochschulkontext bedarf gesellschaftlicher Bedeutsamkeit und praktischer Relevanz. Neben der Größe spielt daher auch die regionale Verortung der Hochschulen eine wichtige Rolle. Insbesondere Hochschulen im ländlichen Raum sind oftmals eingebunden in die lokalen Innovations- und Regionalentwicklungsprozesse. Sie stehen vielfach bereits lange in engem Kontakt mit Vertreter*innen aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik und sind damit eng in mit dem regionalen Gefüge verflochten. Hochschulen in Metropolregionen haben die Möglichkeit, auf kurzen Wegen mit anderen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Partner*innen zusammenzuarbeiten.
ZUM LEITFADEN TRANSFER |
„Also ich verstehe den Nachhaltigkeitsprozess hier als eine Verzahnung zwischen den lokalen Akteuren und den Hochschulangehörigen. Es gibt so vielfältige Kontakte hier in der Universität zu den lokalen Akteuren, dass sich das, glaube ich, auch gegenseitig eben befruchtet und den Prozess hier auch voranbringt.“ |
Unterstützende Faktoren
Nachhaltigkeit als Profilierungsthema einer Hochschule
Ein wichtiger unterstützender Faktor für die nachhaltigkeitsbezogene Profilierung der Hochschule ist der zunehmende Aufmerksamkeitsfaktor, welche Beiträge eine Hochschule zur nachhaltigen Entwicklung leistet und wie glaubwürdig sie dabei wirkt. Viele Hochschulen, in denen Nachhaltigkeitsprozesse und -strukturen gut etabliert sind, haben viele disziplinäre Bezüge zum Konzept der Nachhaltigkeit. Umweltwissenschaftliche Studiengänge beispielsweise haben schon grundsätzlich eine Nähe zur ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit. Derartige bereits vorhandene Schwerpunkte erleichtern es Hochschulen, Bezüge zur Nachhaltigkeitsthematik herzustellen. Darüber hinaus bieten Fragen der sozialen oder ökonomischen Debatte wie beispielsweise aus der Volkswirtschaft, dem Tourismus oder der sozialwissenschaftlichen Perspektive zahlreiche Anknüpfungspunkte zu Nachhaltigkeit.
Auch gesamthochschulisch kann Nachhaltigkeit als ein Merkmal fungieren, mit dem sich eine Hochschule der Öffentlichkeit präsentiert. Während sich Nachhaltigkeit an einigen kleinen Hochschulen zuweilen zum identitätsstiftenden Motiv der gesamten Hochschule entwickelt hat, gesellt sie sich an großen Universitäten meist zu einer ganzen Reihe von Profilthemen. Eine Profilierung in Bezug auf Nachhaltigkeit bietet allen Hochschulangehörigen nach innen eine gemeinsame Orientierung. Nach außen ermöglicht eine Profilierung eine bessere Sichtbarkeit der Nachhaltigkeitsthematik. Dies kann gleichermaßen auf mögliche zukünftige Studierende wie auf interessierte Forscher*innen oder zukünftige Mitarbeiter*innen wirken. Ferner kann im Kontakt mit weiteren Akteur*innen oder Mittelgeber*innen aus Politik, Zivilgesellschaft oder Ökonomie z. B. ein hochschulisches Nachhaltigkeitsleitbild die Wahrnehmung der eigenen Organisation verbessern.
Mitunter haben Hochschulen bei Zielkonflikten in der Profilbildung die Chance, bereits an Vorerfahrungen mit solchen Abstimmungsprozessen anzuknüpfen. Viele Hochschulen des HOCHN-Verbundes haben Erfahrungen mit Managementverfahren etwa in Zusammenhang mit dem Umweltmanagementsystem EMAS gemacht und nutzen dies als Ansatzpunkt für die Auseinandersetzung mit Fragen des Ressourcenschutzes. Andere haben sich im Zusammenhang mit der Integration von geflüchteten Studierenden, mit Kooperationsinitiativen mit Ländern des globalen Südens, als familienfreundliche und/oder gesundheitsfördernde Hochschulen einen Namen gemacht und stellen sich von diesen Aktivitäten ausgehend weiteren Herausforderungen der ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit.
„Mit einer ganz klaren Profilierung ist es möglich, erfolgreich zu sein. Mit einem Bauchladen an Angeboten, die es woanders überall auch gibt, wäre der Erfolg wahrscheinlich weniger ausgeprägt. Das Thema Nachhaltigkeit ist bei uns verankert und deswegen ist es auch richtig, die Hochschule ganz klar so auszurichten.“ |
Unterstützung durch die Hochschulleitung
Eine entscheidende Gelingensbedingung hochschulischer Nachhaltigkeit ist die unterstützende Haltung der Hochschulleitung. Eine Unterstützung kann sehr unterschiedliche Formen annehmen, vom öffentlichen Bekenntnis zur Nachhaltigkeit, über die Einrichtung von Förderinstrumenten für nachhaltigkeitsbezogene Projekte und Initiativen bis hin zur Institutionalisierung eigener Kompetenzzentren oder Stabsstellen. Je konkreter ein solches Commitment ist, desto geringer ist die Gefahr, dass sich die Unterstützung in einem Lippenbekenntnis der Leitungsebene erschöpft. Im besten Falle nehmen Mitglieder des Präsidiums selbst eine aktive Rolle in der Gestaltung des Nachhaltigkeitsprozesses ein.
„Der wesentliche Akteur ist das Rektorat und das mit all seinen Mitgliedern [...]. Für alle Rektoratsmitglieder ist Nachhaltigkeit Chefsache, seit vielen Jahren schon.“ |
Engagierte ‚Überzeugungstäter‘
Nachhaltigkeit an Hochschulen ist nicht ohne persönliches Engagement vieler einzelner Überzeugungstäter*innen vorstellbar. Die allermeisten hochschulischen Nachhaltigkeitsprozesse wurden und werden von einzelnen Schlüsselfiguren aus der Hochschule oder Studierendengruppen initiiert. Es sind vielfach Menschen, die an ihrem Platz in der Verwaltung, als Studierende oder als Hochschullehrer*innen aus eigenem Impuls Handlungsbedarf in Sachen Nachhaltigkeit sehen und sich auf den Weg machen. Derartiges Engagement kann zwar nicht zentral verordnet, durchaus aber gefördert und angeregt werden – Möglichkeiten sind etwa Ausschreibungen, Wettbewerbe oder Fortbildungen für alle Hochschulangehörigen. Auf Dauer sollte das Engagement jedoch zusätzlich in nachhaltige Strukturen überführt werden.
„Aber es hängt auch wieder sehr stark an einzelnen Persönlichkeiten, das sollte man nicht unterschätzen. Also die Institution selber kann da irgendwelche ‚Mission Statements‘ verabschieden oder Leitbilder, aber wenn das nicht von einzelnen Persönlichkeiten auch unter, ich denke, sehr, sehr hohem Arbeitseinsatz, der jenseits der normalen 40-Stundenwoche liegt, unterstützt wird, dann kommt da nichts raus.“ |
Netzwerke zur hochschulischen Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeitsorientierte Netzwerke sind ein weiterer relevanter Einflussfaktor hochschulischer Nachhaltigkeit. Sie dienen der Kooperation, Vernetzung und dem Wissensaustausch über die eigene Institution hinaus. Solche Netzwerke existieren inzwischen auf verschiedenen Ebenen, auf Bundesländerebene (z. B. in Bayern) ebenso wie im europäischen Rahmen (z. B. COPERNICUS Alliance). Auch im Rahmen von HOCHN kommt es zur Institutionalisierung eines Nachhaltigkeitsnetzwerkes, dem alle interessierten deutschsprachigen Hochschulen beitreten können. Zudem ist aus HOCHN die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltigkeit an Hochschulen (DG HochN) erwachsen, die das Thema auch nach Projektende vorantreibt und sich über Mitglieder freut. Speziell für Studierendeninitiativen gibt es das ‚netzwerk n‘, das sich die Transformation der deutschen Hochschullandschaft vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsleitbildes auf die Fahnen geschrieben hat.
„Über die Netzwerke tauschen wir uns ja mit den anderen Hochschulen aus um zu schauen: ‚Was funktioniert? Was funktioniert nicht? Wo können wir zusammenarbeiten?‘ Also gerade auch HOCHN wird jetzt von uns wie so ein Netzwerk gesehen, das ist ein ganz wichtiger Akteur, der jetzt an der Stelle gebildet wurde.“ |
Nachhaltigkeit benötigt Ressourcen, Nachhaltigkeit schont Ressourcen
Nur wenig erstaunen wird die folgende Erkenntnis, die sich durch die Forschung in HOCHN bestätigt hat: Nämlich, dass die Ressourcenausstattung für die Entwicklung hochschulischer Nachhaltigkeit zentral ist. Forscher*innen profitieren von hochschulischen Unterstützungsstrukturen, die sie z. B. in der Beantragung interdisziplinärer Forschungsanträge begleiten. Lehrende profitieren davon, innerhalb ihres Lehrdeputats innovative Formate ausprobieren und anbieten zu können (Projektwerkstätten, Reallabore etc.). Verwaltungsmitarbeiter*innen wünschen sich, sich in einem Arbeitskreis der Hochschule mit Kolleg*innen zum Umweltmanagement auszutauschen. Um Nachhaltigkeit an Hochschulen als Daueraufgabe zu etablieren, bedarf es einer langfristigen Sicherung finanzieller, personeller wie auch infrastruktureller Ressourcen – zunächst, um Nachhaltigkeit als (hochschulische) Entwicklungsaufgabe in Forschung, Lehre und Campusmanagement zu etablieren, aber ebenso, um Nachhaltigkeit innerhalb der Hochschule als koordinative Daueraufgabe zu bearbeiten und weiterzuentwickeln. Hierzu sind unbefristet angestellte Mitarbeiter*innen und ggf. auch die Einrichtung einer institutionellen Stabsstelle notwendig. Zwar verursacht die Berücksichtigung nachhaltigkeitsrelevanter Kriterien und Maßnahmen der Hochschule zunächst höhere Kosten. Diesen aber stehen Einsparpotenziale gegenüber, die auf betrieblicher Seite durch das Prinzip der Ressourcenschonung erzielt werden können.
ZUM LEITFADEN BETRIEB |
„Wir haben ein Blockheizkraftwerk [...], da hat das Thema Nachhaltigkeit immer wieder eine Rolle gespielt, wenn es um Energieeinsparungen beispielsweise geht. Betriebsferien zwischen Weihnachten und Neujahr ist ein Thema, wo sehr viel Strom eingespart wird, wenn die Universität einfach zehn Tage geschlossen wird – auch Heizkosten natürlich.“ |
Personal und Wissen
Neben seinen inhaltlichen und fachlichen Bezügen werden im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit die Funktionslogiken unserer Hochschulen als Wissensorganisationen hinterfragt. Dies erfordert ganz eigene Kompetenzen aller beteiligten Akteur*innen und stellt an alle Mitarbeiter*innen neue Anforderungen. Indem nämlich die Hochschule in Nachhaltigkeitsprozessen stärker als Gesamtsystem verstanden und entwickelt wird, kommt es oft zu Formen des Austausches und der Koordination, die auf eine breite Partizipation möglichst vieler unterschiedlicher Statusgruppen setzen. Bereits bei der Personalplanung und -entwicklung gilt es daher, neben fachlichem Wissen ebenso der Vermittlungs- und Kommunikationskompetenz sowie dem Transformations- und Transferwissen eine entsprechende Bedeutung beizumessen.
Für die Entwicklung hochschulischer Nachhaltigkeit sind Mitarbeiter*innen mit derartigen Kompetenzen genauso entscheidend, wie die Etablierung von Mechanismen des Wissenstransfers. Denn oftmals liegt maßgebliches Wissen bei einzelnen Akteur*innen, das mit deren Ausscheiden aus der Organisation verloren geht. Bei hochschulischer Nachhaltigkeit geht es aus diesem Grund auch darum, Formen des Wissensaustausches und der Dokumentation zu entwickeln und zu etablieren, die den Verlust von Erfahrungswissen minimieren sowie existente Wissensbestände sichern und dokumentieren.
„Dass wir Kompetenzen auch für diese Universität sichern, ist in der heutigen Zeit, in Zeiten der Vollbeschäftigung, durchaus eine besondere Herausforderung. Man muss den Menschen Perspektiven bieten, Entwicklung bieten, weil sonst Mitbewerber auf dem Markt sie abgreifen. Und dort gehen dann überhaupt Kompetenzen verloren, die für einen Nachhaltigkeitsprozess oder für nachhaltige Prozesse zwingend notwendig sind.“ |
Handlungsprinzipien
Neben den Rahmenbedingungen und den unterstützenden Faktoren lassen sich spezifische Handlungsprinzipien identifizieren. Sie können als Grundhaltungen verstanden werden, die im Rahmen sämtlicher Nachhaltigkeitsaktivitäten Bedeutung erlangen.
Kommunikation
Auf dem Weg zu hochschulischer Nachhaltigkeit ist die Zusammenarbeit zwischen Personen aus unterschiedlichen Disziplinen und Professionen notwendig. Niederschwellige Kommunikationsformate und größtmögliche Transparenz sollen helfen, zu einem gemeinsamen Verständnis von Nachhaltigkeit und deren Bestimmungszielen für die eigene Organisation zu gelangen.
„Ich hab das Gefühl, dass es nicht eine übergestülpte Nachhaltigkeitsstrategie geben wird, sondern dass es wirklich verschiedene Stellen gibt, die Schwerpunktthemen setzen und bearbeiten. Durch die gute Vernetzung untereinander erreicht man trotzdem, dass am gemeinsamen Ziel gearbeitet wird." |
Partizipation
Im Sinne eines gesamtinstitutionellen Vorgehens (Whole Institution Approach) kann Nachhaltigkeit nicht verordnet werden, sondern bedarf der Gestaltung und Entwicklung durch alle hochschulischen Akteur*innen. Entscheidend hierfür sind die Begegnung auf Augenhöhe unabhängig von Hierarchieebenen, der Wissensaustausch und die gemeinsame Arbeit innerhalb der dafür etablierten Arbeits- und Austauschformate.
„Man sollte immer im Kopf haben, Partizipation und Beteiligung zu ermöglichen. Und zwar eine ehrliche, wertschätzende Partizipation. Die Hochschule ist nicht irgendwer, sondern wir sind die Hochschule. Hochschule ist für Menschen da. Man kann ganz viel daraus ziehen, wenn man die Möglichkeiten schafft, auf Augenhöhe miteinander in Kontakt zu treten und mit Wertschätzung Erfahrungswissen auszutauschen, um dann gemeinsam zu überlegen, wie man das Erfahrungswissen in Gestaltungskompetenz umwandeln kann.“ |
Prozessorientierung
Die Entwicklung hochschulischer Nachhaltigkeit bedingt weiterhin eine große Offenheit hinsichtlich des zu beschreitenden Weges, das Zulassen von Unsicherheit und die Anerkennung von Komplexität und Konfliktpotenzialen. Nachhaltigkeit ist ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, kein zu einem Zeitpunkt X erreichtes Entwicklungsziel. Jene Offenheit bedingt den Mut und die eigene Motivation, sich auf einen solchen Weg einzulassen, das Thema als strategische Ausrichtung in die Hochschulbereiche hineinzutragen und notwendige Ressourcen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Damit einher geht die Notwendigkeit, Kompromisse einzugehen und in eine fruchtbare Kommunikation mit den Mitstreiter*innen zu treten.
„Manchmal habe ich den Eindruck, dass es daran scheitert, dass Nachhaltigkeit als ein Zustand aufgefasst wird und weniger die Prozessperspektive berücksichtigt. Dass quasi irgendwas erreicht werden soll, was eben eine Stabilisierung oder eine Aufrechterhaltung bedeutet. Aber gar nicht so sehr der Weg dahin betrachtet wird.“ |
Beharrlichkeit und Langfristigkeit
Hochschulen auf einen nachhaltigkeitsorientierten Veränderungsweg zu steuern, heißt „dicke Bretter zu bohren“. Es bedarf daher bei allen involvierten Akteur*innen langfristigen Engagements und großen Beharrungsvermögens. Hierfür sind insbesondere Maßnahmen wichtig, die den langfristigen Entwicklungsprozess der eigenen Hochschule begleiten und fördern – z. B. die Einrichtung einer Koordinationsstelle, die unterschiedliche Akteur*innen miteinander bekannt macht, Impulse setzt, sie zu gemeinsamen Aktivitäten anregt und diese begleitet.
„Nachhaltigkeit bei so einem großen Laden – einerseits öffentlicher Dienst, andererseits Organisation – umzusetzen, bedeutet ein recht dickes Brett zu bohren. Transformation zur Nachhaltigkeit ist ja nicht mal eben so gemacht.“ |
Zusammenfassung: Rahmenbedingungen, unterstützende Faktoren und Handlungsprinzipien
Hochschulische Nachhaltigkeitsprozesse finden unter mehr oder weniger förderlichen, meist aber kaum direkt beeinflussbaren Kontexten und Rahmenbedingungen statt, z. B.:
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Unterstützt werden hochschulische Nachhaltigkeitsprozesse etwa durch folgende Aspekte:
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Hochschulische Nachhaltigkeitsprozesse gelingen insbesondere, wenn wichtige Handlungsprinzipien berücksichtigt werden:
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