HOCH-N:Nachhaltigkeitsverständnis

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Präambel

Gesamtziel des Vorhabens ‚Nachhaltigkeit an Hochschulen‘ (HOCHN) ist die Förderung nachhaltiger Entwicklung an Hochschulen in Deutschland inklusive Ableitung von Maßnahmen und Leitfadenerstellung. Eine wichtige Basis dafür ist die Entwicklung eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsverständnisses – wir verwenden im Folgenden die Begriffe ‚Nachhaltigkeit‘ und ‚nachhaltige Entwicklung‘ synonym – unter Berücksichtig seiner transformativen Aspekte für die Umsetzung, die Etablierung eines Netzwerks zum Erfahrungsaustausch sowie die Förderung nachhaltiger Hochschulentwicklung. HOCH-N wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Unter www.hoch-n.org finden sich nähere Informationen zum Projekt.


Zum Entstehungsprozess

Das vorliegende Nachhaltigkeitsverständnis des Verbundprojekts HOCHN entstand in einem partizipatorischen und konsultativen Prozess der elf Verbundhochschulen über die Projektdauer November 2016 bis Oktober 2018. Basierend auf den in den einzelnen Arbeitspaketen von HOCH-N entwickelten Zwischenergebnissen wurde und wird es bis zum Ende der Projektlaufzeit kontinuierlich modifiziert. Der nachfolgende Text basiert auf den Zielformulierungen und/oder Implikationen der Nachhaltigkeitsverständnisse der einzelnen Partnerinnen des Verbundprojekts (Freie Universität Berlin, Universität Bremen, Technische Universität Dresden, Universität Duisburg-Essen, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Universität Hamburg, Leuphana Universität Lüneburg, Ludwig-Maximilians-Universität München, Eberhard Karls Universität Tübingen, Universität Vechta und Hochschule Zittau/Görlitz) sowie auf der Auswertung der im Literaturverzeichnis ersichtlichen Texte. Das Nachhaltigkeitsverständnis hat insofern eine empirische Grundlage, berücksichtigt heterogene Dokumente (Nachhaltigkeitsverständnisse der Hochschulen oder auch einzelner Gruppen innerhalb der Hochschulen), ist auf konzeptionelle Kohärenz angelegt und versucht insbesondere die normativen Implikationen von Nachhaltigkeit herauszuarbeiten. Der Prozess, das Nachhaltigkeitsverständnis des HOCH-N-Verbunds auszugestalten, wurde unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Markus Vogt begleitet und durch Lara Lütke-Spatz und Christoph Weber (alle LMU München) koordiniert. Christine Stecker (Universität Hamburg) trug die verschiedenen Nachhaltigkeitsleitbilder der Verbundhochschulen zusammen und lieferte einen ersten Kategorisierungsansatz.


Intention und Einordnung des Nachhaltigkeitsverständnisses im Kontext Hochschule

Viele AkteurInnen an Hochschulen in Deutschland befassen sich in Wissenschaft, Lehre und Betriebspraxis mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit. Bislang besteht jedoch kein hinreichender Kon-sens darüber, wie der aus gesellschaftlicher Verantwortung begründete Anspruch von Nachhaltigkeit im Kontext von Hochschulen verstanden, ausgestaltet und umgesetzt werden soll. Dies zeigt sich beispielsweise in der aktuellen Debatte um die Verhältnisbestimmung von Freiheit und nachhaltigkeitsbezogener Verantwortung der Wissenschaft. Auch aus diesem Grund hat sich der Verbund HOCH-N zum Ziel gesetzt, ein gemeinsames, hochschulspezifisches Nachhaltigkeitsverständnis zu entwickeln, das einen Orientierungsrahmen zur gesamtinstitutionellen Integration und Umsetzung von Nachhaltigkeit als ethisches Prinzip an Hochschulen in Deutschland darstellt. Basierend auf vielfältig bereits in internationalen Beschlüssen verankerten Grundverständnissen von Nachhaltigkeit und anschließend an die inzwischen zahlreichen Weiterentwicklungen des Nachhaltigkeitskonzepts, die in der wissenschaftlichen Literatur ihren Niederschlag gefunden haben, wird das normative Prinzip nunmehr auf den Kontext von Hochschulen in Deutschland bezogen. Darauf aufbauend wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit als normatives und auf gesellschaftliche Transformation ausgerichtetes Konzept für Theorie und Praxis der Handlungsfelder von Hochschulen (Forschung, Lehre, Betrieb, Governance, Transfer) möglichst allgemeinverständlich herausgestellt. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich nicht um einen fixierten ‚Standard‘, sondern um einen Orientierungsrahmen für Nachhaltigkeit an Hochschulen, der kontinuierlich an die sich ändernden Erkenntnisse und Bedingungen angepasst werden muss. Das Nachhaltigkeitsverständnis innerhalb des HOCH-N-Verbunds schließt keineswegs aus, dass einzelne Hochschulen mit ihren unterschiedlichen Zugängen, Schwerpunktsetzungen und Praktiken innerhalb dieses Rahmens je eigene Akzente setzen. Vielmehr betrachten wir die Vielfalt unterschiedlicher Nachhaltigkeitsverständnisse als Gewinn, da Nachhaltigkeit idealerweise auf die jeweiligen Kontexte und Rahmenbedingungen der Hochschulen und auf ihre AkteurInnen Bezug nehmen sollte. Gerade weil es unterschiedliche Akzente gibt, erfüllt eine begrifflich-konzeptionelle Klärung jedoch die wichtige Funktion, Interpretationsspielräume zu klären, offene Fragen für weitere Diskussion und Forschung zu benennen sowie Gemeinsamkeiten trotz kontextuell unterschiedlicher Umsetzungen nicht aus dem Blick zu verlieren. Damit Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung keine abstrakten Begrifflichkeiten und Konzepte ohne klaren Handlungsbezug bleiben, die nach beliebigen Interessenlagen instrumentalisiert werden (können), soll das vorliegende Nachhaltigkeitsverständnis die Präzisierung von Kommunikations- und Kollaborationsprozessen unterstützen. Darüber hinaus liefert es die Basis für eine langfristige und substantielle Implementierung von Maßnahmen an Hochschulen, die als unerlässlich für eine große gesellschaftliche Transformation (vgl. WBGU 2011) sowie zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen erachtet werden. Dabei können mehrere Ebenen unterschieden werden, die für die Entwicklung eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsverständnisses für Hochschulen von Bedeutung sind (Systeme, Gruppen und Individuen):

  • a) Makroebene: Diese umfasst den übergeordneten gesellschaftlichen Rahmen und funktionale gesellschaftliche Teilsysteme wie Politik, Wissenschaftssystem, Hochschulpolitik etc. mit den dazugehörigen Diskursen. Kernfrage: Wie wird Nachhaltigkeit in der Gesellschaft verhandelt?
  • b) Mesoebene: Diese umfasst die Hochschule als Organisation sowie deren Einheiten (beispielsweise Fakultäten, Institute, Gremien, Abteilungen, Kooperationskonsortien, Teams etc.). Kernfrage: Welches auf die jeweilige Hochschule ausdifferenzierte Nachhaltigkeitsverständnis findet für die Hochschule Anwendung?
  • c) Mikroebene: Diese umfasst Einzelpersonen (die Hochschulangehörigen und Individuen aus den Anspruchsgruppen) mit ihrem individuellen Nachhaltigkeitsverständnis, das geprägt ist von persönlichen, individuellen Annahmen und Interpretationen, je nach Vorwissen, Statusgruppe, Werten und Einstellungen, sozialer Einbettung etc. Kernfrage: Was bedeutet nachhaltige Entwicklung für mein Handeln, auch im Austausch mit und in Abhängigkeit von anderen?

Der Prozess (Kommunikation und strategische Steuerung, um aufeinander abgestimmtes Handeln zu ermöglichen) und das Ergebnis (konkrete Umsetzung auf der Basis eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsverständnisses) sind für alle Ebenen gleichermaßen relevant, um auf eine möglichst hohe Kohärenz hinzuarbeiten, Missverständnisse abwenden sowie sich gegenseitig aufhebende Effekte von Implementierungsmaßnahmen einer nachhaltigen Entwicklung vermeiden zu können. Der nachfolgende Text dient einerseits für die Verständigung innerhalb des Verbundes HOCH-N, andererseits als Instrument der Kommunikation nach außen, um Unterstützung, Kooperation und weitere AkteurInnen für den offenen Prozess nachhaltiger Entwicklung in und durch Hochschulen zu gewinnen.


Zielgruppe

Der vorliegende Text richtet sich in erster Linie an Hochschulangehörige, insbesondere an diejenigen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen und Veränderungsprozesse gestalten können. Zu den internen Anspruchsgruppen gehören demnach die Studierenden, die Hochschulleitungen, WissenschaftlerInnen und Lehrende, Verwaltungsmitarbeitende und Nachhaltig-keitsbeauftragte. Hervorgehoben sind dabei die ‚Change Agents‘, die sowohl hochschulintern als auch -extern den Implementierungsprozess vorantreiben wollen. Change Agents finden sich dabei hierarchisch auf allen Ebenen. Dies wird in der Praxis dadurch deutlich, dass Veränderungsprozesse hin zu einer nachhaltigen Entwicklung von Hochschulen sowohl top-down als auch bottom-up initiiert erfolgen können, aber zur erfolgreichen Implementierung die jeweils andere Ebene benötigen. Als hochschulexterne Anspruchsgruppen sind, neben den Change Agents, z.B. VertreterInnen von zuständigen Landes- und Bundesministerien, Politik, Zivilgesellschaft, Unternehmen, der Hochschulrektorenkonferenz, der Kultusministerkonferenz und der deutschen UNESCO-Kommission zu nennen. Verbindende Elemente zwischen den internen und externen Anspruchsgruppen, die die Wechselwirkungen zwischen den AkteurInnen symbolisieren sollen, sind die ‚Kollaboration‘, ‚Kommunikation‘ und das ‚voneinander Lernen‘ (vgl. Abbildung 1).

(ABBILDUNG EINFÜGEN)


Grundverständnis von Nachhaltigkeit im Kontext von Hochschulen

Nachhaltigkeit ist ein normatives Prinzip, das sich als Maßstab einer globalen und intergenerationellen Gerechtigkeit angesichts der Herausforderungen des gegenwärtigen Wandels des Erdsystems umschreiben lässt. Ethisch-politisch ist nachhaltige Entwicklung kein extern vorgegebenes und festgelegtes Ziel, sondern ein offener Suchprozess mit heterogenen Zielkomponenten, der sich von daher plural und kulturvariabel gestaltet. Ihr Gegenstand ist die langfristige Verantwortung, um die ökologische Tragfähigkeit, die soziale Gerechtigkeit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu sichern. Sie zielt auf die Stärkung kultureller Kompetenzen der Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens. Ihre systemisch integrierte Umsetzung wird als Anspruch einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation verstanden. Kern ist die Transformation des Verhältnisses des Menschen zur Natur. Die Aufgabe der Hochschulen besteht darin, sich theoretisch-konzeptionell, methodisch und reflexiv mit den Prozessen und Bedingungen der Transformation auseinanderzusetzen, um insbesondere dazu beizutragen, dass und wie Nachhaltigkeit in einem bestimmten Kontext umgesetzt wird. Nachhaltigkeit bedarf einer methodisch-kritischen Reflexion zum Stellenwert ethischer Perspektiven im Kontext der Wissenschaft. Ethik ist die bewusste Reflexion der vielfältigen Gründe, Ziele, Motivationen und Widerstände des guten und gerechten Handelns. Jedoch erschöpft Ethik sich nicht darin, rezeptartig fertige Lösungen für richtiges Handeln vorzugeben, sondern will zunächst zum Nachdenken anregen und dadurch zur Freiheit befähigen. Der Bedarf an ethischer Reflexion und Orientierung ergibt sich vor allem in Umbruchsituationen. Eine solche liegt heute angesichts des tiefgreifenden Wertewandels sowie der globalen, nationalen und regionalen Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung (wie z.B. Klimawandel) vor. Von daher versteht es das Nachhaltigkeitsprinzip sowohl als ökosoziale und ökonomische Herausforderung wie als Kulturaufgabe, die natürlichen Lebensgrundlagen in der Gegenwart für alle Menschen weltweit, einschließlich nachfolgender Generationen zu erhalten (vgl. Brundtland-Kommission; Art. 20a GG; SDGs), sowie die Natur in ihrem Eigenwert mit ihrer biologischen Vielfalt zu achten und zu schützen (vgl. Bundesnaturschutzgesetz §1).

Hochschulen als zentrale Akteurinnen des gesellschaftlichen Diskurses widmen sich an zentraler Stelle der Thematik. In diesem Kontext, und in Anlehnung an die gemeinsame Erklärung der HRK/DUK (2010) zur Hochschulbildung für nachhaltige Entwicklung, fassen die AkteurInnen des Verbundprojekts HOCH-N Nachhaltigkeit als profilstiftende und verbindende Leitidee auf, damit ihre Hochschulen ihren je eigenen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Gestaltung der Gesellschaft und zum verantwortungsvollen Umgang mit den Gemeingütern des Planeten Erde leisten. Es kann davon ausgegangen werden, dass den Hochschulen aufgrund ihrer ethischen und mithin gesellschaftspolitischen Verantwortung eine undelegierbare Reflexionsaufgabe und Impulsfunktion für eine solche gesellschaftliche Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit zukommt. Hochschulen können dabei empirisches und theoretisches Wissen, Methodenkompetenz und Reflexionsfähigkeit als besondere Stärken einbringen. Dem normativen Gehalt von Nachhaltigkeit gerecht zu werden bedeutet, methodisch über Problemstellungen in den Gesellschaften nachzudenken, sich relevanten Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Mensch und Natur zu stellen und zu lernen, in sekto-rübergreifenden Zusammenhängen zu denken und zu handeln. Es geht darum, wie tragfähige Lösungen zum Umgang mit den großen Herausforderungen unserer Zeit global, national und regional gefunden, umgesetzt und dauerhaft institutionell implementiert werden können.

(HIER IST EIGENTLICH EIN KASTEN - ICH LERNE NOCH WIE MAN DAS MACHT)

Die AkteurInnen des Verbundprojekts sind bestrebt, Nachhaltigkeit in den Handlungsfeldern Forschung, Lehre, Betrieb, Governance sowie Transfer in ihren eigenen Hochschulen zu implementieren. Damit leisten sie einen Beitrag dazu, um die oben genannten Ziele praktisch umzusetzen, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess anzuregen und der Glaubwürdigkeit und Vorbildfunktion gegenüber allen Hochschulangehörigen gerecht zu werden. Nachhaltige Hochschulentwicklung wird dabei als offener, reflexiver Prozess verstanden, in dem sich Freiheit der Wissenschaft und ihre gesellschaftliche Verantwortung wechselseitig bedingen.
Durch die Selbstverpflichtung der AkteurInnen des Verbundprojekts, das Verständnis für und die Umsetzung von Nachhaltigkeit zu fördern, leisten die Hochschulen ihren Beitrag zum fünfjährigen Weltaktionsprogramm „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen (2015-2019, WAP), zu dem sich auch Deutschland mit dem Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung 2017) verpflichtet hat. Dadurch tragen die Hochschulen zudem zur Wahrnehmung der Sustainable Development Goals der UN (SDGs) sowie zu ihrer strategischen Weiterentwicklung und Ergänzung bei. Dies ist sinnvoll, da die SDGs auf zentrale globale Herausforderungen wie z.B. steigender Ressourcenverbrauch und Bevöl-kerungswachstum, Externalisierung ökosozialer Kosten oder Zielkonflikte zwischen Wirtschaftswachstum und ökologischen Grenzen unzureichend eingehen.
Um eine angemessene in- und externe Transparenz sicherzustellen, kontinuierliche, offene und reflexive Verbesserungsprozesse zu fördern, den Dialog mit den verschiedenen Anspruchsgruppen der Hochschulen zu unterstützen sowie den Austausch mit der Gesellschaft zu erleichtern, kann es sich als zielführend für die Hochschulen erweisen, den Status Quo zu analysieren sowie transparente und regelmäßige Informationen zu ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten bereitzustellen und zu kom-munizieren. Eine so gestaltete Nachhaltigkeitsberichterstattung trägt dazu bei, das Nachhaltigkeitsverständnis einer Hochschule mit ihren konkreten Zielen und Maßnahmen zu reflektieren und darüber in den kommunikativen Austausch zu kommen.

1.Forschung

Da es sich bei Nachhaltigkeit um ein disziplinübergreifendes, normatives und gesellschaftsrelevantes Prinzip handelt, sind neue Formen der problemdiagnostizierenden und lösungsorientierten Forschung in Form einer Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen (interdisziplinär) sowie zwischen Hochschulen und weiteren Teilen der Gesellschaft (transdisziplinär, auch in Bezug auf Transformation) nötig.

Neben disziplinspezifischen Ergebnissen der Wissenschaften stehen daher fächerübergreifende Forschungserkenntnisse im Vordergrund, da gerade diese aufgrund der Komplexität und Multikau-salität gesellschaftlicher Herausforderungen von großer Bedeutung sind. Wissenschaft braucht innovative, inter- und transdisziplinäre Forschung in und zwischen Geistes- und Kulturwissenschaften, Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Natur- und Ingenieurswissenschaften und Medizin. Dabei wird die methodisch differenzierte Spezialisierung der Fachdisziplinen nicht aufgehoben. Wissenschaft lebt auch von Spezialisierungen. Forschung für eine nachhaltige Entwicklung kann daher auch unter zentralen Teilaspekten wie beispielsweise Klimawissenschaften, Bioökonomie oder Transformationsforschung firmieren. Allerdings dürfen die Querschnittszusammenhänge ebenso wenig aus dem Blick geraten wie eine konkrete Lösungsorientierung für gesellschaftliche Herausforderungen. Auf der Grundlage einer kritischen ethischen Reflexion der Reichweite und der Grenzen der jeweils vorausgesetzten wissenschaftstheoretischen Modelle sollen stets die jeweiligen Anschlussstellen zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen und anderen Kulturen diskutiert und so Kollaborationen ermöglicht werden. Diese Kollaboration zwischen den Disziplinen sowie zwischen Wissenschaft und weiteren gesellschaftlichen AkteurInnen effektiv auszugestalten, verlangt jedoch auch nach zusätzlichen epistemologischen und methodischen Ansätzen, die über die Disziplingrenzen hinausgehen. Nur auf diese Weise kann den komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt angemessen Rechnung getragen werden. Damit können durch die Generierung von Systemwissen (Wissen über Zusammenhänge und Mechanismen in ökologischen und sozioökonomischen Systemen), Zielwissen (Wissen über wünschenswerte Systemzustände) und Transformationswissen (Wissen zur Auslösung und Ausgestaltung konkreter Veränderungsprozesse) Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung geleistet werden. Bei alledem sollten ForscherInnen auf die Differenzierung zwischen „nachhaltigkeitsorientierter Forschung“ und „Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung“ (Explikation von LeNa, vgl. Fraunhofer-Gesellschaft et al. 2015) achten. Erstere fokussiert darauf, inwieweit Forschung sich in ihrer Konzeption, Durchführung und Wirkungserwartung an globalen Herausforderungen für die Gesellschaft ausrichten und explizit zu ihren Lösungen beitragen kann. Letztere konzentriert sich auf eine ethische und systemische Reflexion der Forschungsprozesse allgemein. Forschungsfragen, Methoden, Ergebnisse und deren Kommunikation sollten hinsichtlich ihrer Wirkungen und Umsetzung kritisch reflektiert werden. Wie im LeNa Reflexionsrahmen für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen (Ferretti et al. 2016) postuliert, stehen ForscherInnen auch an Hochschulen in der Verantwortung, sich bei ihren wissenschaftlichen Arbeiten mit ethischen Fragen der eigenen Forschung auseinanderzusetzen.

Die AkteurInnen des Verbundprojekts HOCHN verfolgen das Ziel, Forschungsvorhaben zu nachhaltigkeitsrelevanten Fragestellungen in Form von disziplinärer, inter- und transdisziplinärer Forschung zu unterstützen. Sie stellen sich die Aufgabe, die verschiedenen disziplinären Forschungsfelder unter dem Dachbegriff der Nachhaltigkeit inter- und transdisziplinär zu bündeln. Eine ethische und systematische Reflexion der Forschungsprozesse wird von den AkteurInnen als notwendige Voraussetzung für Forschung in gesellschaftlicher Verantwortung angesehen. Bestehende Anreizsysteme sind zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.


2.Lehre

Es ist es Aufgabe der Hochschulen, durch disziplinäre, inter- und transdisziplinäre Lehre, Wissen und Kompetenzen zu fördern, die es Studierenden ermöglichen, sowohl konzeptionelle als auch praktische Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft zu leisten. (Hochschul-)Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bedeutet, Nachhaltigkeit mit all ihren Facetten zu erfassen und Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung zu erkennen und zu beurteilen, um im Lebens- und Berufsumfeld verantwortlich handeln zu können. Die akademische Lehre für BNE sollte vielfältige Erscheinungsformen haben, um die vielschichtigen Anforderungen bedarfsgerecht bearbeiten zu können und ein möglichst breites Band zwischen den einzelnen Stakeholdern in diesem Lehr-Lern-Prozess zu spannen. Dabei müssen sich Fachwissen mit Gestaltungskompetenzen für partizipative Entscheidungs- und Problemlösefähigkeit sowie personalen Kompetenzen verbinden. Ein entscheidender Aspekt ist die Einübung von Reflexionsfähigkeit im Umgang mit Komplexität und Unsicherheit. Der Verknüpfung von Forschung und Lehre sowie mit disziplinär, inter- und transdis-ziplinär angelegten Studienangebote, um Gestaltungskompetenz für eine resiliente Entwicklung der Gesellschaft zu fördern, kommt eine zentrale Bedeutung zu. BNE – verstanden als Bildungskonzept – eröffnet in vielen Disziplinen neue Perspektiven auf Inhalte und ist zugleich ein Impuls für eine methodische Weiterentwicklung der Lehre. Sie verknüpft auf diese Weise Grundlagen-, Orientierungs- und Anwendungswissen, zielt auf aktive Teilhabe, Mitgestaltung und Handlungskompetenz der Lernenden, befähigt zu kritisch-reflexivem und systemisch-vernetztem Denken und fördert interkulturelles Lernen. Darüber hinaus umfasst sie sowohl Urteils- als auch Gestaltungs- und Transformationskompetenz und berücksichtigt lebenslanges Lernen. Voraussetzung dafür ist die Entwicklung von Wissen und Kompetenzen zu Nachhaltigkeit und zur BNE bei Lehrenden und MultiplikatorInnen (vgl. „Prioritäre Handlungsfelder“ 2 und 3 des BNE-Weltaktionsprogramms, WAP) sowie die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen.


Die AkteurInnen des Verbundprojekts HOCH-N setzen sich für ein ganzheitliches Bildungskonzept für nachhaltige Entwicklung ein, das die Transformation der Lern- und Lehrumgebung einschließt, die Verankerung von Nachhaltigkeitsprinzipien und Lehrinhalten in sämtlichen Bildungskontexten von Hochschulen gewährleistet und sich in den Studien- und Prüfungsordnungen der Hochschulen widerspiegelt. Die Weiterbildung von Lehrenden und Multiplikatoren bildet die hierfür nötige Grundlage.


Betrieb

Um langfristig wirksame Rahmenbedingungen zu schaffen und um eine Vorbildfunktion für nachhaltigkeitsorientiertes Handeln sowohl gegenüber den Studierenden und Beschäftigten als auch gegenüber der Öffentlichkeit glaubwürdig einzunehmen, ist die ressourcenschonende und sozialverantwortliche Ausgestaltung beispielsweise des Betriebs von Laboren, Technika und Gebäuden, sowie der Verwaltungsprozesse und des Campusmanagements der Hochschulen wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung von Hochschulen. Durch gezielte Maßnahmen in strategischen Organisationsbereichen wie dem Finanz-, Personal-, Gesundheits-, Beschaffungs- und Entsorgungs-, Mobilitäts- sowie Weiterbildungsmanagement sowie der Ernährung, des Tierschutzes und der baulichen und technischen Infrastruktur sollen modellhaft ökologisch und sozial verträgliche Lösungen entwickelt werden, die schrittweise einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess erzielen. Diese Aufgabe hat nicht nur eine technische, organisatorische und verhaltensbezogene Dimension, sondern ist auch als sozialer und dialogischer Prozess im Zusammenspiel von Forschung, Lehre und Verwaltung zu verstehen, dessen Gelingen ein faires und respektvolles Miteinander zur Grundlage hat. Auch ein verantwortungsvoller Umgang der Hochschulleitungen und der jeweils Zuständigen mit allen Beschäftigten und Studierenden (beispielsweise durch familienfreundliche Arbeits- und Studienbedingungen sowie adäquate Mitbestimmung) sind essentielle Bestandteile eines nachhaltigen Campusmanagements. Der Campus kann als Reallabore für Nachhaltigkeit gestaltet werden, um gesamtinstitutionelle Lernprozesse in der Verknüpfung von Forschung, Lehre und Praxis anzustoßen.


Die AkteurInnen des Verbundprojekts HOCH-N setzen sich für die Umsetzung eines umfassenden Nachhaltigkeitsverständnisses im Betriebsmanagement ein. Es kann sich als hilfreich erweisen, ein Nachhaltigkeits- oder Umweltprogramm zu erstellen, in dem die Zielsetzungen und Maßnahmen aufgeführt und kommuniziert werden. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, Stabsstellen und Nachhaltigkeitskommissionen einzurichten, die für Koordination und Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen verantwortlich sind.
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