HOCH-N:Vorgehen, Ergebnisse und Fazit der Arbeitsgruppe Lehre
Phase 1: Praxis-Forschungs-Sessions, Themen, Ergebnisse
In der ersten Förderphase sollte im Arbeitspaket Lehre der state of the art sowie innovative Ideen der Bildung für Nachhaltige Entwicklung in der Deutschen Hochschullandschaft sichtbar gemacht werden. Dafür wurden neben Recherche und empirischer forschungsarbeit vor allem die Beteiligten miteinander ins Gespräch gebracht, in den sogenannten Praxis-Forschungs-Sessions (PraFo). Ziel der ersten Förderphase war die Erstellung eines Leitfadens - den Sie hier im Wiki finden - der Interessierten Orientierung und einen guten Zugang zu HS-BNE bietet und die eigene Umsetzung inspiriert und erleichtert.
Ein besonderer Schwerpunkt im AP Lehre-Tübingen lag dabei auf der Zusammenarbeit mit dem netzwerk n, in dem Studierende lernen und praktizieren, als Nachhaltigkeitsakteur*innen ihre Hochschulen aktiv mitzugestalten. Studierende spielen an vielen Hochschulen eine zentral Rolle dabei, Nachhaltige Entwicklung in Lehre und Campusentwicklung einzufordern und umzusetzen. An der UT beispielsweise gründete die Studierendeninitiative „Greening the University“ vor über 10 Jahren das Zertifikatsprogramm Nachhaltige Entwickung im Studium Generale, das heute als mehrfach ausgezeichnetes „Studium Oecologicum“ weit über Tübingen hinaus bekannt ist. Daher war die aktive und gleichberechtigte Beteiligung von Studierenden ein wichtiger Bestandteil der Praxis-Forschungs-Phase. An den Praxis-Forschungs-Sessions des AP-Lehre Tübingen waren deshalb sowohl Vertreter*innen des netzwerk n als auch eine große Zahl Studierender, die im Bereich NE an ihren Hochschulen aktiv sind, beteiligt. Wichtig war dafür die Möglichkeit, über HochN die Reisekosten auch für Studierende zu übernehmen, um deren Beteiligung zu ermöglichen.
Praxis-Forschungs-Session Tübingen 1: Gelingensbedingungen guter Hochschul-BNE
Bei dieser PraFo waren explizit Beteiligte nicht nur aus Lehre, sondern auch aus Governance, Betrieb, Berichterstattung, Forschung, und Transfer eingeladen. Erfreulicherweise konnten Vertreter*innen der jeweiligen Arbeitspakete aus HochN teilnehmen und so nicht nur ihre eigene Expertise, sondern auch die bereits erzielten Ergebnisse im HochN-Prozess mit einbringen.
Etwa 40 Beteiligte aus den verschiedenen Hochschul-Handlungsfeldern trafen sich für zwei Tage an der UT, um folgende Leitfragen zu bearbeiten:
· Wie kann BNE noch besser in die Hochschul-Landschaft Eingang finden?
· Wie kann BNE mit hohem Ambitionsniveau/hoher Qualität in fachliche und überfachliche Lehre integriert werden? Und was macht Qualität in der Hochschul-BNE aus?
Wenn BNE – wie es das Thema des Weltaktionsprogramms und der nationale Bildungsplan BNE fordern – sowohl in die Breite der Hochschullandschaft getragen als auch ‚vom Projekt zur Struktur‘ zu verstetigt werden soll, braucht es dafür ein gewisses Maß an Vergleichbarkeit, Qualitätssicherung, und voneinander lernen, damit nicht jede Hochschule die gleichen Hürden neu überwinden lernen muss. Dafür arbeiteten die Beteiligten an einem ersten Entwurf des Orientierungsrahmens für übergreifende Kernelemente der HS-BNE, auf deren Basis dann den lokal verschiedenen Bedingungen und Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann.
· Was gewinnen die verschiedenen Handlungsfelder, wenn sie sich an BNE beteiligen? Wie kann die Integration von Nachhaltiger Entwicklung im eigenen Handlungsfeld durch eine solche Zusammenarbeit gefördert werden?
· Inwieweit entsteht gegenseitige Motivation, Lernbereitschaft, und das Erleben von erfolgreichem Handeln für Nachaltige Entwicklung, wenn die verschiedenen Bereiche der Hochschule gemeinsam agieren & die Akteur*innen, die im Hochschulalltag oft eher separat sind, wirklich in Beziehung treten?
Die Beteiligten stellten fest, dass gegenseitige Motivation, Lernbereitschaft und das Erleben von erfolgreichem Handeln für Nachaltige Entwicklung wächst, wenn die verschiedenen Bereiche der Hochschule gemeinsam agieren & die Akteur*innen, die im Hochschulalltag oft eher separat sind, wirklich in Beziehung treten. Das bedeutet auch, dass BNE keineswegs nur die Lehre betrifft, sondern eine treibende Kraft im Whole Institution Approach hin zu einer umfassend Nachhaltigkeits-orientierten Hochschule sein kann.
Phase 2: Erprobung des Leitfadens Lehre in der Praxis: Weiterbildungen, Themen, Ergebnisse
Erprobung des Leitfadens Lehre in der Praxis: In den ca. 1,5 Jahren Erprobungsphase von Ende 2018 bis Sommer 2020 wurden die im Leitfaden dokumentierten Ergebnisse der ersten Projektzeit in verschiedenen Hochschulkontexten und mit/für verschiedene Akteur*innen in deren Praxis eingesetzt; dafür wurden Weiterbildungs- und Workshopformate entwickelt. Diese praktische Anwendung des Leitfadens wurde gemeinsam mit den Teilnehmer*innen reflektiert und deren Feedback in einem iterativen Prozess wieder in den Leitfaden bzw. die Weiterbildungen eingearbeitet. Die Teilnehmer*innen der nächsten Veranstaltung hatten so wieder die Möglichkeit, die verbesserte Version auszuprobieren und weiter zu kommentieren. Insgesamt haben 20 Weiterbildungsveranstaltungen stattgefunden; dabei wurden sowohl Präsenz- als auch digitale Formate eingesetzt. So wurde in der Erprobunsphase die Praxistauglichkeit des Leitfadens erhöhet. Auf diesen Erfahrungen basierend wurden zusätzlich weitere anwendungsorientierte Materialien und Formate produziert, die die selbstständige Implementierung des Leitfadens erleichtern. Diese stehen nun hier im Wiki für alle Interessierten online zur Verfügung. [link]
Key Feedbacks der Teilnehmer*innen zur Anwendbarkeit des Leitfadens waren:
• Der Orientierungsrahmen ist mit den „Kernelementen Hochschul-BNE“ und der systematischen Herangehensweise an BNE-Integration sehr hilfreich für alle Akteur*innen und wird mittlerweile breit genutzt.
• Die drei Ambitionsniveaus von BNE ermöglichen flexible Einstiegspunkte in die eigene Implementierung und v.a. die Ermutigung, auch in unkomplizierten Formaten hochwertige BNE anzubieten – das wird sehr geschätzt.
• BNE-peer-learning und Lehrenden-Communities sind zentral für die Umsetzung von BNE an Hochschulen (und funktionieren gut!). Der Leitfaden kann hier gut zum Selbststudium für Gruppen interessierter Akteur*innen genutzt werden und auch dazu dienen, vor Ort gut fundierte Argumente für BNE-Formate vorzulegen.
• Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Akteursgruppen sind zentral für Implementierung und Verstetigung von BNE; es besteht hoher Bedarf und bisher zu wenig Angebot. HochN hat in diesem Bereich eine Lücke in der Weiterbildungslandschaft gefüllt; es besteht der Wunsch nach Kontinuität dieses Angebots.
Zielgruppen und zielgruppenspezifische Materialien zur Anwendung des Leitfadens Lehre:
Bei der Durchführung der Weiterbildungsveranstaltungen und der gemeinsamen Erprobung der Leitfaden-Elemente haben sich folgende Zielgruppen und zielgruppenspezifische Bedarfe herauskristallisiert, für die jeweils eigene Formate und Materialien konzipiert wurden:
1. Lehrende und Lehrveranstaltungen
In diesem Weiterbildungsformat liegt der Schwerpunkt auf der systematischen Integration von BNE in verschiedene Arten von Lehrveranstaltungen und auf der Weiterentwicklung von BNE-Lehrkompetenzen. Hier wurden die Tools des Leitfadens Lehre eingesetzt, um am Beispiel konkreter Lehrveranstaltungen der Teilnehmer*innen die Integration bzw. Erweiterung von BNE in der eigenen Lehre praxisnah zu erarbeiten.
An diesen Weiterbildungen haben Lehrende sowohl von HAWs als auch von Universitäten teilgenommen und dazu beigetragen, die unterschiedlichen Perspektiven und Bedarfe der Hochschulformen besser in den Leitfaden zu integrieren. Auch die sehr unterschiedlichen fachspezifischen Bezüge zu BNE wurden in diesen Veranstaltungen sichtbar. Zentral für den Erfolg sind die Vernetzung vor Ort von Lehrenden, die BNE praktizieren, und sich so gegenseitig unterstützen und voneinander lernen können.
2. Studiengangsverantwortliche
In diesem Weiterbildungsformat liegt der Schwerpunkt auf der systematischen Analyse bestehender oder geplanter Studiengänge bezüglich der Möglichkeiten für eine umfassende Integration von BNE. Hier wurde der Leitfaden Lehre eingesetzt, um Kriterien für BNE auf der Ebene Studiengang zu entwickeln und diese auch für die Akkreditierung transparent und damit im Studienprogramm verpflichtend zu machen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Zusammenarbeit von Studiengangsverantwortlichen und Lehrenden, um ein gemeinsames BNE-Verständnis zu erarbeiten und bestehende (oder neue) Lehrveranstaltungen auf die BNE-Orientierung hin zu überarbeiten.
Das Feedback auf dieser Ebene der Erprobung des Leitfadens hat zu einer Weiterentwicklung von Materialien geführt, die eine Abbildung von Studienprogrammen erleichtern und die formale Ebene von Modulbeschreibungen und Akkreditierungsvorgaben stärker berücksichtigt.
3. Multiplikator*innen für BNE
In diesem Weiterbildungsformat liegt der Schwerpunkt darauf, wie Akteur*innen, die selbst in Multiplikator*innen-Rollen tätig sind und BNE vermitteln möchten, den Leitfaden Lehre dafür einsetzen können. Vielfältige Akteursgruppen waren beteiligt: von Verantwortlichen in Nachhaltigkeitsinitiativen (auch Studentischen) über Studiengangsverantwortliche o. Dekan*innen bis zu Lehrenden in der Hochschuldidaktik.
Da bundesweit großer Bedarf an BNE-Weiterbildungen für Lehrende, Programmverantwortliche und andere Multiplikator*innen besteht und HochN dieses Angebot leider nur bis Projektende zur Verfügung stellen kann, soll der Leitfaden für Weiterbildner*innen möglichst gut nutzbar gemacht werden. Auch für diese Anwendung wurden Materialien entwickelt.
4. Governance: Zuständige für die Qualitätsentwicklung bzw. –sicherung in BNE-Formaten
In diesem Weiterbildungsformat liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Qualitätsmanagement-Prozessen für BNE-Formate. Der Leitfaden Lehre bietet gute Orientierung für die Entwicklung von Qualitätskriterien vor Ort, die sowohl an den state-of-the-art im Feld als auch an die lokal spezifischen Gegebenheiten angepasst sind. Darüber hinaus brauchen BNE-Programme jedoch auch regelmäßige und partizipative Prozesse zur Evaluation und Weiterentwicklung, an denen Lehrende und Studierend beteiligt sein müssen.
Auch Verantwortliche für die Implementierung von BNE an einer Hochschule sind Zielgruppe dieser Weiterbildungen, d.h. ein weiterer Schwerpunkt ist der strukturelle Blick auf die Hochschule sowie den whole institution approach. Auch auf Landesebene (Brandenburg) wird der Leitfaden zur Unterstützung der Hochschulen bei der Umsetzung von BNE eingesetzt.
Hier wurden im Austausch mit Teilnehmer*innen Formate und Materialien entwickelt, die die Erarbeitung und Institutionalisierung solcher Prozesse anregen und unterstützen können.
Blick in die Zukunft
Bildung für Nachhaltige Entwicklung ist notwending in der Hochschulbildung. Dass Hochschulen in gesellschaftlicher Verantwortung agieren wird zunehmend selbstverständlich, und im Bereich Lehre wird BNE in immer mehr Hochschulverträgen verpflichtend. Darüber hinaus erhöhen gute BNE-Angebote die Attraktivität der Hochschule für Studierende: es besteht nicht nur breites Interesse am Thema, eine Zusatzqualifikation im Bereich Nachhaltigkeit eröffnet auch bessere berufliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sowohl Zertifikatsprogramme im Wahlbereich als auch Curriculare Integration von BNE in Studiengänge sind wichtige Wege, diese Angebote zu schaffen.
Über die fast zwei Jahre der Erprobungsphase wurde deutlich, dass für die breite Implementierung von BNE sowohl im überfachlichen Bereich als auch in den disziplinär-fachlichen Studiengängen – wie es im nationalen Aktionsplan BNE Deutschland vorgesehen ist – die BNE(Lehr)-Kompetenzentwicklung bei Hochschullehrenden aller Fachrichtungen entscheidend ist (Scherak/Rieckmann 2020). Der Diskurs der Nachhaltigen Entwicklung ist ein inhaltlich anspruchsvolles Feld, BNE stellt als normativ-wertorientiertes Bildungskonzept mit Ethik-Schwerpunkt andere pädagogisch-didaktische Anforderungen als reine Fachlehre, und der Ansatz des transformativen Lernens ist methodisch herausfordernd. Lehrende gaben die Rückmeldung, dass in allen drei Bereichen der BNE Bedarf an Weiterbildungen besteht. Dem gegenüber stehen allerdings die strukturellen Anforderungen an akademische Karrierewege in Deutschland, bei denen Lehre deutlich hinter Forschung zurücksteht. Hier stellt sich die Frage, wie Rahmenbedingungen so verändert werden können, dass Anreize für den proaktiven Erwerb von Lehrkompetenzen geschaffen werden können, und die entsprechenden Ressourcen auch zur Verfügung stehen. Zentral für die breite Umsetzung innovativer Lehre, und besonders für qualitätvolle Hochschul-BNE, sind Fachkräfte und Multiplikator*innen – und das bedeutet auch: dauerhafte Arbeitsplätze im Bereich Lehre und Weiterbildung. Ein positiver Driver ist sicherlich die allgemeine Entwicklung hin zu moderner, kompetenzorientierter Lehre und auch der explizite Anspruch Studierender an ihre Hochschule, anders zu Lernen.