HOCH-N:Nachhaltigkeitstransfer als spezifische Form vom Transfer: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. Februar 2021, 13:48 Uhr
Hochschulen sind zunehmend gefordert, sich mit gesellschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen und Stellung zu beziehen, auch jenseits wissenschaftlicher Expertise und Exzellenz. Neben Themen wie demografischer Wandel, Digitalisierung oder offene, demokratische Gesellschaft gehört auch der Schwerpunkt nachhaltige Entwicklung dazu. Das Thema wurde mit dem Gipfeltreffen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio auf die globale politische Agenda gesetzt. Mit den Vereinbarungen des Klimagipfels in Paris sowie der Verabschiedung der Sustainable Development Goals durch die Vereinten Nationen 2015 in New York (UN 2015) wurde der globale Stellenwert nachhaltiger Entwicklung bekräftigt. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wurde daraufhin überarbeitet und setzt ein politisches Leitbild für Deutschland (Bundesregierung 2016). In die Hochschullehre findet Nachhaltigkeit Eingang durch das Konzept Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Das UNESCO-Weltaktionsprogramms BNE 2015-2019 setzt den Rahmen dafür (Deutsche UNESCO-Kommission e.V. 2015), das im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms für Deutschland konkretisiert wird, der im Juni 2017 von der Nationalen Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung verabschiedet wurde (BMBF 2017).
Der Wissenschaftsrat greift diesen Diskurs in seinem Positionspapier zur nachhaltigen Entwicklung und zu einer großen Nachhaltigkeitstransformation auf. Er betont einerseits die Vielfalt und Freiheit der Wissenschaft und fordert andererseits, dass sich die Wissenschaft stärker gesellschaftlichen Veränderungsprozessen und der Bewusstseinsbildung annehmen sollte (Wissenschaftsrat 2015). Hochschulen sind damit aufgefordert, sich mit nachhaltiger Entwicklung auseinanderzusetzen. Dafür steht nicht zuletzt das Verbundvorhaben HOCH-N.
HERVORHEBEN/KASTEN:
Lesetipp: Leitfaden Nachhaltigkeitsmanagement
Im Rahmen des Verbundprojekts „Leitfaden Nachhaltigkeitsmanagement in außeruniversitären Forschungsorganisationen“ (LeNa) von Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und Leibniz-Gemeinschaft, gefördert vom BMBF (https:// www.nachhaltig-forschen.de), wurden wertvolle Beiträge Umsetzung von Nachhaltigkeitswissenschaften in außeruniversitären Forschungseinrichtungen erarbeitet:
- Handreichung für Nachhaltigkeitsmanagement (Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemein- schaft, Leibniz-Gemeinschaft 2016); https://www.nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/LeNa-Handreichung_final.pdf
- Reflexionsrahmen für Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung (Ferretti et al. 2016); https://www.nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/Reflexionsrahmen_DRUCK_2016_09_26_FINAL.pdf
WEITER IM FLIEßTEXT
Transfer kann zur nachhaltigen Entwicklung an Hochschulen einen wirkungsvollen Beitrag leisten – und darüber hinaus in der Gesellschaft. Überlegungen zu Transfer für nachhaltige Entwicklung – nachfolgend Nachhaltigkeitstransfer – können an den Fachdiskurs zur Nachhaltigkeitswissenschaft anknüpfen. Diese decken ein breites Spektrum von der Grundlagenforschung zu spezifischen Fragen, über transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (Kates et al. 2001), bis hin zum Konzept der transformativen Wissenschaft ab. Letztere hat das Ziel, Umbauprozesse in Richtung Nachhaltigkeit durch Innovationen zu unterstützen und gesellschaftliche Wandlungsprozesse durch die wissenschaftliche Entwicklung von konkreten Lösungen sowie technischen und sozialen Innovationen in Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern (Schneidewind & Singer-Brodowski 2014; WBGU 2011). Zentrales Element ist ein transdisziplinärer Wissenschaftsansatz, der auf einem inten- siven Austausch mit Praxisakteur*innen gründet, bei dem unterschiedliche Akteursgruppen einschließlich der Wissenschaft ihre jeweiligen Kompetenzen in einen gemeinsamen Lern-, Gestaltungs- und Reflexionsprozess einbringen (Bergmann et al. 2010, Lang et al. 2012). Die wissenschaftliche Debatte zu Nachhaltigkeitstransfer steht noch ganz am Anfang (Nölting & Pape 2017). In diesem Leitfaden wird Nachhaltigkeitstransfer als eine spezifische Ausformung von Transfer verstanden. Es handelt sich nicht um ein neues eigenständiges Konzept, sondern um eine Spezifizierung von Forschung (speziell transdisziplinärer Nachhaltigkeitsforschung) und Lehre (speziell BNE). Nachhaltigkeitstransfer ist kontextgebunden und hängt von den jeweils bearbeiteten Nachhaltigkeitsthemen und -problemen, den beteiligten Akteur*innen und Fachdisziplinen ab. Daher ist es schwierig, Nachhaltigkeitstransfer allgemeingültig zu definieren, ohne sehr abstrakt zu bleiben. Nachfolgend werden Beschreibungsmerkmale vorgelegt, anhand derer das Spektrum von Nachhaltigkeitstransfer in seiner Bandbreite dargestellt werden kann. Ziel ist es, die Vorgehensweisen und Konzepte von Nachhaltigkeitstransfer auf die unterschiedlichen Bedingungen und Herausforderungen an Hochschulen zu übertragen.
EINFÜGEN: BEISPIELKASTEN
Im Leitfaden wird ein breites und offenes Verständnis von Nachhaltigkeitstransfer zugrunde gelegt:
HERVORHEBEN/KASTEN:
Nachhaltigkeitstransfer stellt eine spezifische Ausprägung von Transfer dar, nämlich diejenigen Transferaktivitäten, die einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten bzw. anstreben. Ziel von Nachhaltigkeitstransfer ist es, die Handlungsfähigkeit der Akteur*innen im Hinblick auf Nachhaltigkeit zu stärken, das umfasst Innovationsfähigkeit, vorausschauendes Denken und das Vorsorgeprinzip sowie Problemlösungsfähigkeit.
WEITER IM FLIEßTEXT
Nachhaltigkeitstransfer richtet sich v.a. an diejenigen Akteur*innen, die sich für Nachhaltigkeit in der Hochschule und der Gesellschaft einsetzen (möchten). Damit prägen die Transferpartner*innen mit ihrer jeweiligen Nachhaltigkeitsausrichtung die jeweilige Transferaktivität. Dabei kann es einen großen Unterschied machen, ob der Transfer von der Hochschule oder von Praxisakteur*innen initiiert und gestaltet wird.
Die grundlegende Frage für die Operationalisierung von Nachhaltigkeitstransfer ist, was jeweils unter nachhaltiger Entwicklung verstanden wird. Da Nachhaltigkeit ein politisch-normativ begründetes Konzept ist, das auf Gerechtigkeit abzielt, kann keine wissenschaftliche Definition verbindlich vorgegeben werden. Es ist davon auszugehen, dass die Transferpartner*innen ein jeweils eigenes Verständnis von nachhaltiger Entwicklung haben. Der Forschungsverbund HOCH-N hat sich mit einem gemeinsam entwickelten Nachhaltigkeitsverständnis, das im Kapitel „Zugrundeliegendes Nachhaltigkeitsverständnis“ dargelegt wird, positioniert. Danach ist der Gegenstand nachhaltiger Entwicklung „die langfristige Verantwortung, um die ökologische Tragfähigkeit, die soziale Gerechtigkeit und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu sichern. Sie zielt auf die Stärkung von Kompetenzen, die für die Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens nötig sind. Ihre systemisch integrierte Umsetzung wird als Anspruch einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation verstanden, dessen Kern ein Wandel der Verhältnisse des Menschen zur Natur ist.“ Auf Basis ihres Nachhaltigkeitsverständnisses können die Transferpartner*innen diskursiv klären, inwiefern die Transferaktivität zu nachhaltiger Entwicklung beitragen kann und soll. Da nachhaltige Entwicklung am Gemeinwohl ausgerichtet ist, gilt das auch für Nachhaltigkeitstransfer. Insofern ist, wie auch für transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (Hirsch Hadorn & Pohl 2006), zu benennen und zu begründen, worin die Gemeinwohlorientierung des konkreten Nachhaltigkeitstransfers besteht.
EINFÜGEN BEISPIELKASTEN
Auch wenn die Transferpartner*innen voneinander abweichende Nachhaltigkeitsverständnisse haben oder keine eindeutige Position einnehmen, sind sie in jedem Fall aufgefordert, sich über die gemeinsamen Nachhaltigkeitsziele der geplanten Transferaktivität auszutauschen und zu begründen, worin der Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung liegen kann. Hierbei kann auf Nachhaltigkeitsziele Dritter zurückgegriffen werden, z.B. die politisch verabschiedeten Sustainable Development Goals oder die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Auch ein Dissens sollte offengelegt werden. Der Nachhaltigkeitsbezug sollte im weiteren Verlauf der Transferaktivität immer wieder geprüft werden. Die Klärung der Nachhaltigkeitsziele des Transfers setzt die Bereitschaft der Transferpartner*innen voraus, die Ziele auszuhandeln, zu benennen und möglichst auch öffentlich zu machen. Erst dann lässt sich darüber diskutieren, ob der Nachhaltigkeitstransfer einer kritischen Prüfung Stand halten kann oder ob es sich um Schönfärberei handelt.
Die Ziele von Nachhaltigkeitstransfer können entsprechend ihrer Reichweite unterschieden werden. Eine operative Zielsetzung strebt die Lösung für ein konkretes Problem oder eine Aufgabenstellung an, z.B. die Reduzierung des Energieverbrauchs einer Maschine oder eine umweltfreundlichere Produktionsform in der Landwirtschaft. Die Ziele können strukturell ausgerichtet sein auf die Steigerung der Handlungsfähigkeit und der Nachhaltigkeitskompetenzen der Transferpartner*innen oder bei Dritten. Dies können z. B. Weiterbildungsmaßnahmen sein oder die Verbesserungen von Rahmenbedingungen. Schließlich kann Nachhaltigkeitstransfer eine strategische Orientierung verfolgen und auf einen systemischen Beitrag zur Nachhaltigkeitstransformation abzielen. Dies können die Entwicklung von Leitbildern, Nachhaltigkeitszielen oder Veränderungsszenarien sein. Die Einrichtung eines Transferbeirats, in dem verschiedene Gruppen repräsentiert sind, um Transformationsansätze gemeinsam weiterzuentwickeln, wäre ein konkretes Beispiel (Expertin 01). Ein anderes Format ist die Einrichtung einer Transition-Arena, die über neue Nachhaltigkeitspfade nachdenkt (Loorbach 2010).
Eng verknüpft mit den Zielen von Nachhaltigkeitstransfer ist der Nachweis der Wirkung von Nachhaltigkeitstransfer. Dies ist wichtig, um den tatsächlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit überprüfen und diesen gegebenenfalls auch verbessern zu können. Allerdings zeigen Bemühungen in der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung, wie komplex und aufwändig diese Aufgabe ist, weil es sich meist um komplexe Wirkungsketten handelt, bei denen der Effekt einzelner Handlungen oder Interventionen nur schwer isoliert betrachtet oder gar gemessen werden kann (Krainer & Winiwarter 2016). Einen pragmatischen Zugang könnte die gemeinsame Formulierung einer Wirkungslogik für den jeweiligen Nachhaltigkeitstransfer sein (Kurz & Kubek 2015). Nützlich sind in dem Zusammenhang auch die Überlegungen zur Bilanzierung von Third Mission, die aufzeigen, wie bereits vorliegende Daten und Informationen für die Bilanzierung genutzt werden können (Henke et al. 2016). Nachhaltigkeitstransfer lässt sich aufgrund der thematischen Vielfalt und der jeweils kontextspezifischen Operationalisierung des Nachhaltigkeitsverständnisses weniger inhaltlich, sondern eher prozedural fassen. Nachhaltigkeitstransfer kann durch den Prozess insgesamt sowie in einzelnen Schritten beschrieben werden. Dazu werden in Kapitel 5 vier Phasen von Nachhaltigkeitstransfer genauer beschrieben: Initiierung, Konzeption, Umsetzung und Ergebnissicherung.
Die Komplexitätsgrade von Transfer (vgl. Kapitel Hochschulen im gesellschaftlichen Kontext) lassen sich auf Nachhaltigkeitstransfer übertragen. Auch hier sind alle Komplexitätsgrade notwendig, um zu nachhaltiger Entwicklung beizutragen, je nach dem adressierten Nachhaltigkeitsthema oder –problem. So kann angebotsorientierter Transfer eine große Reichweite habe und die jeweilige Zielgruppe über Nachhaltigkeitsthemen informieren, Wissen vermitteln (z. B. in der wissenschaftlichen Weiterbildung) und sie für Problemlagen sensibilisieren. Um die Wirkung von Nachhaltigkeitstransfer zu vergrößern, sind Feedback-Schleifen und ein wechselseitiger Austausch von Informationen, Wissen, Einschätzungen und Erfahrungen hilfreich. Transdisziplinärer Nachhaltigkeitsforschung verweist schließlich darauf, dass komplexe Aufgaben besonders gut im Modus der Ko-Produktion bearbeitet werden können. Nachhaltige Entwicklung verstanden als eine gesellschaftliche Aufgabe gelingt insbesondere dann, wenn unterschiedliche Akteur*innen ihre jeweiligen Stärken und Kompetenzen produktiv in einen gemeinsamen Lern- und Gestaltungsprozess einbringen. Weder Wissenschaft noch Wirtschaft, Zivilgesellschaft oder Politik allein werden große Probleme allein lösen können. Für solche gemeinsamen Lern- und Gestaltungsprozesse mit offenem Ausgang ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe erforderlich. Dies erfordert jedoch vergleichsweise viele Ressourcen und Zeit bei einer geringen Reichweite bezogen auf die Zielgruppe.
HERVORHEBEN/EINRÜCKEN:
Stimme Transferexpert*in: „Aus meiner Sicht umfasst Transfer alle Austausch- und Kooperationsbeziehungen zwischen akademischen Institutionen und der Gesellschaft. Austausch heißt, logischerweise, bidirektional. Und wenn man die Erfahrungen aus dem Transferaudit einbringt, wie etabliert ist das an Hochschulen, dann würde ich sagen, in dieser Bidirektionalität zumeist noch nicht gelebt. Zwar fällt das Wort in Strategiepapieren, aber eigentlich ist das, was unter Transfer an Hochschulen läuft, weitgehend angebotsorientiert.“ (Expert*in 03)
Kommunikation und Transparenz sind weitere Merkmale. Kommunikation nach innen ist eine wichtige Voraussetzung für komplexe Lern-, und Abwägungsprozessen und die Wissensproduktion zwischen heterogenen Akteur*innen. Kommunikation nach außen kann die Reichweite von Nachhaltigkeitstransfer vergrößern und dazu beitragen, Erkenntnis- und Erfahrungsgewinne an Dritte weiterzugeben. Transparenz ist ein wichtiges Element, um Rechenschaft darüber abzulegen, inwiefern die Transferaktivität zu nachhaltiger Entwicklung beitragen kann. Transparenz ist ein Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit, erst durch sie wird Nachhaltigkeitstransfer einer wissenschaftlichen Diskussion und Kritik zugänglich. Es sind Konstellationen denkbar, in denen es ein Interesse geben kann, die Transparenz von Nachhaltigkeitstransfer einzuschränken, z. B. wenn dadurch eine Innovation für ein Unternehmen vorangebracht werden soll, die wiederum nach ihrer Vermarktung zu nachhaltiger Entwicklung beitragen kann, etwa Energiespartechnik. Dann kann das Unternehmen ein Interesse daran haben, nicht über den Nachhaltigkeitstransfer zu informieren, um gegenüber der Konkurrenz einen Entwicklungsvorsprung zu behalten. Für solche Fälle gibt es bereits Regeln, z.B. die Veröffentlichungspflicht in BMBF-Projekten, die Einschränkungen vorsehen. Eine Abweichung vom Transparenzgebot ist jedoch begründungspflichtig angesichts der Gemeinwohlorientierung von Nachhaltigkeitstransfer.
Reflexion ist ein zentrales Merkmal von Nachhaltigkeitstransfer. Das jeweils zugrunde gelegte Nachhaltigkeitsverständnis und die Begründung des (möglichen) Beitrags zu nachhaltiger Entwicklung sowie die Gemeinwohlorientierung lassen sich nicht allein wissenschaftlich ableiten. Sie erfordern vielmehr eine Aushandlung zwischen den Beteiligten. Aber Wissenschaft kann durch theoretisches und empirisches Wissen, durch methodische Kompetenz sowie deliberative Diskursführung wichtige Kompetenzen in diesen Prozess einbringen. Reflexion ist nicht nur für die Nachhaltigkeitsausrichtung des Transfers und die Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen erforderlich, sondern auch für das Vermeiden von Risiken, das Erkennen „blinder Flecken“ und Nebenfolgen, für den Umgang mit Nicht-Wissen und Unsicherheit etc. In allen Phasen von Nachhaltigkeitstransfer, von der Initiierung bis hin zur Ergebnissicherung, kann Reflexion wesentlich zur Qualität des Transfers und zum Nutzen aller Beteiligten beitragen. Das gilt auch für die Auswertung und Aufbereitung der Ergebnisse von Nachhaltigkeitstransfer und deren ethische Reflexion, auf die auch im Nachhaltigkeitsverständnis von HOCH-N verwiesen wird.
Die aufgeführten Beschreibungsmerkmale für Nachhaltigkeitstransfer sind in ihren unterschiedlichen Ausprägungen in Tabelle 1 zusammengefasst:
EINFÜGEN TABELLE
Bei der konkreten Umsetzung von Nachhaltigkeitstransfer spielen die jeweiligen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Von ihnen hängt ab, welche Spielräume Transferakteur*innen haben und welche Formen von Nachhaltigkeitstransfer möglich sind. Dadurch wird die große Spannbreite potentiell denkbarer Varianten von Nachhaltigkeitstransfer eingeschränkt. Die Rahmenbedingungen tragen erkennbar zum Gelingen – oder Scheitern – von Vorhaben und Projekten des Nachhaltigkeitstransfers bei. Die Akteur*innen können mittels einer Analyse der Rahmenbedingungen abschätzen, welche Art der Gestaltung von Nachhaltigkeitstransfer realistisch ist. Bei den Rahmenbedingungen können unterschieden werden in (vgl. Tabelle 2):
- die externen Strukturbedingungen wie gesetzliche Vorgaben, die nicht durch die einzelne Hochschule beeinflusst werden können, und
- die organisatorischen Bedingungen an der Hochschule, die von dieser selbst gestaltet werden können.
Zu den Strukturbedingungen zählen rechtliche Regelungen für Hochschulen, Wissenschaft und Praxis-Hochschul-Kooperationen, die die Handlungsspielräume der Akteur*innen regeln. Dazu gehören die Hochschulgesetze und weitere Vorgaben zu Lehre und Forschung. Weiterhin sind die Ressourcenzuteilung wie Fördermittel und Forschungsbudgets (auch auf Seiten der Praxis) und die damit verbundenen Anreizsysteme relevant. Beispiele dafür sind die Hochschul- und Förderprogramme, die im Hinblick auf (Nachhaltigkeits-)Transfer ganz unterschiedliche Signale aussenden können, vergleicht man einmal die Exzellenz-Initiative und die Förderinitiative Innovative Hochschulen des BMBF. Auch das gesellschaftliche Interesse an Praxis-Hochschul-Kooperationen und die damit verbundene Reputation wirken sich aus. Dies kann sich dann in unterschiedlichen Hochschulrankings wiederspiegeln.
Zu den organisatorischen Bedingungen für Nachhaltigkeitstransfer zählen zunächst formelle Regelungen wie Prüfungsordnungen und Curricula, Forschungsagenden sowie direkt den Transfer betreffend Kooperationsvereinbarungen, Regelungen für Praktika, Patente etc. Einen großen Einfluss hat die strategische Ausrichtung der Hochschule. Die Hochschulleitung kann den Themen Transfer und nachhaltige Entwicklung einen unterschiedlichen Stellenwert einräumen, beispielsweise Forschungs- versus Anwendungsorientierung, der Zugang zu Drittmitteln, das Werben um Studierende. Hochschul-Governance kann Nachhaltigkeitstransfer unterstützen, z.B. durch eine Transferstrategie und/ oder Nachhaltigkeitsstrategie.
LINK ZUM LEITFADEN GOVERNANCE
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Sehr konkret kann Nachhaltigkeitstransfer organisatorisch z. B. durch Transferstellen, Nachhaltigkeitsbeauftragte und entsprechende Einrichtungen an der Hochschule gefördert werden. Neben den Ressourcen für solche Einrichtungen, sind auch Unterstützungssysteme für Transferakteur*innen an der Hochschule und in der Praxis sinnvoll. Hilfreich kann ein Schnittstellenmanagement speziell für Transfer sein, das die Transferpartner*innen systematisch unterstützt, z.B. bei der Anbahnung von Kontakten zwischen Hochschule und Praxis, bei der Informationssuche und Themenfindung, durch eine organisatorische Begleitung der Transferaktivitäten etc. Es kann zwischen den verschiedenen Transferpartner*innen mit ihren jeweiligen Handlungs- und Erfolgslogiken vermitteln und zwischen den verschiedenen Sprachen „übersetzen“. Nicht zuletzt kann ein Schnittstellenmanagement klären, wer welche Aufgaben und Verantwortung bei Transfer übernimmt und wer welche Ressourcen beisteuert. Darüber hinaus kann ein solches Transfer- oder Schnittstellenmanagement die Kommunikation zum Nachhaltigkeitstransfer übernehmen, den Erfahrungsaustausch anleiten und dadurch eine Kultur des Austausches zwischen Praxis und Hochschule prägen.
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Da der Kontext für Nachhaltigkeitstransfer eine große Rolle spielt, ist es sinnvoll, zwischen den beiden Anwendungskontexten in Lehre und Forschung zu unterscheiden und die spezifischen Umsetzungsbedingungen genauer zu betrachten.
Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre kann sich sowohl bei den Transferinhalten als auch didaktisch am Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) orientieren (Deutsche UNESCO-Kommission e. V. 2015; Molitor 2018). Problemorientiertes und forschendes Lernen sind didaktische Ansätze einer solchen transferorientierten Lehre. Die Studierenden erwerben durch die Mitwirkung an Transferprozessen Gestaltungskompetenz für nachhaltige Entwicklung, die aus der Auseinandersetzung mit der Lebenswelt erwächst (de Haan 2008). Dabei erproben die Studierenden nicht nur ihr Fach- und Methodenwissen praktisch, sondern sie erfahren auch Selbstwirksamkeit und trainieren personale und sozial-kommunikative Kompetenzen. Die Praxispartner*innen erhalten Ideen und Zugang zu forschungsbasiertem Wissen, die Lehrenden erlangen tiefere Einblicke in praktische Nachhaltigkeitsprobleme und neue Anregungen für Lehre und Forschung (Molitor et al. 2014) (vgl. Kapitel Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre). Im Diskussionspapier „Transfer stärkt Lehre. Wie Nachhaltigkeitstransfer Hochschullehre inspirieren kann“ wird dieses Thema ausführlich dargestellt (Nölting et al. 2018a).
Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung kann sich durch transdisziplinäre und transformative Nachhaltigkeitsforschung, die in Kooperation mit Transferpartner*innen einen Beitrag zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen möglichst einschließlich der Umsetzung anstrebt, inspirieren lassen (vgl. Kapitel Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung).
Die nachfolgende Abbildung illustriert, wie Nachhaltigkeitstransfer in Lehre und Forschung von Hochschulen verortet werden kann.
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