HOCH-N:Portal 2: Gestaltungsräume für BNE

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HOCH-N hat zum Ziel, Nachhaltige Entwicklung an deutschen Hochschulen zu fördern. In Bezug auf Lehre hat sich im Laufe der UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung (UN-DESD, 2005-2014) und des anschließenden Global Action Program (GAP) das Feld Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) stark entwickelt (s. Literatur Kapitel 3). In einer diversifizierten Hochschullandschaft sehen sich Lehrende und Lernende jedoch mit sehr unterschiedlichen Möglichkeiten und Hindernissen an ihren Hochschulen konfrontiert, wenn es um die Implementierung und vor allem die strukturelle Integration bzw. Verstetigung von BNE geht. Bildungspolitik der Länder, verschiedene Hochschulformen und -größen, thematische/disziplinäre Ausrichtungen der Hochschulen und der dort verorteten Forschung, vorhandene Studiengänge, die Zusammensetzung des Lehrpersonals, sowie das Maß der Orientierung der Hochschule insgesamt am Thema NE schaffen spezielle Bedingungen für BNE vor Ort.

Die Taxonomie verschiedener Gestaltungsräume von BNE, die in diesem Kapitel vorgestellt wird, soll es Lehrenden, Studierenden und anderen Interessent*innen erleichtern, Möglichkeiten zur Integration von BNE bestmöglich auszuschöpfen und zu erweitern. Sie bietet eine Orientierung, welche Chancen die verschiedenen Räume eröffnen, aber auch welche Grenzen die Räume haben; welche Formate von BNE in verschiedenen Räumen gut/realistisch umgesetzt werden können und welche Ressourcen dafür nötig sind. In Chancen/Herausforderungen finden sich respektive gute Argumente für BNE und Hinweise darauf, welche Hürden bereits in der Planung beachtet werden sollten – und dadurch hoffentlich leichter überwunden werden können.

Die verschiedenen Gestaltungsräume beziehen sich auf gegenwärtige Bildungsstrukturen und Lehrformate. Sie beinhalten also keine Wertung (etwa von niedrig bis hoch), sondern sind als strategische Orte gedacht und als durchlässige, dehnbare, und veränderbare Räume, die miteinander in Beziehung stehen. Ein bewusster(er), strategischer(er) Umgang mit diesen Räumen vor Ort mag zu Synergieeffekten und neuen Möglichkeiten für BNE führen. Die beschriebenen Charakteristika der Integrationslevel sollen also vor allem zum Experimentieren und Erweitern der Räume anregen.

Die Taxonomie wurde in zwei Praxis-Forschungs-Sessions (PraFo-Session) des HOCH-N-Arbeitspakets Lehre in Tübingen entwickelt, an denen je circa 35 Expert*innen teilgenommen haben. Die erste Session fand im Sommer 2017 zum Thema „Gelingensbedingungen guter Hochschul-BNE“ statt. Es wurden Kernelemente und Qualitätskriterien von BNE diskutiert und mit der Methode Lego-Serious-Play Modelle zu verschiedenen Lehrformen mit hoher BNE-Integration entwickelt. Wichtige und mögliche Beiträge der Hochschul-Handlungsfelder zu BNE wurden ebenfalls erarbeitet. Die zweite Session fand im Frühjahr 2018 in Form einer „Zukunftswerkstatt Lehren und Lernen“ statt. Studierende und Lehrende, die in BNE-Initiativen aktiv sind, schufen Visionen für eine Weiterentwicklung von Hochschul-BNE. Darauf aufbauend wurden die „Gestaltungsräume“ der Taxonomie erweitert und ausgearbeitet. Die hier vorgestellten Charakteristika der (oder Kriterien für) Gestaltungsräume stammen über die PraFos hinaus aus einer Literatur-Review (s. Kapitel 4.1) und einer Analyse von good-practice-Beispielen der Hochschul-BNE.


Mögliche Nutzungsweisen der Taxonomie

  • Als Organisationsmatrix für die eigene Hochschule ausfüllen: Bestehendes sichtbar machen, Verbindungen zwischen Akteur*innen/Veranstaltungen herstellen, Synergien nutzen, Lücken in der BNE-Lehre gezielt füllen; strategisch neue Räume anstreben.
  • Inter-universitär vernetzen und voneinander lernen: Wer macht in dem Feld, in dem sich die eigene Lehrveranstaltung/Programm befindet, auch etwas? Wie können wir uns durch Teilen von Wissen, Erfahrungen und erfolgreichen Strategien unterstützen?
  • Qualitätsmanagement: Kriterien für BNE-Lehre für die eigene Lehrveranstaltung/Programm/ Hochschule ableiten, Zielvereinbarungen treffen, BNE-Lehrqualität evaluieren und weiterentwickeln.
    • Hier ist die Taxonomie mit dem Orientierungsrahmen für BNE- Curricula aus Portal 1 verlinkt, in dem Kernelemente für Hochschul-BNE vorgestellt werden.
  • Ressourcenmanagement: BNE braucht Ressourcen – wie können sie über verschiedene Veranstaltungen/Programme/Formate hinweg geteilt und damit gemeinsam effektiver genutzt werden?
  • Als Strategie-Tool:
    • Wie können bestehende, anschlussfähige Lehr-Lern-Räume so erweitert werden, dass mehr BNE möglich wird, ohne neue Lehrangebote schaffen zu müssen?
    • Wie können neue Lehrangebote geschaffen werden, so dass sie möglichst effektiv (und von vielen Studierenden) genutzt werden können und damit eine möglichst breite Wirkung haben?
    • Wie können sich BNE-interessierte Lehrende an der Hochschule (oder zwischen Hochschulen) so vernetzen, dass peer-Lernen möglich wird und angemessene BNE-Fortbildung für Lehrende verschiedener Disziplinen und in allen Lehrformen organisiert werden kann?

Die Taxonomie im Überblick

Abbildung 7: Die Taxonomie der Lehrkontexte und Integrationslevel im Überblick (Quelle: eigene Darstellung)

BNE findet in verschiedenen Lehrkontexten statt: in der individuellen Lehrveranstaltung, im überfachlichen Angebot, im Studienprogramm. Der Bereich informelles und non-formales Lernen – hier mit „Andere Lernkontexte“ zusammengefasst – ist ebenfalls von Bedeutung. In jedem dieser Lehrkontexte kann die Integration von BNE in die Lehre verschieden ausgeprägt sein: von einer Ergänzung der Lehre über die Integration in die Lehre bis zur Reorientierung der gesamten Lehre. Diese Unterschiede bezeichnen wir als „Integrationslevel“. Jedes Level hat seine eigenen Möglichkeiten und Grenzen, Chancen und Herausforderungen. Auf Level A z.B. kann in Eigeninitiative BNE in die Lehre integriert werden. Die Umsetzung komplexer Lehrformate ist allerdings nur begrenzt möglich. Auf Level C gibt es dafür extensive Möglichkeiten, dafür müssen allerdings auch Curricula geändert werden und erweiterte Ressourcen bereitstehen. Level X bezeichnet noch offene Möglichkeiten und Visionen einer Weiterentwicklung von BNE in den Lehrformen oder Veränderungen der Lehrformen durch BNE – der „offene Raum“ für Neues.

Integrationslevel und ihre Bedeutung für die Beteiligten

Level A: „add-on“ – Ergänzung von Lehre und Lernen durch BNE

BNE wird bestehender Lehre hinzugefügt, ohne dass diese sich substantiell (und administrativ) verändern muss. Im Level A lebt BNE vor allem von engagierten Lehrenden, die ihre Lehrveranstaltung durch NE-Perspektiven ergänzen, und von interessierten Studierenden, die NE über Wahlveranstaltungen ihrem Studienprogramm hinzufügen. Zugängliche und hochwertige BNE-Angebote im Wahlbereich sind daher besonders wichtig, wo BNE an der Hochschule noch wenig integriert ist. Für die Beteiligten heißt das:

  • Studierende: erste Erfahrung mit NE, Wahl des Themas und Intensität der Auseinandersetzung damit nach eigenem Interesse. NE kann in Prüfungsleistungen selbstständig ins Thema integriert werden. Studierende können sich im üblichen Rahmen in die Lehre einbringen.
  • Lehrende: wenig inhaltliche und didaktische Weiterbildung nötig, im Rahmen eigenen NE-Interesses und guter Hochschuldidaktik machbar
  • Administration: keine Änderung der fachspezifischen Anlage/Curricula nötig
  • Programmverantwortliche: sind besonders im Wahlbereich zentrale Akteur*innen, um BNE für Studierende als Teil des formalen Lernens möglich zu machen.
  • Hochschul-Handlungsfelder: Campus(Betrieb) und/oder Stadt als Lernort (je nach LVA auch non-formale Lernräume wie Studierenden-Ini- tiativen), forschendes Lernen zu NE ist ggf. möglich. Governance-Unterstützung auf Ebene der Programmverantwortlichen ist hilfreich.
  • Non-Formales-Lernen: Studierende engagieren sich zusätzlich zum Studium, eine Anerkennung (z.B. Credit Points) ist nicht vorgesehen. Akteur*innen der anderen Lernräume sind meist nicht in Kontakt mit Lehrenden des Studienprogramms.
Tabelle 1: Veranstaltungsaufbau Level A
Chancen/Vorteile und Maßnahmen

Level A erlaubt BNE in die Lehre mit geringem administrativen Aufwand und wenig Bedarf an zusätzlichen Ressourcen einzubeziehen:

  • Interessierte Lehrende können Gestaltungsräume in ihrer eigenen Lehre nutzen, um BNE zu integrieren. Sie können disziplinäre Inhalte in bestehenden LVA um NE-Perspektiven und BNE-relevante Didaktik/Methoden erweitern und dadurch BNE im Studienprogramm einbringen, oder explizite NE-LVA im überfachlichen Wahlbereich anbieten.
  • Verantwortliche für überfachliche Angebote können NE-LVA einwerben und Lehrende anregen, BNE in ihre bestehenden LVA zu integrieren. NE-LVA im überfachlichen Angebot sind niedrigschwellig und für Studierende vieler Fachrichtungen zugänglich. Sie bieten NE-interessierten Studierenden die Möglichkeit zu Begegnung und Vernetzung.
  • Studienprogramm-Verantwortliche können Lehrende ermutigen, BNE in ihre bestehenden LVA zu integrieren, und Studierende anregen, NE-LVA im Wahlbereich wahrzunehmen.
  • Studierende können NE in die Lehre einbringen und die Auseinandersetzung damit anregen, selbst Lehrangebote gestalten, oder kreativ auf dem Campus aktiv werden.
Herausforderungen/Grenzen

Auf Level A ist BNE nicht strukturell im Studienprogramm oder überfachlichen Angeboten verankert:

  • Das Angebot an BNE-LVA ist von einzelnen engagierten Lehrenden abhängig, d.h. wenn solche Lehrende gehen, endet das Angebot
  • Kombinierte BNE-Lehre, d. h. sinnvoll aufeinander aufbauende und auf umfassenden Kompetenzerwerb ausgerichtete LVA sind kaum möglich
  • Meist fehlt Unterstützung der Studierenden bei der gezielten Integration von NE in ihrem Studienfach
  • Es wählen oft nur bereits interessierte Studierende die (B)NE-LVA, während andere Studierende ihr Studium ohne BNE-Erfahrung durchlaufen
  • NE im ÜA (vor allem Zertifikate) stehen in Zeit- und Ressourcenkonkurrenz mit anderen Wahlveranstaltungen; ein höherer Zeitaufwand für projektbasierte NE-LVA kann abschreckend wirken * Zusätzlich notwendige Ressourcen für NE-LVA müssen von Lehrenden selbst organisiert/erbracht werden

Level B: „weave through“ – Integration von BNE in Lehre und Lernen

BNE wird so in die Lehre integriert, dass diese sich verändert: Ein expliziter Fokus auf NE, ausgeprägte BNE-relevante didaktische Formen sowie forschendes Lernen mit NE-relevanten Methoden sind zentraler Bestandteil der Lehre im Level B. In Studienprogrammen sind NE-LVA nicht isoliert, sondern werden in das Gesamtcurriculum „eingewebt“, d.h. das Studium hat eine NE-Schwerpunkt und die Integrationsleistung (NE + Fachdisziplin) liegt nicht mehr allein bei den Studierenden. Im Wahlbereich existiert ein NE-Zertifikat oder ähnliches Format, das durch Leistungsnachweise in mehreren NE-Veranstaltungen erworben werden kann. Dadurch kann eine anerkannte Weiterbildung zu NE auch Studierenden zugänglich gemacht werden, in deren Studienprogramm BNE noch nicht integriert ist. Für die Beteiligten heißt das:

  • Studierende: vertieftes Lernen zu NE, im ÜA und/oder im disziplinären Kontext, NE-Kompetenzen können entwickelt werden; NE ist Teil des Prüfungsthemas. Studierende sind an der Gestaltung von Lehre/Lernen beteiligt.
  • Lehrende: inhaltliche und didaktische Weiterbildung zu BNE ist notwendig; Interdisziplinarität ist Teil der Lehre, Transdisziplinarität kann Teil der Lehre sein; innovative Evaluationsformen werden angewendet.
  • Programmverantwortliche: eine ‚offizielle‘ Integration von BNE ist notwendig, über benötigte Ressourcen (z. B. Zeit für team-teaching) sollte offen verhandelt werden
  • Administration: Integration in Fachspezifische Anlage/Curriculum ist notwendig
  • HS-Handlungsfelder: Lehre (BNE, innovative Didaktik, forschende Lehre) und Forschung (Mentoring der forschenden Studierenden) sind beteiligt, Transfer kann beteiligt sein (Projekte mit außer-universitären Akteur*innen), Betrieb/Campus als Reallabor sollte beteiligt sein. Unterstützung durch Governance ist notwendig.
  • Non-Formales Lernen: Lehre bezieht andere Lernräume aktiv mit ein, z.B. durch „service learning“ oder andere Formate; Anerkennung (z. B. durch Credit Points) sollte möglich sein. Kommunikation zwischen Akteur*innen anderer Lernräume und Lehrenden ist gegeben.
Tabelle 2: Veranstaltungsaufbau Level B
Chancen/Vorteile und Maßnahmen

Level B ermöglicht die Integration von BNE in die Lehre mit gewissem administrativen Aufwand, der aber auch Legitimation und erste Verstetigung bedeutet:

  • Innovative und ansprechende Lehrformate können erprobt werden, Attraktivität der Lehre (und der Hochschule) steigt. Unterstützung durch Hochschuldidaktik ist sinnvoll.
  • Beteiligte können anders miteinander in Beziehung treten: von gemeinschaftlicherem Lehren und Lernen mit stärkerer Verantwortungsübernahme durch Studierende, über Mentoring und Coaching, bis zu Team Teaching und peer-learning unter Lehrenden.
  • NE-Zertifikate im überfachlichen Angebot machen BNE sowohl an der Hochschule sichtbarer als auch die Hochschule sichtbar als Lernort für BNE.
  • Studierende haben die Möglichkeit zur anerkannten NE-bezogenen Weiterbildung während ihres Fachstudiums.
  • Studienprogramme können ein NE-Profil entwickeln und Studierenden wie Lehrenden eine besondere Lehr-Lern-Kultur bieten.
  • Ressourcenbedarfe für BNE werden anerkannt und ausgehandelt.
  • Durch strukturelles Verankern (z. B. Studienschwerpunkt, Minor/Nebenfach) wird Verstetigung über einzelne engagierte Lehrende hinaus gefördert. Bei Neuberufungen oder der Gestaltung neuer LVA wird ggf. bereits auf BNE-Kompetenzen der Bewerber*innen geachtet.
Herausforderungen/Grenzen

Angebote im Level B benötigen durch ihre vertiefte inhaltliche und didaktische Ausrichtung auf (Kompetenzen für) NE deutlich mehr Zeit und Ressourcen, die durch die offizielle Integration in Syllabus/Curriculum nur teilweise abgedeckt werden können:

  • Zeit/Ressourcenkonkurrenz im ÜA: für Studierende stehen begrenzte Credit Points an Wahlmöglichkeiten und meist hoher Zeitdruck im Fachstudium den zeitintensiveren weil aufwändigeren NE-Lehrveranstaltungen gegenüber.
  • Fachspezifische Inhalte können NE-bezogen erweitert werden. Dennoch entsteht auf Level B Zeitkonkurrenz zu fachspezifischen Lehrinhalten, wenn NE als Schwerpunkt in ein Studienprogramm integriert werden soll (oder Lehrende ihre LVA zur expliziten NE-LVA umgestalten möchten); ggf. besteht Verhandlungsbedarf, was weggelassen werden kann, um Raum zu schaffen.
  • Personalbedarf: ein Zertifikatsprogramm muss betreut werden, sowohl administrativ als auch inhaltlich. Zusammenarbeit mit den Lehrenden in Bezug auf BNE-spezifische Qualitätskriterien ist notwendig.
  • Lehrende haben durch die innovativen Lehr-Lernformate höheren Aufwand (Vorbereitung, Betreuung, etc.; auch Team-Teaching wird nötig), der bisher aber meist nicht durch höhere Deputats- oder Semesterwochenstunden-Anrechnung/Bezahlung vergütet wird.
  • Weiterbildungsbedarf: Lehrende sollten Zugang zu BNE-spezifischen Weiterbildungen haben, mindestens aber zu didaktischer Weiterbildung für BNE-kompatible Formate.
  • Zusammenarbeit und Aushandlungsprozesse mit Studiengangs-Verantwortlichen, Fakultäten u.a. sind notwendig, um BNE strukturell in LVA, ÜA, und SP integrieren zu können.

Level C: „built in“ – Reorientierung von Lehre und Lernen

BNE als Gesamtkonzept wird umgesetzt, so dass eine Re-orientierung der Lehre stattfindet. NE ist Hauptthema, komplexe und partizipative Formate (wie transdisziplinäres Problem- und Projektbasiertes Lernen (Brundiers) und forschendes Lernen innerhalb aktueller NE-Forschung) werden praktiziert, d.h. Lernen findet in innovativen, Multi-Akteur Lehr-Lern-Umgebungen statt. Level C findet im Rahmen expliziter NE-Lehrveranstaltungen, NE-Studienprogramme, und integrativer NE-Zertifikatsprogramme statt (d.h. die Wahl der LVA ist teilstrukturiert, so dass diese aufeinander aufbauen und einen umfassenderen NE-Kompetenzerwerb ermöglichen). Für die Beteiligten heißt das:

  • Studierende: intensive Bildung zu NE; umfassende Kernkompetenzen können entwickelt werden; NE ist Prüfungs-Subjekt. Studierende können die Lehre/ihr Lernen sowie eigene Forschung zu großen Teilen selbst- und mitgestalten; eine nachweisbare NE-Qualifikation wird erworben.
  • Lehrende: inhaltliche und didaktische Weiterbildung auf hohem Niveau, sowie eigene (fachbezogene) Spezialisierung im Bereich NE sind notwendig. Innovative und partizipative Evaluationsformen werden angewendet. Interdisziplinäres Team-Teaching und Einbeziehen externer Expert*innen sind Bestandteil der Lehre; Transdisziplinarität ist Teil der Lehre.
  • Programmverantwortliche: übernehmen Leader- ship im Bereich BNE; Vertreten die Lehrformate und ihre Bedarfe (Ressourcen, Zeit, Weiterbildung, etc.) in den entsprechenden Gremien.
  • Administration: Curricula sind explizit zu NE gestaltet. Prüfungsordnung und BNE-spezifische Didaktik und neue Formate prüfungsrelevanter Leistungen Studierender sind aufeinander abgestimmt.
  • HS-Handlungsfelder: Lehre (BNE-Kompetenzen, innovative Didaktik, forschende Lehre), Forschung (Mentoring und kollaboratives Forschen), Transfer (Projekte mit außeruniversitären Akteur*innen), Betrieb/Campus als Reallabor; BNE ist explizit Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Unterstützung durch Governance ist unabdingbar.
Tabelle 3: Veranstaltungsaufbau Level C
Chancen/Vorteile

Auf Level C ist BNE strukturell soweit integriert, dass komplexe Lehrformate mit mehreren – auch außeruniversitären – Akteur*innen möglich sind:

  • Studierende in NE-Studienprogrammen haben explizit Zeit, Raum und Begleitung, um NE-bezogen lernen zu können. Der hohe Aufwand für komplexe Lehr-Lernformate ist eingeplant.
  • Lehrende können im Kontext aktueller Forschung mit Studierenden arbeiten bzw. Studierende bei relevanter Forschung begleiten – Lehre ermöglicht gemeinschaftliches wissenschaftliches Arbeiten.
  • Studierende können mehr-semestrige, transdisziplinäre Projekte durchführen und sich in lokale Transformationsprozesse einbringen (auf Level C sind auch Lehrveranstaltungen oft mehr-semestrig)
  • Eine umfassende BNE auf Hochschulniveau ist möglich, besonders in Studienprogrammen: aufeinander aufbauende LVA ermöglichen NE-Lehre für Fortgeschrittene; NE-Inhalte, -Wissenschaft, -Ethik, -Teilhabe, sowie persönliches Lernen können auf hohem intellektuellen Niveau vertieft werden
  • Lehrende können eigene BNE-(Lehr)Kompetenzen sowie NE-(Transformations) Kompetenzen weiterentwickeln
  • Team-Teaching und Zusammenarbeit mit externen Expert*innen ist vorgesehen und entsprechend honoriert
  • Profilierung der Hochschule / des Studienprogramms als Lehr-Lern-Ort für BNE
Herausforderungen/Grenzen:

BNE-Formate auf Level C unterscheiden sich deutlich von klassischer disziplinärer Lehre und stellen durch ihre Komplexität hohe Ansprüche an alle Beteiligten:

  • Studierende in NE-SP müssen sich proaktiv mit möglichen Berufsfeldern in auseinandersetzen & ggf. zusätzliche Qualifikationen erwerben – wie unterstützen Studiengangsverantwortliche dabei?
  • Lehrveranstaltungen in NE-Studienprogrammen müssen gut untereinander abgestimmt sein – wie bereit sind Lehrende für „kollaboratives Lehren“ statt individueller Freiheit-der-Lehre?
  • Unterschiedliche (disziplinäre u. a.) Voraussetzungen, die Studierende in NE-SP und Zertifikatsprogramme mitbringen, müssen einbezogen und gemeinsame Grundlagen geschaffen werden – wie wird Interdisziplinarität und Vielfalt vom Nebeneinander zu synergetischem Miteinander?
  • Level C sollte explizit globale Verknüpfungen und Perspektiven des Globalen Südens einbeziehen – wie erwerben Lehrende entsprechende Kenntnisse & Kontakte? [1], [2]
  • Level C sollte überregionale, ggf. internationale Verknüpfungen herstellen (ein „Glocal Curriculum“, s. [3]) – welche technischen Ressourcen & digitalen Formate können genutzt werden?
  • Transdisziplinäre Formate mit wechselnden Studierendengruppen bedürfen langfristiger Planung und Beziehungspflege mit außeruniversitären Akteur*innen – welche Dauerstelle übernimmt diese Funktion? [4]
  • Überfachliches Angebot: integrative Zertifikate erfordern hohes Commitment von Verantwortlichen, Lehrenden, und Studierenden – wie wird dieses honoriert/wertgeschätzt?

Level X: Visionen

Level X steht für die noch offenen, ganz neuen Möglichkeiten, wie sich H-BNE entwickeln mag – und wie BNE die Hochschule verändern mag. In der Praxis-Forschungs-Session „Zukunftswerkstatt BNE“ entwickelten die Teilnehmenden (Studierende und Lehrende, die bereits in BNE aktiv sind) Visionen, was möglich sein könnte. Hier sind einige Zitate zur Inspiration:

Eine offene Hochschule: „alle können kommen und ihre Fragen einbringen, an Lösungen mitarbeiten“ „Prof trifft Bauer auf dem Misthaufen auf Augenhöhe – gemeinsame Problemlösung, jede*r hat Kompetenzen!“ „Uni als Ort offener Türen, Fragestellungen aus der Bevölkerung von alt bis jung, lebenslanges Lernen“

Eine globale Hochschule: „Forschung und Lehre hat eine globale Dimension, bezieht die besonders von nicht-Nachhaltigkeit Betroffenen mit ein, ist ganz eng mit dem Globalen Süden vernetzt“

Eine grüne Hochschule: „organische Gebäude, alles ist begrünt, Anbau von Lebensmitteln auf und um die Uni, enge Verbindung mit lokalen Produzierenden. Globale Vernetzung (virtuell) ohne Mobilität“

Eine vernetzte Bildungslandschaft: „Veranstaltungen und Inhalte können da gemacht werden, wo es das gibt, was jemand lernen möchte!“ „Interdisziplinarität zwi- schen Studiengängen ist selbstverständlich“

„BNE ist selbstverständlich und Teil aller Lehre. BNE als roter Faden, der Themen in die Uni ‚hineinholt‘ und Lernen mit konkreten Orten und Menschen überall auf der Welt und ganz lokal verbindet“

Eine egalitäre Hochschule: „Lehrende und Lernende sind nicht mehr unterscheidbar, Rollen wechseln nach Bedarf“ „Lernen als egalitäres Gemeinschaftsprojekt“

„gleiche Vergütung für alle Lehrende!“

Hierarchieabbau auch auf die Gebäude bezogen: andere Studienräume, runde Tische, viele Räume zum gemeinsamen Arbeiten, dabei Treffen auf Augenhöhe; nützliches Feedback statt Noten“

„Gruppe der Menschen an der Hochschule ist diverser, alle Nationen und Lebensläufe sind dabei; sehr viel integrativer“

„Kernpunkt ist eine andere Zeitdimension – ohne Zeitdiktat: Uni als Ort der Neugierde“

„Hochschule als Ort der Reflektion, Analyse, Austausch, methodischen Absicherung – und immer wieder die Sinnfrage stellen, warum wir genau das/ genauso beforschen/lernen sollten, das sollte im Mittelpunkt stehen“

...und welche Visionen, Träume, Wünsche... für BNE haben Sie?

Gestaltungsräume und ihre Charakteristika

Die verschiedenen Gestaltungsräume, die sich aus Lehrkontext und Integrationslevel von BNE ergeben, haben auch inhaltlich besondere Charakteristika. Zum einen sind die Kernelemente von Hochschul-BNE (H-BNE), die in Portal 1 dieses Leitfadens beschrieben werden, entsprechend der Möglichkeiten in den Gestaltungsräumen unterschiedlich ausgeprägt. Zum anderen entsteht durch eine ganzheitliches BNE-Konzept und durch die besonderen Herausforderungen komplexer Nachhaltigkeitsprobleme eine Lehr-Lern-Umgebung, die für Nachhaltige Entwicklung typische Elemente wie Ergebnisoffenheit, Ambiguität, Unsicherheit, und Veränderung enthält – „fluide Transformationsräume“, die es gemeinsam zu gestalten gilt. Im Folgenden werden diese beiden Charakteristika beschrieben, und zwar nicht im Sinne einer überall gültigen Definition, sondern im Sinne von Anregung zum Ausprobieren und Ausgestalten.

Kernelemente von Hochschul-BNE – Ausprägungen

Die Ausprägung der Elemente auf den verschiedenen Integrationsleveln wurde aus good-practice-Beispielen abgeleitet. Wo der Orientierungsrahmen im Portal 1 Einblick gibt, welche Elemente Teil von H-BNE sind und was diese ausmacht, gibt die Übersicht in der folgenden Tabelle Anregungen, wie die Elemente je nach bestehenden Möglichkeiten ausgestaltet werden können. Auch zur Entwicklung von Qualitätskriterien für BNE-Lehrveranstaltungen oder Programme kann sie Hinweise geben.

EINFÜGEN: GRAFIK/TABELLE

Die Ausprägung der Kernelemente baut von A-C aufeinander auf. Ein + weist darauf hin, dass die im voran- gegangenen Level genannten Kriterien genauso weiter gelten Die Kombination der Kernelemente auf verschiedenen Leveln bedeutet allerdings mehr als die Summe der Elemente: Durch ihre Verknüpfung entstehen „Transformationsräume“, in denen Lehre auf besondere Art in Bewegung kommt.

Transformationspotential: „Stromschnellen“ und fluide Räume

Die wissenschaftliche und fachliche Arbeit für Nachhaltige Entwicklung bringt besondere Elemente mit sich:

  • Ethische Fragen und normative Perspektiven und Dilemmata sind in großem Maß verständnis- und handlungsleitend
  • Probleme können nicht vollständig definiert und erfasst werden („wicked problems“)
  • Zielvorstellungen sind nach bestem Wissen verhandelt und können sich ändern; oft ist ein komplettes Neudenken oder Neudefinieren von Möglichkeiten erforderlich
  • Lösungswege sind oft experimentell und da sie in komplexen Systemen erprobt werden, gehören Unsicherheit, Ambiguität, und die Möglichkeit des Scheiterns dazu
  • Zusammenarbeit über disziplinäre, berufliche, kulturelle, sprachliche, geografische etc. Unterschiede hinweg ist notwendig und auch herausfordernd
  • Persönliche Erfahrungen, Werte, Haltungen Emotionen, und Lebenseinstellung sind Teil des Engagements und gleichzeitig in Bewegung durch die Auseinandersetzung mit NE; persönliche Entwicklung gehört zu den Zielen von BNE.

Dies unterscheidet sich deutlich von klassischer akademischer Lehre, sowie von gegenwärtigen Lehr- und Prüfungsformaten, die eindeutiges Wissen und „richtige“ Ergebnisse lern- und abfragbar aufbereiten – was von Studierenden auch oft erwartet und von Lehrenden eingefordert wird. BNE (vor allem auf hohem Ambitionsniveau) bedeutet dagegen, sich gemeinsam auf unsicheres Terrain zu begeben und Risiken einzugehen. So können Forschungsprojekte in der Praxis scheitern, Teamprozesse schiefgehen, etc. Diese „fluiden Räume“, die sich z.B. in problem- und projektbasiertem forschenden Lernen notwendigerweise ergeben, bieten gleichzeitig enormes Potential für transformatives Lernen. Die Welt, sich selbst, und die Wechselwirkung zwischen beiden ganz neu zu erleben, verstehen, und letztendlich gestalten zu können. Meist entsteht solche Transformation genau da, wo besonders viel in Bewegung kommt und alle gemeinsam beitragen müssen, durch die „Stromschnellen“ zu kommen.

Die Integrationslevel von BNE können also auch in Bezug auf diese „fluiden Transformationsräume“ gesehen werden:

Abbildung 8: Charakteristika der „Transformationsräume“ (Quelle: eigene Darstellung)


Die Intensität und Ausdifferenzierung aller o. g. Elemente erhöht sich von Level A bis C und ermöglicht dadurch ein Erleben, Erlernen, und Reflektieren von für NE charakteristischen und wichtigen Arbeitsweisen und –Umfeldern. Grade diese „fluiden Räume“ ermöglichen den Erwerb von Kernkompetenzen für NE.


Lehre Wildwasser.png

Level A bietet noch relativ viel Stabilität; die fluiden Momente sind kleiner – „Wildwasser Stufe 1“

Welche Chancen bieten sich uns als Lehrenden, zu experimentieren und Studierenden erste Erfahrungen mit den Charakteristika von Arbeitsweisen für NE zu ermöglichen? Wo können wir bewusst erste, kleine ergebnisoffene, ‚unsichere‘, komplexe Lehr-Lern-Situationen schaffen, erproben, und gemeinsam mit den Studierenden reflektieren?


Level B ermöglicht deutlich mehr an fluiden Räumen – „Wildwasser Stufe 2“:

Lehrveranstaltungen sind bereits auf NE ausgerichtet, im überfachlichen Angebot sind mehrere NE-LVA in einen Zusammenhang gestellt, und im Studienprogramm gibt es vertiefte und miteinander verknüpfte LVA und Aufgaben für die Studierenden. Studierende haben NE als Richtung gewählt, ob als eine anspruchsvollere NE-LVA, ein NE-Zertifikat oder ein Studienprogramm mit NE-Schwerpunkt; Lehrende können daher von größerer Offenheit für innovative Lehr-Lern-Situationen ausgehen.

  • Welche Chancen bieten sich uns als Lehrenden hier, Komplexität, Offenheit, Notwendigkeit von Zusammenarbeit und Eigenverantwortung der Studierenden in den Lehr-Lern-Situationen zu vertiefen?
  • Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für uns als Lehrende? Wie offen gehen wir damit gegenüber den Studierenden um? Wo können wir uns Unterstützung holen?


Level C lebt überwiegend „mitten im Fluss“.

Hier wird in inter- und transdisziplinären Projekten mit multiplen Akteur*innen gemeinsam geforscht, gelehrt und gelernt; die Auseinandersetzung mit realen, aktuellen (nicht-) Nachhaltigkeitsproblemen ist die Lehr-Lern-Situation. Anforderungen an Eigenverantwortung, Zusammenarbeit, ethische Kompetenz, Ambiguitätstoleranz und Adaptabilität sind bereits hoch – und müssen dennoch so begleitet werden, dass sie gelernt werden können, statt nur (und dann oft als überwältigend) erlebt zu werden.

  • Welche Chancen bieten sich uns als Lehrenden hier, gemeinsam mit den Studierenden in gesellschaftlicher Verantwortung aktiv zu sein, zu forschen und gleichzeitig gemeinsam weiter zu lernen? Wie schaffen wir die Brücke zwischen Engagement „in der realen Welt“ und Lern-Raum?
  • Welche Rollenkonflikte ergeben sich möglicherweise? Wie gehen wir damit um?
  • Welche Ressourcen brauchen wir als Lehrende, um „Wildwasser Stufe 3“ erfolgreich zu navigieren? Wie vermitteln wir Studierenden – grade als Rollenvorbild – wie ein solches Arbeiten, Forschen, und Auseinandersetzen konstruktiv, produktiv, und auch „selbst-nachhaltig“, also ohne sich zu verausgaben, möglich ist?

Literaturverzeichnis

[1] Scheunpflug, A., Asbrand, B. (2006). Global education and education for sustainability. Environmental Education Research, Vol. 12, No. 1, February 2006, pp. 33–46.

[2] Andreotti, de Oliveira V. (2014). Critical and transnational literacies in international development and global citizenship education. SISYPHUS Journal of Education, 2(3), 33-50.

[3] John, B., Ganiglia, G., Bellina, L., Lang, D., Laubichler, M. (2017). The Glocal Curriculum: a Practical Guide to Teaching and Learning in an Interconnected World. Tredition GmbH, Hamburg.

[4] Brundiers, K., Wiek, A., Kay, B. (2013). The Role of Transacademic Interface Managers in Transformational Sustainability Research and Education. Sustainability 2013, 5(11), 4614-4636; doi:10.3390/su5114614.

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