HOCH-N:Nachhaltigkeitstransfer an Hochschulen: Unterschied zwischen den Versionen
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Einen zweiten Zugang zum Handlungsfeld Transfer bilden die ''Erwartungen der Wissenschaftspolitik'', die in den letzten Jahren verstärkt an die Hochschulen gerichtet wurden. Das Bundesforschungsministerium fordert in seinem Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation, dass Hochschulen ihr Wissen stärker als bisher allgemeinverständlich und dialogorientiert kommunizieren und wissenschaftliche Inhalte außerhalb der Wissenschaft vermitteln sollen <ref>BMBF (2019). Grundsatzpapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Berlin: BMBF.</ref>. Die Landesministerien schreiben zunehmend Technologie- und Wissenstransfer als Aufgabe der Hochschulen in den Hochschulverträgen und in Landeshochschulgesetzen fest. Das Land Brandenburg hat als erstes Bundesland eine Transferstrategie verabschiedet, um die Zusammenarbeit von Wissenschaft mit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu verbessern. Dort werden die Bereitstellung wissenschaftlicher Expertise, Beratung und der klassische Wissens- und Technologietransfer als wichtige Aufgaben für Hochschulen benannt <ref>Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) (Hrsg.) (2017). Transferstrategie Brandenburg. Verbesserung der Zusammenarbeit von Wissenschaft mit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Am 05.09.2017 vom Kabinett beschlossen. Potsdam: MWFK.</ref>. | Einen zweiten Zugang zum Handlungsfeld Transfer bilden die ''Erwartungen der Wissenschaftspolitik'', die in den letzten Jahren verstärkt an die Hochschulen gerichtet wurden. Das Bundesforschungsministerium fordert in seinem Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation, dass Hochschulen ihr Wissen stärker als bisher allgemeinverständlich und dialogorientiert kommunizieren und wissenschaftliche Inhalte außerhalb der Wissenschaft vermitteln sollen <ref>BMBF (2019). Grundsatzpapier des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Berlin: BMBF.</ref>. Die Landesministerien schreiben zunehmend Technologie- und Wissenstransfer als Aufgabe der Hochschulen in den Hochschulverträgen und in Landeshochschulgesetzen fest. Das Land Brandenburg hat als erstes Bundesland eine Transferstrategie verabschiedet, um die Zusammenarbeit von Wissenschaft mit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu verbessern. Dort werden die Bereitstellung wissenschaftlicher Expertise, Beratung und der klassische Wissens- und Technologietransfer als wichtige Aufgaben für Hochschulen benannt <ref>Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) (Hrsg.) (2017). Transferstrategie Brandenburg. Verbesserung der Zusammenarbeit von Wissenschaft mit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Am 05.09.2017 vom Kabinett beschlossen. Potsdam: MWFK.</ref>. | ||
− | Hervorzuheben ist die bundesweite Förderinitiative | + | Hervorzuheben ist die bundesweite Förderinitiative [https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/zukunftsstrategie/innovative-hochschule/innovative-hochschule_node.html Innovative Hochschule] des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Länder, die 2016 als Pendant zur Exzellenzinitiative gestartet wurde. Gefördert werden Beiträge von kleinen und mittleren Universitäten sowie Fachhochschulen zu Transfer und Innovation im engen und wechselseitigen Austausch mit Akteur*innen aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Die Förderinitiative soll dazu beitragen, „dass aus Erkenntnissen der Forschung in allen Wissenschaftsdisziplinen noch effizienter kreative Lösungen für die drängenden Herausforderungen unserer Zeit werden.“ |
Einen weiteren Impuls hat das Transfer-Audit gegeben, das der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft seit 2015 durchführt. Es ist gedacht als ein Entwicklungsinstrument für Hochschulen, die ihre Kooperationsstrategie mit externen Partnern weiterentwickeln und Transfer in ihrer Hochschulentwicklung stärken möchten. Zweck des Audit-Verfahrens, an dem sich bis 2020 knapp 50 Hochschulen beteiligt haben, ist es, die Hochschule in der Erreichung ihrer Ziele und dem damit einhergehenden Entwicklungsprozess zu unterstützen und zu beraten. In dem rund einjährigen Prozess werden einem Hochschul-Projektteam externe Transfer-Expert*innen zur Seite gestellt. Sie analysieren gemeinsam Strukturen, Prozesse sowie Ergebnisse von Kooperationsbeziehungen im Verhältnis zu den strategischen und operativen Zielen der Hochschule <ref>Frank, Andrea; Krume, Julia; Lehmann-Brauns, Cornels; Meyer, Matthias (2020). Strategieentwicklung für Transfer und Kooperation (Transfer-Audit: Diskussionspapier 1). Essen: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.</ref>. | Einen weiteren Impuls hat das Transfer-Audit gegeben, das der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft seit 2015 durchführt. Es ist gedacht als ein Entwicklungsinstrument für Hochschulen, die ihre Kooperationsstrategie mit externen Partnern weiterentwickeln und Transfer in ihrer Hochschulentwicklung stärken möchten. Zweck des Audit-Verfahrens, an dem sich bis 2020 knapp 50 Hochschulen beteiligt haben, ist es, die Hochschule in der Erreichung ihrer Ziele und dem damit einhergehenden Entwicklungsprozess zu unterstützen und zu beraten. In dem rund einjährigen Prozess werden einem Hochschul-Projektteam externe Transfer-Expert*innen zur Seite gestellt. Sie analysieren gemeinsam Strukturen, Prozesse sowie Ergebnisse von Kooperationsbeziehungen im Verhältnis zu den strategischen und operativen Zielen der Hochschule <ref>Frank, Andrea; Krume, Julia; Lehmann-Brauns, Cornels; Meyer, Matthias (2020). Strategieentwicklung für Transfer und Kooperation (Transfer-Audit: Diskussionspapier 1). Essen: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.</ref>. |
Aktuelle Version vom 22. März 2024, 11:29 Uhr
Nachhaltigkeitstransfer an Hochschulen | |
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Es wird ein Überblick zum Nachhaltigkeitstransfer an Hochschulen gegeben. | |
Themenbezug | |
Zielgruppe | |
Forschende, Lehrende, Studierende, Hochschulleitung, Forschungsmanagement, Interessierte Öffentlichkeit, Politik, Nachhaltigkeitsbeauftragte(r), Forschungsförderer
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Schnittstellen | |
Schlüsselakteure | |
Kategorien | |
Die Ansprüche an Hochschulen wandeln sich wie die Gesellschaft auch. Dazu gehört, dass sich Hochschulen immer häufiger mit Akteur*innen aus gesellschaftlichen Bereichen außerhalb der Wissenschaft, die hier als Praxis bezeichnet werden, austauschen. Ein solcher Austausch und Praxis-Hochschul-Kooperationen können als Transfer bezeichnet werden.
Viele Hochschulakteur*innen engagieren sich in Lehre, Forschung und Third Mission im Transfer. Bei etlichen Hochschulen gehört Transfer inzwischen zum Selbstverständnis. Sie versprechen sich von der Auseinandersetzung mit Akteur*innen aus der Praxis, von deren Expertise und Fragen einen Mehrwert. Die Praxis tritt mit ihren Ideen, Werten und Interessen der Wissenschaft als das „wahre Leben“ gegenüber, das sich nicht an Fachdisziplinen, Handbücher und Methoden hält, sondern quer dazu liegt. Das fordert das wissenschaftliche Denken heraus und bietet Möglichkeiten, Wissenschaft weiterzuentwickeln, zu vertiefen, neue Akteur*innen einzubeziehen und auf gesellschaftlichen Bedarf zu reagieren. Dabei geht es um die alte Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis und die Herausforderung, wie Wissenschaft durch Forschung und zur Lösung realweltlicher Probleme beitragen kann. Wie kann das so genannte „Tal des Todes“ zwischen wissenschaftlichem Wissen und praktischer Anwendung überwunden werden[1]? In welchem Verhältnis stehen die Referenzsysteme Wissenschaft mit ihren Regeln und Erfolgskriterien für Forschung und Lehre und andere gesellschaftliche Teilsysteme wie Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Familie etc. mit ihren jeweiligen Erfolgsmaßstäben? Wie lassen sich Kommunikation und Kooperation zwischen jeweils unterschiedlichen Handlungslogiken gestalten? Hierbei werden auch Einschränkungen und Grenzen von Transfer deutlich.
In diesem Sinne kann Transfer zu einem Motor für eine Weiterentwicklung der Hochschulen werden, die Antworten auf gesellschaftliche Trends wie Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung suchen. „Die Hochschulen entwickeln und definieren ihre zentrale Rolle im steten Dialog mit allen gesellschaftlichen Kräften. In Ausfüllung dieser Rolle erbringen sie Leistungen, die für die wissenschaftliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung sind.“ [2]
Motivation für Transfer
Transfer eröffnet der Hochschule einerseits Zugänge, um in die Praxis hineinzuwirken und ihre Kompetenzen aus Forschung und Lehre in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse einzubringen. In der Lehre können Praxis-Hochschul-Kooperationen die Anwendungsorientierung der Studiengänge erhöhen, die berufliche Qualifikation verbessern und ganz allgemein eine umfassende Kompetenzorientierung im Studium unterstützen. In der Forschung können Wissenschaftler*innen mittels Transfer wissenschaftliche Theorien, Modelle und Methoden in der praktischen Anwendung testen, schärfen, in Frage stellen und gegebenenfalls überarbeiten.
Andererseits erhalten Hochschulen durch diesen Austausch eine Rückmeldung zur ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Dies reicht vom Bedarf an Wissen für gesellschaftlich relevante Probleme und Fragen, über Impulse für Forschungsfragen, bis hin zu Ideen für neue Verknüpfungen von Disziplinen. An die Lehre werden Anforderungen herangetragen wie beispielsweise die Bildung der Studierenden zu mündigen Bürger*innen oder der Qualifizierungsbedarf von Organisationen und Unternehmen, die Absolvent*innen einstellen. Dies kann dazu beitragen, die Qualität von Studiengängen zu verbessern und die Ziele von Ausbildungsprogrammen mit dem gesellschaftlichen Bedarf abzustimmen.
Hochschulen betreiben Transfer in den unterschiedlichsten Facetten und mit einer großen Bandbreite an unterschiedlichen Partner*innen aus der Praxis. Entsprechend vielfältig sind Formen von Transfer wie z.B. Technologie- und Wissenstransfer, Weiterbildung, Beratung, Beteiligung am sozialen und kulturellen Leben, Teilnahme an Politikgestaltung, Wissenschaftskommunikation, Verträge mit Unternehmen, öffentlichen Trägern und Kommunen etc.[3]. Angesichts dieser Vielfalt an Aktivitäten und Formen handelt es sich bei Transfer um ein offenes, vielleicht sogar unscharf abgegrenztes Handlungsfeld. Das Phänomen wird mit unterschiedlichen Begriffen bezeichnet, neben Transfer sind noch Bezeichnungen wie Third Mission, Hochschule in gesellschaftlicher Verantwortung, societal impact etc. in der Diskussion[4].
Besonders prominent diskutiert wird Third Mission als drittes Aufgabenfeld von Hochschulen neben Lehre und Forschung[5]. Henke et al.[6] definieren Third Mission als eine Interaktion der Hochschule mit hochschulexternen Akteur*innen, die auf gesellschaftliche Bedürfnisse Bezug nimmt. Diese geht über die Pflichtaufgaben der Hochschule in Lehre und Forschung (einschließlich Drittmittelforschung) hinaus, ist aber zumindest lose mit diesen beiden Leistungsprozessen gekoppelt. Third Mission umfasst wissenschaftliche Weiterbildung, Forschungs- und Wissenstransfer (Entwicklung, Vermittlung und Vermarktung von Wissen) und gesellschaftliches Engagement (bürgerschaftliches Engagement, Community Service, erweiterte Beteiligung)[6].
Aufgrund der großen Überschneidungen zwischen Transfer und Third Mission ist eine klare Abgrenzung nicht einfach. Dennoch scheint es sinnvoll, Transfer als eigenständigen Bereich zu beschreiben, weil die inhaltliche Auseinandersetzung mit Praxisakteur*innen im Wesentlichen in Lehre und Forschung erfolgt. Demgegenüber ist Third Mission auf einer anderen Ebene angesiedelt und hebt auf organisatorische Rahmenbedingungen und Unterstützungsstrukturen für Transfer ab. Third Mission fokussiert Kommunikation(-skanäle), Austauschformate, Netzwerkmanagement und Ressourcenbereitstellung. Dies sind wichtige Rahmenbedingungen neben den fachlich-inhaltlichen Grundlagen aus Lehre und Forschung. Deswegen wird nachfolgend auf Erkenntnisse aus der Fachdebatte zu Third Mission zurückgegriffen, z.B. über deren verschiedene Wirkungsfelder, die Anforderungen an und die Bilanzierung von Third Mission [3][5][6].
Lesetipp |
Henke, Justus, Pasternack, Peer; Schmid, Sarah (2016). Third Mission bilanzieren. Die dritte Aufgabe der Hochschulen und ihre öffentliche Kommunikation (HoF-Handreichungen 8). Halle-Wittenberg, Institut für Hochschulforschung (HoF). |
Roessler, Isabel; Duong, Sindy; Hachmeister, Cort-Denis (2015). Welche Mission haben Hochschulen? Third Mission als Leistung der Fachhochschulen für die und mit der Gesellschaft. Gütersloh: CHE gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung (Arbeitspaper 182). |
Entwicklung des Transferverständnisses
Der wissenschaftliche Diskurs zu Transfer an Hochschulen ist vielfältig und formiert sich gerade). Daher wird Transfer nachfolgend über unterschiedliche Zugänge beschrieben.
Eine erste Annäherung bietet ein Blick auf den Wandel des Transferverständnisses. Das traditionelle Verständnis von Transfer stellt den Technologietransfer aus der Hochschule in die Praxis in den Vordergrund. Hierbei werden in erster Linie ingenieur- und naturwissenschaftliche Erkenntnisse aus der Forschung in Unternehmen für die konkrete Anwendung im Produktionsprozess transferiert. Gerade Fachhochschulen verfügen traditionell über enge Kontakte zur Wirtschaft[3]. In der Folge wurde der Begriff auf Wissens- und Forschungstransfer ausgeweitet, worunter eine Weitergabe von Forschungserkenntnissen aus allen Wissenschaftsdisziplinen in die Praxis bzw. für praktische Anwendungen verstanden wird. Dies umfasst einen Transfer auch in Einrichtungen der öffentlichen Hand wie Verwaltungen und Ministerien, z.B. in Form von Politikberatung, sowie in die Zivilgesellschaft. Schließlich ist die Rolle von Hochschulen im regionalen Kontext hinzugekommen, sei es als Motor der Regionalentwicklung, Impulsgeber für Wirtschaftscluster und Innovationssysteme oder für eine nachhaltige Regionalentwicklung [7][8][9].
Stimme Transferexpert*in: „Nach meinem Wissen werden ja nicht nur Wissen, Ideen und Technologien transferiert, es geht auch um Handlungen, Vorstellungen, Ansichten und Werte. Also es geht um viel mehr als um das Haptische, Greifbare wie ‚Ich gestalte eine Maschine.‘ oder ‚Ich erläutere Leuten, wie ein Businessplan geschrieben wird.‘“ (Expert*in 01) |
Einen zweiten Zugang zum Handlungsfeld Transfer bilden die Erwartungen der Wissenschaftspolitik, die in den letzten Jahren verstärkt an die Hochschulen gerichtet wurden. Das Bundesforschungsministerium fordert in seinem Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation, dass Hochschulen ihr Wissen stärker als bisher allgemeinverständlich und dialogorientiert kommunizieren und wissenschaftliche Inhalte außerhalb der Wissenschaft vermitteln sollen [10]. Die Landesministerien schreiben zunehmend Technologie- und Wissenstransfer als Aufgabe der Hochschulen in den Hochschulverträgen und in Landeshochschulgesetzen fest. Das Land Brandenburg hat als erstes Bundesland eine Transferstrategie verabschiedet, um die Zusammenarbeit von Wissenschaft mit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu verbessern. Dort werden die Bereitstellung wissenschaftlicher Expertise, Beratung und der klassische Wissens- und Technologietransfer als wichtige Aufgaben für Hochschulen benannt [11].
Hervorzuheben ist die bundesweite Förderinitiative Innovative Hochschule des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Länder, die 2016 als Pendant zur Exzellenzinitiative gestartet wurde. Gefördert werden Beiträge von kleinen und mittleren Universitäten sowie Fachhochschulen zu Transfer und Innovation im engen und wechselseitigen Austausch mit Akteur*innen aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Die Förderinitiative soll dazu beitragen, „dass aus Erkenntnissen der Forschung in allen Wissenschaftsdisziplinen noch effizienter kreative Lösungen für die drängenden Herausforderungen unserer Zeit werden.“
Einen weiteren Impuls hat das Transfer-Audit gegeben, das der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft seit 2015 durchführt. Es ist gedacht als ein Entwicklungsinstrument für Hochschulen, die ihre Kooperationsstrategie mit externen Partnern weiterentwickeln und Transfer in ihrer Hochschulentwicklung stärken möchten. Zweck des Audit-Verfahrens, an dem sich bis 2020 knapp 50 Hochschulen beteiligt haben, ist es, die Hochschule in der Erreichung ihrer Ziele und dem damit einhergehenden Entwicklungsprozess zu unterstützen und zu beraten. In dem rund einjährigen Prozess werden einem Hochschul-Projektteam externe Transfer-Expert*innen zur Seite gestellt. Sie analysieren gemeinsam Strukturen, Prozesse sowie Ergebnisse von Kooperationsbeziehungen im Verhältnis zu den strategischen und operativen Zielen der Hochschule [12].
Link: https://www.stifterverband.org/transfer-audit
Das Transferverständnis im HOCHN-Projekt
Im Anschluss an die oben genannten Debatten wird hier ein breites Transferverständnis zugrunde gelegt. Der Wissenschaftsrat hat dazu festgehalten, dass Transfer „in einem breiten Sinne Interaktionen wissenschaftlicher Akteure mit Partnern außerhalb der Wissenschaft aus Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik“ umfasst [13]. Roessler et al. charakterisieren Transfer als Austauschbeziehungen, bei denen Leistungen von Hochschulen unmittelbar in Gesellschaft und Wirtschaft hineinwirken sowie umgekehrt als Strömungen aus Wirtschaft und Gesellschaft, die sich in der Hochschule niederschlagen. Dies führt „im optimalen Fall zu gesellschaftlicher Weiterentwicklung“ [3].
In die gleiche Richtung zielt das Transferverständnis, von dem der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft im Rahmen seines Audits ausgeht. Dabei wird „Transfer […] als beidseitiger Austausch von Wissen, Dienstleistungen, Technologien und Personen verstanden. Er umfasst alle Formen der Kooperationsbeziehungen in den Bereichen Forschung und Lehre zwischen Hochschulen und externen Partnern in Wirtschaft, Politik, Kultur und öffentlichem Sektor“ [14].
Auf dieser Basis wird Transfer in diesem Leitfaden wie folgt definiert:
Unter Transfer verstehen wir den freiwilligen Austausch von Technologien, Wissen, Ideen und Erfahrungen zwischen Hochschulen und Akteur*innen aus der Praxis. Zur Praxis zählen Wirtschaft, Politik, Verwaltungen, Kommunen, Verbände, Bildungseinrichtungen und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen, Initiativen und Bürger*innen. Der Austausch dient vorrangig der Bearbeitung praktischer Probleme aus der Gesellschaft. |
Anders als bei der oben genannten Definition von Third Mission bezieht dieses Transferverständnis alle Funktionen der Hochschule ein: Lehre, Forschung und Third Mission. Denn Lehre und Forschung bilden die Kernkompetenzen der Hochschule, die auch die fachliche Basis für die Auseinandersetzung mit Praxisakteur*innen darstellen. Die inhaltliche Grundlage für Transfer wird daher maßgeblich in Lehre und Forschung gestaltet.
Zu den Transferakteur*innen zählen auf Seiten der Hochschulen alle Hochschulmitglieder: Forschende, Lehrende, Studierende, Hochschulleitung und -verwaltung. Auf Seiten der außerhochschulischen Praxispartner*innen gehören dazu Unternehmen und Wirtschaftsakteur*innen, Politik, Verwaltungen, Bildungseinrichtungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen sowie Bürger*innen. Transfer wird also jeweils von ganz unterschiedlichen Akteur*innen geprägt.
Transfer für nachhaltige Entwicklung – Nachhaltigkeitstransfer
Verknüpft man Transfer und die gesellschaftliche Verantwortung von Hochschulen mit der Herausforderung einer gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeitstransformation, entsteht Transfer für nachhaltige Entwicklung – kurz Nachhaltigkeitstransfer. In diesem Kapitel wird eine Definition vorgenommen und anschließend die Merkmale vorgestellt, anhand derer Nachhaltigkeitstransfer beschrieben und analysiert werden kann. Diese Annäherung an Nachhaltigkeitstransfer erfolgt aus der Perspektive von Hochschulen bzw. Hochschulakteurinnen.
Definition von Nachhaltigkeitstransfer
In diesem Artikel wird Nachhaltigkeitstransfer als eine spezifische Form von Transfer verstanden, die auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist. Es handelt sich dabei nicht um ein neues, eigenständiges Konzept, sondern um eine Spezifizierung von Praxis-Hochschul-Kooperationen in Lehre und Forschung. Eine konzeptionelle Beschreibung von Nachhaltigkeitstransfer als spezifische Form von Transfer findet sich bei Nölting et al. (2020).
Definition von Nachhaltigkeitstransfer
Unter Nachhaltigkeitstransfer werden alle Transferaktivitäten verstanden, deren Ziel ein Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung in der Gesellschaft ist. Nachhaltigkeitstransfer ist charakterisiert durch (explizite) Nachhaltigkeitsziele der einzelnen Transferaktivitäten und eine Beschreibung der jeweils angestrebten Nachhaltigkeitswirkung. Ergebnisse von Nachhaltigkeitstransfer sind a) Beiträge zu nachhaltiger Entwicklung wie Modelle, Projekte, Technologien, Konzepte, Lösungen, Tests oder Diskussionen über Nachhaltigkeit und b) die Stärkung der Kernkompetenz aller Beteiligten für nachhaltige Entwicklung durch gemeinsame Lernprozesse. (Nölting et al. 2020)
Das normative Prinzip der Nachhaltigkeit beschreibt inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit auf globaler Ebene als Ziel und Handlungsmaßstab. Der dafür notwendige umfassende gesellschaftliche Wandel ist eine sozial-ökologische, ökonomische und kulturelle Aufgabe, die alle gesellschaftlichen Bereiche umfasst. Die Ausrichtung von Transfer auf nachhaltige Entwicklung bringt besondere Aufgaben und Herausforderungen mit sich. Die Formulierung von Nachhaltigkeitszielen für Transferaktivitäten weist über einen direkten Nutzen für die Transferbeteiligten hinaus und ist am Gemeinwohl orientiert. Die Bearbeitung von gesellschaftlichen Problemen erfordert in der Regel einen Aushandlungsprozess, der ein Ringen um normative Orientierung einschließt. Die Lösung praktischer Nachhaltigkeitsprobleme zielt auf eine möglichst hohe Nachhaltigkeitswirkung ab. Durch den breiten Anspruch nachhaltiger Entwicklung ist die Komplexität besonders hoch, denn die Kontextbedingungen müssen möglichst umfassend in räumlicher, zeitlicher und funktionaler Hinsicht berücksichtigt werden, unterschiedlichste Lebensbereiche adressiert und Nebenfolgen vermieden werden sollen. Schließlich streben die Transferakteur*innen an, durch Lernprozesse und Reflexion Kernkompetenzen für nachhaltige Entwicklung zu erwerben.
Theoretische und praktische Überlegungen zu Nachhaltigkeitstransfer in Forschung und Lehre können an die Fachdiskurse zu Nachhaltigkeitsforschung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) anknüpfen. Die Debatten zur Nachhaltigkeitsforschung decken ein breites Spektrum von der Grundlagenforschung zu spezifischen Fragen, über transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung [15], bis hin zum Konzept der transformativen Wissenschaft ab. Letztere hat das Ziel, Umbauprozesse in Richtung Nachhaltigkeit durch Innovationen zu unterstützen und gesellschaftliche Wandlungsprozesse durch die wissenschaftliche Entwicklung von konkreten Lösungen sowie technischen und sozialen Innovationen in Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern [16][17]. Zentrales Element ist ein transdisziplinärer Wissenschaftsansatz, der auf einem intensiven Austausch mit Praxisakteur*innen gründet, bei dem unterschiedliche Akteursgruppen einschließlich der Wissenschaft ihre jeweiligen Kompetenzen in einen gemeinsamen Lern-, Gestaltungs- und Reflexionsprozess einbringen [18][19].
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) fokussiert die Entwicklung und Förderung von Kernkompetenzen, welche die Lernenden befähigen, Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen und Entwicklungsprozesse nachhaltig zu gestalten. Dazu gehören die Fähigkeiten, systemisch, strategisch, wertorientiert und zukunftsorientiert zu denken, interpersonale und intrapersonale Kompetenz sowie Handlungs- bzw. Anwendungsfähigkeit [20].
Lesetipp |
Ferretti, J., Daedlow K., Kopfmüller, J., Winkelmann, M., Podhora, A., Walz, R., Bertling, J., Helming, K. (2016): Reflexionsrahmen für Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung. BMBF-Projekt „LeNa – Nachhaltigkeitsmanagement in außeruniversitären Forschungsorganisationen“, Berlin. https://www.nachhaltig-forschen.de/fileadmin/user_upload/Reflexionsrahmen_DRUCK_2016_09_26_FINAL.pdf |
HOCHN-Leitfaden „Nachhaltigkeit in der Hochschulforschung“ https://www.hochn.uni-hamburg.de/-downloads/handlungsfelder/forschung/hoch-n-leitfaden-nachhaltigkeit-in-der-hochschulforschung.pdf |
HOCHN-Leitfaden „Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Hochschullehre (Betaversion)“. https://www.hochn.uni-hamburg.de/-downloads/handlungsfelder/lehre/hoch-n-leitfaden-bne-in-der-hochschullehre.pdf |
Beschreibungsmerkmale von Nachhaltigkeitstransfer
Nachhaltigkeitstransfer hängt von den jeweils bearbeiteten Nachhaltigkeitsthemen, den beteiligten Akteur*innen und Fachdisziplinen ab und ist deshalb sehr vielfältig und stark kontextgebunden. Um eine Beschreibung und Analyse von Nachhaltigkeitstransfer zu ermöglichen, können verschiedene Merkmale herangezogen werden, welche (abgesehen von der Nachhaltigkeitsausrichtung) prinzipiell auch für Transfer allgemein gelten:
- Akteurinnen und Themen
- Komplexitätsgrade der Interaktion
- Phasen von Nachhaltigkeitstransfer
- Querschnittsaufgaben
- Organisatorisch-strukturelle Rahmenbedingungen und Handlungsfelder der Hochschule
- Nachhaltigkeitsausrichtung von Transfer
Anhand dieser Merkmale können einzelne Aktivitäten von Nachhaltigkeitstransfer über die sehr unterschiedlichen Ausprägungen hinweg systematisch beschrieben werden. Dies bietet eine konzeptionelle Orientierung und unterstützt eine zielgerichtete Konzeption von Nachhaltigkeitstransfer. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitstransfer wird von den eingesetzten Formaten und der Gestaltung des Transferprozesses geprägt.
Transferbeispiel „InnoForum Ökolandbau Brandenburg“
Das InnoForum Ökolandbau Brandenburg schafft für Akteur*innen der Wirtschaft und Wissenschaft eine offene Plattform, um sich auszutauschen, neue Lösungen zu finden und auszuprobieren. Dort sind die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde mit den beiden Studiengängen Ökolandbau und Vermarktung (B.Sc.) und Öko-Agrarmanagement (M.Sc.), 30 Partnerbetriebe aus der Region sowie rund 50 assoziierten Praxispartner*innen entlang der Wertschöpfungskette zusammengeschlossen. Eine eigene Koordinierungsstelle an der HNE Eberswalde unterstützt kontinuierlich den formellen und informellen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Für eine konstruktive Zusammenarbeit ist Kommunikation auf Augenhöhe besonders wichtig, um einen fruchtbaren Ideen- und Erfahrungstransfer zu fördern. Gemeinsam schaffen die Akteur*innen einen Raum, der Innovations- und Übernahmeprozesse im Ökolandbau Brandenburg entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht. Das InnoForum ruht auf drei Säulen:
Der Stifterverband und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) haben 2017 dem InnoForum den Ars legendi-Preis für exzellente Hochschullehre zum Thema "Praktika und Praxisbezüge" vergeben. Mehr Informationen online unter http://innoforum-brandenburg.de |
Rahmenbedingungen und Handlungsfelder der Hochschule
Voraussetzungen für Transfer und Nachhaltigkeitstransfer sind zum einen ein Verständnis von Transfer und geeignete organisatorisch-strukturelle Rahmenbedingungen. Die Eigenschaften und Ausprägungen von Nachhaltigkeitstransfer unterscheiden sich auch, je nachdem in welchem Handlungsfeld der Hochschule sie angesiedelt werden (Lehre und Forschung). Abbildung 1 gibt einen Überblick über den Zusammenhang von Nachhaltigkeitstransfer mit den Rahmenbedingungen und Handlungsfeldern von Hochschulen.
Organisatorisch-strukturelle Rahmenbedingungen: Bei der konkreten Umsetzung von Nachhaltigkeitstransfer spielen die jeweiligen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Von ihnen hängt ab, welche Spielräume Transferakteur*innen haben und welche Formen von Nachhaltigkeitstransfer möglich sind. Dadurch wird die große Spannbreite potenziell denkbarer Varianten von Nachhaltigkeitstransfer eingeschränkt. Die Rahmenbedingungen tragen erkennbar zum Gelingen – oder Scheitern – von Vorhaben und Projekten des Nachhaltigkeitstransfers bei. Die Transferakteur*innen können mittels einer Analyse der Rahmenbedingungen abschätzen, welche Art der Gestaltung von Nachhaltigkeitstransfer realistisch ist. Die Rahmenbedingungen können unterschieden werden in:
- die externen Strukturbedingungen, die nicht durch die einzelne Hochschule beeinflusst werden können und
- die organisatorischen Bedingungen an der Hochschule, die von dieser selbst gestaltet werden.
Zu den externen Strukturbedingungen zählen rechtliche Regelungen für Hochschulen, Wissenschaft und Praxis-Hochschul-Kooperationen, die die Handlungsspielräume der Akteur*innen regeln. Dazu gehören die Hochschulgesetze und weitere Vorgaben zu Lehre und Forschung. Weiterhin sind die Ressourcenzuteilung wie Fördermittel und Forschungsbudgets (auch auf Seiten der Praxis) und die damit verbundenen Anreizsysteme relevant. Beispiele dafür sind die Hochschul- und Förderprogramme, die im Hinblick auf (Nachhaltigkeits-)Transfer ganz unterschiedliche Signale aussenden können. Auch das gesellschaftliche Interesse an Praxis-Hochschul-Kooperationen und die damit verbundene Reputation wirken sich aus.
Zu den organisatorischen Bedingungen für Nachhaltigkeitstransfer zählen zunächst formelle Regelungen wie Prüfungsordnungen und Curricula, Forschungsagenden sowie direkt den Transfer betreffend Kooperationsvereinbarungen, Regelungen für Praktika, Patente etc. Einen großen Einfluss hat die strategische Ausrichtung der Hochschule. Die Hochschulleitung kann den Themen Transfer und nachhaltige Entwicklung einen unterschiedlichen Stellenwert gegenüber anderen Themen, wie beispielsweise Forschungs- versus Anwendungsorientierung, Zugang zu Drittmitteln, Digitalisierung oder das Werben um Studierende einräumen. Hochschul-Governance kann Nachhaltigkeitstransfer unterstützen, z.B. durch eine Transferstrategie und/oder Nachhaltigkeitsstrategie (vgl. HOCHN-Leitfaden Governance).
Beispiel: Transferstrategie für Nachhaltigkeit |
Sehr konkret kann Nachhaltigkeitstransfer organisatorisch z.B. durch Transferstellen, Nachhaltigkeitsbeauftragte und ähnliche Einrichtungen an der Hochschule gefördert werden. Neben den Ressourcen für solche Einrichtungen, sind auch Unterstützungssysteme für Transferakteurinnen an der Hochschule und in der Praxis sinnvoll. Hilfreich kann ein Schnittstellenmanagement für Transfer sein, das die Transferakteur*innen systematisch unterstützt, z.B. bei der Anbahnung von Kontakten zwischen Hochschule und Praxis, bei der Informationssuche und Themenfindung oder durch eine organisatorische Begleitung der Transferaktivitäten. Es kann zwischen den verschiedenen Transferakteur*innen mit ihren jeweiligen Handlungs- und Erfolgslogiken vermitteln und zwischen den verschiedenen Sprachen „übersetzen“. Nicht zuletzt kann ein Schnittstellenmanagement klären, wer welche Aufgaben und Verantwortung übernimmt und Ressourcen beisteuert. Darüber hinaus kann ein solches Transfer- oder Schnittstellenmanagement die Kommunikation zum Nachhaltigkeitstransfer übernehmen, den Erfahrungsaustausch anleiten und dadurch eine kooperative Kultur des Austausches zwischen Praxis und Hochschule fördern.
Tabelle 1: Übersicht über Rahmenbedingungen von (Nachhaltigkeits-)Transfer
Übersicht über Rahmenbedingungen für (Nachhaltigkeits-)Transfer |
externen Strukturbedingungen
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hochschulinterne, organisatorische Bedingungen
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Handlungsfelder Lehre und Forschung: Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre ist dadurch charakterisiert, dass Lehr-Lern-Prozesse in reale berufliche und soziale Kontexte eingebettet werden. Durch Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre kann ein expliziter Praxisbezug hergestellt werden: Praktiker*innen berichten im Hörsaal, Studierende suchen nach Lösungen für Praxisprobleme oder es entstehen Lernprozesse zu Nachhaltigkeit von Studierenden, Praktiker*innen und Lehrenden gemeinsam. Es geht um ein anwendungsorientiertes und theoriegeleitetes Lernen in der Praxis, für die Praxis und mit der Praxis. Durch den Einbezug von Praxisakteur*innen werden neue Lehr-Lern-Kontexte geschaffen, bei denen Studierende selbst zu Transferakteurinnen werden können [21][22]. Nachhaltigkeitstransfer unterstützt damit die Kompetenzorientierung von Lernprozessen im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) durch eine Einbettung in reale Kontexte. Dadurch können Studierende ihr Theorie- und Methodenwissen aus dem Studium in der Berufs- und Lebenswelt anwenden und vertiefen. Sie begeben sich in Lern- und Aushandlungsprozesse, kommunizieren mit verschiedenen Akteur*innen und nehmen unterschiedliche Rollen ein. Sie müssen sich selbst Ziele setzen und ihr Handeln kritisch prüfen. So erwerben sie sozial-kommunikative und personale Kompetenzen, die sich durch traditionelle, stark kognitiv ausgerichtete Lehre im Hörsaal nur schwer entwickeln lassen. Des Weiteren sind sie stärker gefordert, ihre Lernprozesse selbst mit zu gestalten und zu organisieren. Die Praxispartner*innen erhalten Ideen und Zugang zu forschungsbasiertem Wissen, die Lehrenden erlangen tiefere Einblicke in praktische Nachhaltigkeitsprobleme und neue Anregungen für Lehre und Forschung. Das Diskussionspapier „Transfer stärkt Lehre. Wie Nachhaltigkeitstransfer Hochschullehre inspirieren kann“ führt die Wirkungen von Nachhaltigkeitstransfer auf [22]. Beispiele sind studentische Projektarbeiten und Abschlussarbeiten mit Transferpartner*innen, duale Studiengänge, Praktika, Service-Learning, Mitwirkung von Transferpartner*innen in der Lehre, Mentoring und Coaching.
Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung adressiert aktuelle Problemlagen im Austausch mit Praxisakteur*innen, um wissenschaftliche Erkenntnisse in die Gesellschaft hineinzutragen und um umgekehrt gesellschaftliche Impulse aufzunehmen. Nachhaltigkeitsprobleme sind in der Regel hochkomplex und berühren mehrere wissenschaftliche Disziplinen sowie gesellschaftliche Felder. Häufig lässt sich diese Komplexität erst im branchen- und disziplinenübergreifenden Austausch von Wissen und Erfahrungen erfassen und verstehen. Im Rahmen einer transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung kann das Praxiswissen wissenschaftsexterner Akteur*innen in den Forschungsprozess integriert werden, um praxisrelevante Forschungsbedarfe zu identifizieren und entsprechende Lösungen in Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis zu entwickeln. Deshalb kann sich Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung von den Konzepten transdisziplinärer und transformativer Nachhaltigkeitsforschung inspirieren lassen, die in Kooperation mit Praxispartner*innen einen Beitrag zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen anstreben (Nölting et al. 2020). Beispiele sind Forschungskooperationen, Gründungen, Patent- und Lizenzvereinbarungen, Ko-Publikationen, Gutachten und Mitwirkung in Beratungsgremien.
Nachhaltigkeitsausrichtung von Transfer
Um Nachhaltigkeit konsequent und wirksam in der jeweiligen Transferaktivität zu verankern, schlagen wir drei verschiedene Zugänge vor. Diese können in der kombinierten Anwendung den Beitrag des Transfers zur nachhaltigen Entwicklung unterstützen:
- gemeinsame und explizite Beschreibung der Nachhaltigkeitsziele,
- Einschätzung und Evaluation der Nachhaltigkeitswirkung,
- Reflexion und kompetenzorientierte Gestaltung der Lernprozesse.
Nachhaltigkeitsziele
Nachhaltigkeitsziele geben den Transferakteur*innen eine Orientierung, sie motivieren und sie tragen dazu bei, das Handeln der verschiedenen Beteiligten zu bündeln und zu fokussieren. Und sie machen deutlich, mit welchem Anspruch nachhaltige Entwicklung vorangetrieben werden soll. Für das Ausarbeiten von Nachhaltigkeitszielen gibt es zwei Herangehensweisen: Erstens können die Transferakteur*innen eigene Nachhaltigkeitsziele für ihre Transferaktivität entwickeln. Bezugspunkte für solche intern hergeleiteten Ziele bilden das Nachhaltigkeitsverständnis der Transferakteur*innen, das sich z.B. an deren Nachhaltigkeitsleitbildern ablesen lässt. Weiterhin können die Nachhaltigkeitsprinzipien – Effizienz, Konsistenz, Suffizienz – benannt werden, die im Vordergrund stehen. Zweitens können sich die Transferakteur*innen auf extern formulierte Nachhaltigkeitsziele wie die SDGs, die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie oder handlungsfeldspezifische Ziele (z.B. Energiewende, Agrarwende) berufen. Solche Ziele haben den Vorteil, dass sie gesellschaftlich anerkannt und in der Regel auch wissenschaftlich geprüft worden sind (Nölting et al. 2020).
Idealerweise werden die Nachhaltigkeitsziele von allen Transferakteur*innen gemeinsam und in einem Wechselspiel von internen und externen Begründungen erarbeitet. Dabei werden externe, eher abstrakte Ziele auf das konkrete Problem und den Lösungsraum der jeweiligen Transferaktivität heruntergebrochen. Umgekehrt richten sich selbst formulierte Nachhaltigkeitsziele an externen Anforderungen jenseits des Projektkosmos aus. Dabei sollten Kontroversen um Nachhaltigkeit aufgegriffen und mögliche Spannungsfelder oder Konflikte benannt werden. Nachhaltigkeitsziele können bezüglich ihrer Reichweite in operative (z.B. Lösung von konkreten, abgegrenzten Nachhaltigkeitsproblemen), strukturelle (z.B. Stärkung der Handlungsfähigkeit der Akteurinnen) und strategische (z.B. Beitrag zur Nachhaltigkeitstransformation) Nachhaltigkeitsziele unterschieden werden.
Die Beschreibung der Nachhaltigkeitsziele erfordert eine Beschäftigung aller Beteiligten mit Nachhaltigkeit und ermöglicht dadurch ein gemeinsames und vertieftes Verständnis dieser komplexen Thematik. Der gemeinsame Diskurs führt im nächsten Schritt zu der Überlegung, auf welche Weise die gesetzten Ziele zu erreichen sind, d.h. auf welche Weise die Transferaktivität nachhaltig wirken soll.
Nachhaltigkeitswirkung
Die Nachhaltigkeitswirkung von Transfer ist im Sinne der Definition zentral. Jedoch ist eine eindeutige Wirkungszuschreibung oder -messung von Nachhaltigkeitstransfer in der Regel sehr schwierig, weil sich einzelne Ursache-Wirkungs-Beziehungen der Transferaktivität in komplexen, realweltlichen Gemengelagen nur schlecht von anderen Umwelteinflüssen abgrenzen lassen. Wirkungen treten mit zeitlicher Verzögerung sowie räumlicher und funktionaler Verschiebung auf und bringen (unerwünschte) Nebenfolgen mit sich. Weil aber das Ziel der Transferaktivität ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung ist, muss die Nachhaltigkeitswirkung so früh wie möglich im Prozess mitgedacht und konzeptionell verankert werden (Nölting et al. 2020).
Um diese abzuschätzen bietet sich die Orientierung an der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung an. Hier gibt es eine breite Debatte zur Nachhaltigkeitswirkung transdisziplinärer Forschung [23][24]. Das Konzept der Wirkungsgrade (Bergmann et al. 2017) verbindet verschiedene Ansätze der Wirkungsbeschreibung von Forschung in Bezug auf Nachhaltigkeit und kann auch für Aktivitäten in Lehre und Third Mission herangezogen werden. Die Wirkungen werden anhand des räumlichen, zeitlichen und Akteursbezugs beschrieben sowie anhand von Wirkungsformen (Lernprozesse, Capacity Building, Netzwerkeffekte, Verbesserung der konkreten Situation) und anhand von Ergebnistypen (außerwissenschaftliche Ergebnisdarstellung, Leitfäden/Instrumente sowie Veränderungen im Feld). Anhand dieser Merkmale kann (Nachhaltigkeits-)Wirkung differenziert aber auch graduell beschrieben werden. Es werden drei Wirkungsgrade unterschieden [25]:
- Wirkungen ersten Grades sind unmittelbare auf den zeitlichen, räumlichen und akteursbezogenen Rahmen der Transferaktivität bzw. der Praxis-Hochschul-Kooperation (Projekt) begrenzt. Es werden die konkreten Anliegen und Themen der Transferpartnerinnen bearbeitet, z.B. Integration von Wissensbeständen aus Wissenschaft und Praxis oder die Erarbeitung von kontextspezifischem, fallbezogenen Handlungswissen mit Praxisakteurinnen. Eine Wirkung ist hier vorrangig in Form von Lernprozessen vorhanden, abhängig von Inhalt und Ausrichtung können auch weitere Wirkungsformen (Capacity-Building, Netzwerkeffekte, Verbesserung der konkreten Situation) auftreten.
- Bei Wirkungen zweiten Grades werden Ergebnisse über die Gruppe der unmittelbar beteiligten Transferpartnerinnen hinaus von weiteren Akteurinnen im breiteren räumlichen und zeitlichen Kontext genutzt. Die Transferpartnerinnen verbreiten ihr Wissen über die unmittelbare Praxis-Hochschul-Kooperation hinaus z.B. durch peer-to-peer Austausch (Weitersagen, Arbeitsgruppen…), Zusammenarbeit mit Intermediären (Verbände, Berater…) oder Koordinator*innen von Transferaktivitäten in anderen Projekten oder Kontexten vor Ort (Imitation). Die Ergebnistypen sind hierbei besonders wichtig: die außerwissenschaftliche Ergebnisdarstellung in Form von Präsentationen, Workshops etc., die Erstellung von Handreichungen oder Leitfäden oder die Produktion von Prototypen. Alle Wirkungsformen sind möglich.
- Wirkungen dritten Grades vervielfältigen die Wirkungen unabhängig vom Projektbezug und den Transferpartnerinnen im gesamten Handlungsfeld, z.B. durch Institutionalisierung (gleicher Kontext, aber zeitliche Verstetigung) oder Imitation in anderen räumlichen und akteursbezogenen Kontexten, z.B. eine Anpassung rechtlicher Regelungen oder eine Einführung von Labels oder Standards. Dafür sind die Wirkungen der vorigen Wirkungsgrade (Wirkungsform und Ergebnistypen) die Voraussetzung.
- Anhand der Wirkungsgrade kann die angestrebte Nachhaltigkeitswirkung einzelner Transferaktivitäten beschrieben werden. Sinnvoll ist es, dies bereits bei der Konzeption miteinzubeziehen, um einen Bezugsrahmen für die spätere Evaluation der Nachhaltigkeitswirkung zu schaffen. Einen angeleiteten Einstieg für wirkungsorientierte Aktivitäten bietet u.a. das „Kursbuch Wirkung“ [26], allerdings ohne einen Nachhaltigkeitsbezug. Für die Konzeption der Wirkung(sgrade) können folgende Fragen helfen:
- Auf welche Akteur*innen soll die Transferaktivität wirken? Wie groß ist bzw. soll der Radius der „Wirkungsbetroffenen“ sein?
- Wo soll die Transferaktivität räumlich und funktional Wirkung zeigen? Auf welchen Raum ist sie bezogen? Welche Handlungsfelder, Sektoren und gesellschaftlichen Funktionen werden angesprochen?
- Wann soll sich die Nachhaltigkeitswirkung zeigen? Im Verlauf der Aktivität? Mit Abschluss der Aktivität? Nach dem Abschluss?
- Welche Wirkungsform steht im Vordergrund? Sollen Lernprozesse ermöglicht, Capacity-Building (Kapazitätsaufbau) für eine nachhaltige Entwicklung betrieben werden? Sollen Akteur*innen vernetzt werden? Oder soll die Verbesserung einer konkreten Situation erreicht werden? In welchem dieser Bereiche liegen die Schwerpunkte der Transferaktivität? Wo muss mit Nebenfolgen gerechnet werden?
- Mit welchen Ergebnistypen soll die Nachhaltigkeitswirkung erreicht werden? Welche Art von Ergebnissen braucht es, um die angestrebte Nachhaltigkeitswirkung zu erzielen? Geht es um die Entwicklung von Instrumenten, Leitfäden, Prototypen? Oder braucht eine ganz andere Art von Ergebnis?
Auf Basis der Überlegungen zur Nachhaltigkeitswirkung können konkrete und spezifische Kriterien entwickelt werden. Je umfassender die Nachhaltigkeitswirkungen von Projekten belegt werden sollen, desto aufwändiger ist in der Regel das Verfahren zur Entwicklung der Kriterien und deren Erhebung. Daher sollte jeweils abgeschätzt werden, welcher Aufwand notwendig und umsetzbar ist [6].
Stimme Transferexpert*in: „Verbunden mit der Frage nach Forschungsimpact, wird der Transferimpact kommen. Dann sind wir gut beraten, das vorgedacht zu haben und anschlussfähig zu sein. Aber dann ist es umso heikler, dem einen zu sagen, du machst guten, du machst schlechten Transfer. […] Das gibt noch spannende Diskussionen in Zukunft. Ich habe keine Lösung dafür.“ (Expert*in 02) |
Reflexion
Reflexion ist ein zentrales Merkmal von Nachhaltigkeitstransfer. Das jeweils zugrunde gelegte Nachhaltigkeitsverständnis und die angestrebte Gemeinwohlorientierung lassen sich nicht allein wissenschaftlich begründen, sondern beruht auf der Aushandlung zwischen den Beteiligten. Wissenschaft kann durch theoretisches und empirisches Wissen, durch methodische Kompetenz sowie deliberative Diskursführung wichtige Kompetenzen in diesen Prozess einbringen. Reflexion ist nicht nur für die Nachhaltigkeitsausrichtung des Transfers und die Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen erforderlich, sondern auch für das Vermeiden von Risiken, das Erkennen „blinder Flecken“ und Nebenfolgen, für den Umgang mit Nicht-Wissen und Unsicherheit etc. In allen Phasen von Nachhaltigkeitstransfer, von der Initiierung bis hin zur Ergebnissicherung, kann Reflexion wesentlich zur Qualität des Transfers und zum Nutzen aller Beteiligten beitragen. Das gilt weiter für die Auswertung und Aufbereitung der Ergebnisse von Nachhaltigkeitstransfer und deren ethische Reflexion, auf die auch im Nachhaltigkeitsverständnis von HOCHN verwiesen wird.
Darüber hinaus kann und sollte Nachhaltigkeitstransfer dazu beitragen, die Kompetenz der Transferakteur*innen für nachhaltige Entwicklung im Sinne einer BNE zu verbessern. Das Potenzial von Nachhaltigkeitstransfer kann insbesondere dann ausgeschöpft werden, wenn sich alle Beteiligten als Lernende in einem Entwicklungsprozess für nachhaltige Entwicklung verstehen. Ein Aufbrechen starrer Rollen, beispielsweise von „Lernenden“ und „Lehrenden“, sowie ein Wechsel zwischen verschiedenen Rollen und Perspektiven gibt Impulse für Lernprozesse und ermöglicht damit die Weiterentwicklung von Kernkompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung bei allen Transferakteur*innen. Die Reflexion von individuellen und gemeinsamen Lernprozessen bei Nachhaltigkeitstransfer hilft dabei, die Prozesse und Ergebnisse zu verbessern und sollte deshalb systematisch im Transfer verankert werden.
Umsetzung von Nachhaltigkeitstransfer im Hochschulalltag
Da die Vielfalt der Umsetzungsmöglichkeiten von Nachhaltigkeitstransfer nur näherungsweise beschrieben werden kann, geben wir im Folgenden zunächst einen Überblick über mögliche Transferformate in Forschung, Lehre und Third Mission. Anschließend wird der idealtypische Verlauf von Nachhaltigkeitstransfer in vier Phasen (Initiierung, Konzeption, Umsetzung, Ergebnissicherung) skizziert und die Querschnittsaufgaben „Reflexion“ und „Prozessmanagement“ erläutert. Die Phasen und Querschnittsaufgaben können auf die Handlungsfelder Lehre und Forschung angewandt werden.
Formate von Nachhaltigkeitstransfer
Es gibt eine große Bandbreite an Formen und Formaten, um Nachhaltigkeitstransfer konkret umzusetzen. Diese bezeichnen wir als Transferformate, die den Hochschulfunktionen Lehre, Forschung und Third Mission zugeordnet werden können. In der Lehre werden Lehr-Lern-Prozesse in reale, lebensweltliche Kontexte eingebettet. Forschung erfolgt für und mit Praxispartner*innen zur Lösung von realen, lebensweltlichen Problemen, wobei z.B. Ansätze transdisziplinärer Nachhaltigkeitsforschung genutzt werden. Bei Third Mission werden organisatorische Unterstützungsstrukturen und Wissenschaftskommunikation der Hochschule für Transfer gestärkt (König et al. 2020).
Stimme Transferexpertin: „Ich würde grundsätzlich die Unterscheidung zwischen den Transferformaten hinsichtlich der Zielgruppen machen. D. h. ein gutes Transferformat in die Zielgruppe Wirtschaft hinein sind Unternehmensbesuche, Unternehmerfrühstück und Abendveranstaltungen, die rein dem Austausch und Kennenlernen dienen. […] Wenn es um gesellschaftliche Gruppen geht, im Sinne von NGOs, Non-Profit-Organisationen, Vereine und Sozialverbände, könnte ich mir ein ähnliches Format vorstellen. […] Bei der Zielgruppe Bürger, Schüler, Lehrer, also bei den ganzen Multiplikatoren, die es in dem Kontext gibt, sind Ausstellungen oder Informationsmaterialien eine gute Möglichkeit, weil man da erstmal reinkommen muss.“ (Expert*in 01) |
In Tabelle 1 geben wir eine Übersicht über das breite Spektrum möglicher Transferformate, um das Konzept des Nachhaltigkeitstransfers zu konkretisieren und Anknüpfungspunkte an bereits bestehende Austausch- und Transferaktivitäten veranschaulichen.
Tabelle 1: Beispiele von Transferformaten verschiedener Komplexitätsgrade
Komplexitätsgrad | Beispiele für Transferformate | ||
Handlungsfeld Lehre
Lehr-Lern-Prozesse werden in reale, lebensweltliche Kontexte eingebettet (Ansätze z.B. Bildung für nachhaltige Entwicklung, BNE) |
Handlungsfeld Forschung
Forschung erfolgt für und mit Praktikerinnen zur Lösung von realen, lebensweltlichen Problemen (Ansätze z.B. transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung) |
Handlungsfeld Third Mission
Organisatorische Unterstützungsstrukturen der Hochschule für Transfer | |
Angebotsorientierung
von der Hochschule aus |
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Austausch
für die Praxis |
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Ko-Produktion
gemeinsam mit der Praxis |
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Zusammenfassung und Fazit: Transfer als ein Treiber für nachhaltige Entwicklung an Hochschulen?
Zusammenfassung
Transfer wird von vielen Akteur*innen und Hochschulen praktiziert und für immer mehr Hochschulen gehört Transfer zum Selbstverständnis und ist Teil der Hochschulstrategie. Unter Transfer verstehen wir den Austausch von Technologien, Wissen, Ideen und Erfahrungen zwischen Hochschulen und Akteurinnen aus der Praxis. Zur Praxis zählen Wirtschaft, Politik, Verwaltungen, Kommunen, Verbände und andere zivilgesellschaftliche Organisationen, Initiativen, Bildungseinrichtungen und Bürger*innen. Der Austausch in Praxis-Hochschul-Kooperationen dient vorrangig der Bearbeitung praktischer Probleme aus der Gesellschaft. Dabei werden alle Handlungsfelder der Hochschule einbezogen: Lehre, Forschung und Third Mission.
Unter Nachhaltigkeitstransfer verstehen wir solche Transferaktivitäten, deren Ziel ein Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung in der Gesellschaft ist. Nachhaltigkeitstransfer ist charakterisiert durch (explizite) Nachhaltigkeitsziele der einzelnen Transferaktivitäten und eine Beschreibung der jeweils angestrebten Nachhaltigkeitswirkung. Ergebnisse von Nachhaltigkeitstransfer sind a) Beiträge zu nachhaltiger Entwicklung wie Modelle, Projekte, Technologien, Konzepte, Lösungen, Tests oder Diskussionen über Nachhaltigkeit und b) die Stärkung der Kernkompetenz aller Beteiligten für nachhaltige Entwicklung durch gemeinsame Lernprozesse.
Das Verbundprojekt HOCHN hat ein gemeinsames Nachhaltigkeitsverständnis entwickelt: Das Nachhaltigkeitsprinzip wird als sozial-ökologische, ökonomische und kulturelle Aufgabe verstanden, die natürlichen Lebensgrundlagen für alle Menschen weltweit einschließlich der nachfolgenden Generationen zu erhalten. Nachhaltige Entwicklung umfasst einen offenen, pluralen Suchprozess mit vielfältigen Zielkomponenten, der eine gesellschaftliche Transformation entsprechend dieses normativen Prinzips anstrebt und dabei alle gesellschaftlichen Bereiche integriert [27].
Hochschulen kommt dabei eine Reflexionsaufgabe und Impulsfunktion für die Nachhaltigkeitstransformation zu. Sie bringen in diesen Prozess empirisches und theoretisches Wissen, Methodenkompetenz und Reflexionsfähigkeit als besondere Stärken ein. Hochschulen können in sektorübergreifenden Zusammenhängen denken, um tragfähige Lösungen zum Umgang mit den großen Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln und deren Auswirkungen ethisch zu reflektieren.
Transfer findet eingebettet in die organisatorisch-strukturellen Rahmenbedingungen der Hochschulen und in den drei Handlungsfeldern Lehre, Forschung und Third Mission statt. Dabei ist Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre eng mit dem Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verknüpft, bei dem ein umfassender Kompetenzerwerb der Lernenden für eine Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse im Fokus steht. Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung adressiert und bearbeitet aktuelle, komplexe und disziplinübergreifende Problemlagen in Kooperation mit Praxisakteur*innen, wobei die transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung konzeptionell und methodisch Orientierung bieten kann, um geeignete Lösungen zu entwickeln, zu testen und zu implementieren. Nachhaltigkeitstransfer in Third Mission fokussiert Kommunikation, Austauschformate, Netzwerkmanagement und Ressourcenbereitstellung und schafft dadurch Rahmenbedingungen und Unterstützungsstrukturen für Nachhaltigkeitstransfer.
Die Nachhaltigkeitsausrichtung wird durch die gemeinsame und explizite Bestimmung der Nachhaltigkeitsziele der Transferaktivität, die konzeptionelle Verankerung der Nachhaltigkeitswirkung, und die kompetenzorientierte Gestaltung der Lernprozesse sowie die prozessbegleitende Reflexion gestärkt.
Nachhaltigkeitstransfer kann unterschiedliche Formen annehmen und ein breites Spektrum abdecken, je nachdem, in welchem Handlungsfeld es angesiedelt ist, welche Themen bearbeitet werden und welche Transferpartner*innen beteiligt sind. Um die Vielfalt der möglichen Interaktionen analytisch erfassbar zu machen, wurden drei Komplexitätsgrade bestimmt. Beim Komplexitätsgrad Angebotsorientierung erfolgt Nachhaltigkeitstransfer einseitig von der Hochschule in die Praxis, es dominieren Technologie- und Wissenstransfer, wobei mit vergleichsweise geringem Aufwand viele Adressaten erreicht werden können. Beim Komplexitätsgrad Austausch gibt es eine wechselseitige Interaktion und Feedback-Schleifen zurück an die Hochschulakteur*innen bei einer mittleren Austauschintensität. Der Komplexitätsgrad Ko-Produktion zeichnet sich durch eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, eine sehr hohe Interaktionsintensität mit einem relativ hohen Ressourceneinsatz und geringer Anzahl an Beteiligten aus. Die Formate, mit denen Nachhaltigkeitstransfer realisiert wird, werden abhängig vom Handlungsfeld, Themen, Akteurinnen, der Zielsetzung und des Komplexitätsgrades ausgewählt.
Der Prozess von Nachhaltigkeitstransfer im Hochschulalltag kann idealtypisch in vier Phasen gegliedert werden: Initiierung, Konzeption, Umsetzung, Ergebnissicherung. In diesen Phasen gibt es jeweils spezifische Aufgaben und Anforderungen. Hinzu kommen zwei Querschnittsaufgaben, die über alle Phasen hinweg geleistet werden müssen, zum einen ein zielgerichtetes Prozessmanagement zum anderen eine systematische Reflexion des Transferprozesses. Je nach Handlungsfeld sind die Zielsetzungen und die sich daraus ergebenden Aufgaben in den Phasen verschieden.
Für die Handlungsfelder Forschung und Lehre werden die Aufgaben deswegen in diesem Leitfaden spezifisch operationalisiert und in einer Übersichtsmatrix zusammengeführt. Damit können Transferakteur*innen für die einzelnen Phasen kritische Punkte identifizieren und ihre Aktivitäten einordnen. Diese (Selbst-)Einschätzung wird durch eine Checkliste mit Fragen zu allen Phasen unterstützt.
Potenziale und Grenzen von Nachhaltigkeitstransfer
Der Leitfaden verdeutlicht, dass Nachhaltigkeitstransfer angesichts der enormen Bandbreite an Themen, Akteur*innen, Formaten etc. stark kontextspezifisch ist. Insofern stellt sich die Frage nach der Allgemeingültigkeit der hier angestellten Überlegungen. Es gibt sicherlich kein Patentrezept für Nachhaltigkeitstransfer, das über alle Konstellationen und Ausgangsbedingungen hinweg Gültigkeit beanspruchen könnte, sondern Nachhaltigkeitstransfer ist so vielfältig und offen wie nachhaltige Entwicklung selbst. Umgekehrt lassen sich für nachhaltige Entwicklung Ziele und Leitplanken formulieren, die dann auch für Nachhaltigkeitstransfer gelten können. Nachhaltigkeitstransfer ist also nicht beliebig. Er ist in Lehre und Forschung verankert und kann auf diese Weise die wissenschaftlichen Kompetenzen der Hochschule in der Kooperation mit Praxisakteur*innen fruchtbar machen. Hierbei kann in der Lehre auf BNE und in der Forschung auf transdisziplinäre und transformative Nachhaltigkeitsforschung zurückgegriffen werden. Dadurch können Beiträge zur Lösung gesellschaftlicher Nachhaltigkeitsprobleme geleistet werden – allerdings nicht einseitig von Seiten der Hochschule aus, sondern in der Kooperation von Hochschule und Praxis gemeinsam.
Diesbezüglich zeichnen sich auch Grenzen von Nachhaltigkeitstransfer ab. So hängt der Erfolg maßgeblich von der jeweiligen Konstellation der Akteur*innen und den Rahmenbedingungen ab und lässt sich vorab nur begrenzt planen und steuern. Nicht immer kommt Nachhaltigkeitstransfer zustande, nicht immer lässt sich eine Transferaktivität wie geplant umsetzen. Aus der Darstellung der Komplexitätsgrade wird auch deutlich, dass eine zunehmende Intensität der Interaktion einen erhöhten Zeit- und Ressourcenaufwand erfordert und zugleich die Anzahl der Transferbeteiligten abnimmt. Nicht zuletzt ist Nachhaltigkeitstransfer an vielen Hochschulen in der Regel noch nicht als wichtige Aufgabe etabliert. Methoden und Instrumente für Nachhaltigkeitstransfer sind vielfach noch in der Entwicklung. Ein Schnittstellenmanagement, das die Akteur*innen beim Nachhaltigkeitstransfer organisatorisch unterstützt, ist häufig ausbaufähig. Darüber hinaus können die Anreiz- und Unterstützungssysteme für Nachhaltigkeitstransfer an den Hochschulen noch verstärkt werden. Hierzu kann die Hochschulpolitik einen wesentlichen Beitrag leisten.
Eine besondere Herausforderung stellt die Erfassung und Bilanzierung der Wirkungen von Nachhaltigkeitstransfer dar. Hierbei gilt es, eine Balance zwischen einer qualitativen Abschätzung und pragmatischen, handfesten Kriterien und Indikatoren, die sich mit vertretbarem Aufwand erheben lassen, zu finden. Dabei müssen Vereinfachungen sorgfältig abgewogen werden, damit Wirkung nicht auf das reduziert wird, was sich gut quantifizieren und messen lässt. Eine Wirkungsbilanzierung ist nicht nur eine Absicherung gegen Greenwashing, sondern auch die Voraussetzung für eine Qualitätsverbesserung von Nachhaltigkeitstransfer. Deswegen ist es sinnvoll, den Wirkungsbezug von Beginn an konzeptionell zu verankern. Orientierung können das Modell der Bilanzierung von Third Mission [6] oder das Konzept der Wirkungsgrade bieten.
Fazit
Der Leitfaden zeigt Potenziale und Chancen von Nachhaltigkeitstransfer zum einen für nachhaltige Entwicklung in der Gesellschaft und zum anderen für eine Weiterentwicklung von Hochschulen auf. Gerade im Austausch mit der Praxis, in der gemeinsamen Arbeit auf Augenhöhe, in der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen und Herausforderungen und der Reflexion gemeinsamer Erfahrungen ergeben sich wertvolle Impulse für Hochschulen, die mitten in der Gesellschaft stehen und ihre wissenschaftlichen Stärken einbringen und weiterentwickeln. Folgt man diesem Gedanken, kann man die Frage stellen, ob nachhaltige Entwicklung an Hochschulen und deren Weiterentwicklung ohne Nachhaltigkeitstransfer, d.h. ohne einen aktiven und auch praktisch orientierten Austausch mit Praxisakteur*innen, überhaupt möglich ist (Nölting et al. 2020). Daran schließen sich weitere Fragen an: Auf welche Weise kann der Mehrwert, den Nachhaltigkeitstransfer für Hochschulen (und Gesellschaft) produziert, dauerhaft gesichert werden? Will man die positiven Effekte von Nachhaltigkeitstransfer systematisch nutzen, braucht es eine institutionelle Verankerung von Nachhaltigkeitstransfer im Sinne eines Whole Institution Approaches [28]. Mit einem gesamtinstitutionellen Ansatz kann Nachhaltigkeitstransfer in die Strategien der Hochschulen eingebettet werden. Durch den Aufbau organisatorischer Strukturen sowie die Implementation von Anreiz- und Förderungssysteme durch die Hochschulpolitik können Hochschulakteur*innen bei der Initiierung, Konzeption und Durchführung von Nachhaltigkeitstransfer unterstützt werden.
Mehr Informationen
Mehr Informationen zur konkreten Umsetzung von Nachhaltigkeitstransfer finden sie in unserer Handreichung zu Nachhaltigkeitstransfer.
Für Akteurinnen im Handlungsfeld der Lehre gibt es außerdem eine Handreichung zu Nachhaltigkeitstransfer in der Lehre.
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