Reallabor

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Reallabore (englisch Real-world lab) sind hybride Gebilde an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Der Begriff Reallabor stammt ursprünglich aus der transdisziplinären und transformativen Nachhaltigkeitsforschung und fand in den frühen 2010er Jahren Einzug in den wissenschaftlichen Diskurs. Er beschreibt eine besondere Art der Forschungs- und Entwicklungsumgebung, die sich nicht in abgeschlossenen Laboren, sondern direkt in der realen Lebenswelt befindet. In einem Reallabor werden wissenschaftliche Experimente und Entwicklungsprojekte unmittelbar innerhalb der Gesellschaft durchgeführt, wodurch experimentelle Freiräume entstehen, die neue Ideen und Innovationen praxisnah erforschen.

Reallabore sind somit Forschungsräume, die Wissenschaft in und mit der Gesellschaft betreiben. In einem solchen Labor arbeiten Forschende und gesellschaftliche Akteur:innen gemeinsam an der Entwicklung, Erprobung und Weiterentwicklung von zukunftsweisenden Lösungsansätzen unter realen Bedingungen. Die aktive Beteiligung von relevanten Akteur:innen aus der Gesellschaft ist zentral: Sie gestalten den Forschungs- und Entwicklungsprozess mit und bringen wertvolles Wissen und Perspektiven ein.

Im Kern geht es in Reallaboren um strukturiertes Experimentieren und das gemeinschaftliche Erproben und Verfeinern von innovativen Konzepten und Lösungsansätzen, die langfristig zur nachhaltigen und zukunftsfähigen Gestaltung unserer Lebenswelt beitragen sollen. [1][2]

Ein Reallabor bezeichnet eine transdisziplinäre Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, die dazu dient, in einem räumlich abgegrenzten gesellschaftlichen Kontext Nachhaltigkeitsexperimente durchzuführen, Transformationsprozesse anzustoßen und wissenschaftliche wie gesellschaftliche Lernprozesse zu verstetigen.[3]

Charakteristika

Reallabore sind an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft – sie betreiben Forschung für, in und mit und Bürgerschaft und Zivilgesellschaft, die partizipativ in die Prozesse eingebunden sind. Sie sind normativ ausgerichtet (Nachhaltigkeit) und haben einen transformativen Anspruch, wobei sie sich an dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung orientieren. Der Begriff Reallabor ist noch jung und Anlass zur wissenschaftlichen Diskussion. Dennoch haben sich neun Kerncharakteristika herausgebildet, die Reallabore charakterisieren.[4]

  1. Forschungsorientierung
  2. Transformativität und Gestaltung
  3. Normativität und Nachhaltigkeit
  4. Transdisziplinarität und Partizipation
  5. Zivilgesellschaftliche Orientierung
  6. Modellcharakter, Übertragbarkeit
  7. Langfristigkeit
  8. Laborcharakter und Experimentierraum
  9. Bildung (Lernen)

Die Kerncharakteristika sind auch in dem Film „Was ist ein Reallabor“ erklärt.

Bedeutung

  • Ermöglichen, bereits in der Frühphase einer Innovation Erkenntnisse über deren Potenziale und Risiken zu gewinnen. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Reallaboren können als Grundlage dienen, um später den rechtlichen Rahmen anzupassen und die betreffende Innovation in breiterem Umfang zu genehmigen.
  • Erleichtern und beschleunigen den Übergang von Innovationen in die Praxis und tragen dazu bei, dass Innovationen schneller skaliert werden können.
  • Spielen eine beschleunigende Rolle in der sozial-ökologischen Transformation. Sie bieten einen Raum, um zu erkunden, wie in einer zunehmend digitalen Welt wichtige Schutz- und Sicherheitsstandards aufrechterhalten werden können.
  • Fördern durch Raum für Beteiligung die gesellschaftliche Akzeptanz von Innovationen. [5]

Methoden

Realexperiment

Realexperimente sind eine zentrale Methodik in Reallaboren und dienen als zeitlich begrenzte Experimente zur schnellen Erprobung neuer Ideen. Im Gegensatz zu den langfristig angelegten Reallaboren, die über viele Jahre hinweg gesellschaftliche Wandlungsprozesse gestalten und begleiten, sind Realexperimente bewusst kurzzeitig angelegt. Während Reallabore als dauerhafte Infrastruktur einen flexiblen Raum für verschiedene Forschungs- und Entwicklungsprojekte bieten, nutzen Realexperimente diese Struktur temporär, um gezielt neue Lösungsansätze unter realen Bedingungen zu testen.[6]

weitere Experimentformen

  • die Erprobung und gesellschaftliche Kontextualisierung von technischen oder sozialen Inventionen und Prototypen
  • klassische natur- oder sozialwissenschaftliche Experimente (ohne trans-disziplinäre und transformative Ausrichtung) zur Generierung von Systemwissen
  • Selbstexperimente, bei denen Individuen begleitend eigene Handlungs-weisen reflektieren, temporär ändern und erforschen
  • Gedankenexperimente, zum Beispiel in Form von Szenarien- Workshops oder Serious Gaming mit Entscheider:innen[7]

Weitere nicht-experimentelle Methoden

  • den Teilnehmenden beobachten, ohne Kontrolle der Bedingungen
  • bloßes Ausprobieren, das nicht theorie- und methodengeleitet ist und kein wissenschaftliches Wissen hervorbringt
  • reine Messungen, die nicht der Theoriebildung dienen
  • reine (technischen) Demonstrationsexperimenten, deren Ergebnis bekannt ist[8]

Verbundprojekte von TraNHSform

Verbundprojekte, die ein Reallabor als Forschungsinstrument nutzen

Literaturnachweis und weiterführende Informationen

Transformationspfade-Hub - Reallabore am 13.05.24
Am 13.05.24 fand ein Transformationspfade-Hub statt. Hier die zum Impulsvortrag gehörende Präsentation (zur Ansicht anklicken). Thema: Reallabor und Realexperimente – Eine theoretische Unterscheidung. Sie gibt einen fachlichen Einstieg in das Thema Reallabore und bietet Einblicke in das Projekt KuNaH, welches die Präsentation für uns zur Verfügung gestellt hat.

Präsentation Einführung Reallabore

Transformationspfade-Hub – Reallabore 2.0 am 04.09.24
Bei der Fortsetzung des Hubs wurden weitere Unterscheidungen aufgedeckt und Einblicke in die Realexperimente drei Verbünde gewährt. Über den Link gelangen Sie zur Dokumentation mit den Präsentationen.

Wichtige Begriffe der Reallaborarbeit übersichtlich erklärt: Parodi, O., Beecroft, R., Albiez, M., Quint, A., Seebacher, A., Tamm, K. & Waitz, C. (2016). Von „Aktionsforschung“ bis „Zielkonflikte“. TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis, 25(3), 9–18. https://doi.org/10.14512/tatup.25.3.9

Das Format „Reallabor“ kurz und knapp im Überblick: Parodi O.; Steglich, A. (2021): Reallabor. In: Handbuch Transdisziplinäre Didaktik. Hg.: T. Schmohl. transcript, S. 255–265

GAIA-Schwerpunktheft: Schäpke N. et al. (Hg.): Impacts of Real-world Labs in Sustainability Transformations. GAIA Special Issue. S1/2024.

Das Reallabor Quartier Zukunft- Labor Stadt betreibt seit 10 Jahren Reallaborarbeit: https://www.transformationszentrum.org/reallabor.php

Einzelnachweise

  1. Parodi, O., Beecroft, R., Albiez, M., Quint, A., Seebacher, A., Tamm, K. & Waitz, C. (2016). Von „Aktionsforschung“ bis „Zielkonflikte“. TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis, 25(3), 9–18. https://doi.org/10.14512/tatup.25.3.9
  2. Parodi et al. (2024). Reallabor versus Realexperiment: Was macht den Unterschied? GAIA 33/2 pp. 216 – 221. https://www.oekom.de/_files_media/zeitschriften/artikel/GAIA_2024_02_216.pdf
  3. Parodi et al. (2024). Reallabor versus Realexperiment: Was macht den Unterschied? GAIA 33/2 pp. 216 – 221. https://www.oekom.de/_files_media/zeitschriften/artikel/GAIA_2024_02_216.pdf
  4. Parodi O.; Steglich, A. (2021): Reallabor. In: Handbuch Transdisziplinäre Didaktik. Hg.: T. Schmohl. transcript, S. 255–265
  5. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/reallabore-testraeume-fuer-innovation-und-regulierung.html#:~:text=Reallabore%20(englisch.%3A%20%E2%80%9Eregulatory,oder%20auf%20offene%20Fragen%20sto%C3%9Fen.
  6. Parodi et al. (2024). Reallabor versus Realexperiment: Was macht den Unterschied? GAIA 33/2 pp. 216 – 221. https://www.oekom.de/_files_media/zeitschriften/artikel/GAIA_2024_02_216.pdf
  7. Parodi et al. (2024). Reallabor versus Realexperiment: Was macht den Unterschied? GAIA 33/2 pp. 216 – 221. https://www.oekom.de/_files_media/zeitschriften/artikel/GAIA_2024_02_216.pdf
  8. Parodi et al. (2024). Reallabor versus Realexperiment: Was macht den Unterschied? GAIA 33/2 pp. 216 – 221. https://www.oekom.de/_files_media/zeitschriften/artikel/GAIA_2024_02_216.pdf
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