HOCH-N:Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 25. Januar 2024, 16:56 Uhr

Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung
Es werden die werden die Spezifika von Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung dargestellt.
Themenbezug
Zielgruppe
Forschende, Studierende, Forschungsmanagement, Interessierte Öffentlichkeit, Politik, Forschungsförderer
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In diesem Artikel werden die Spezifika von Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung dargestellt und eine Operationalisierung der Merkmale von Nachhaltigkeitstransfer im Handlungsfeld Forschung vorgenommen. Die Übersichtsmatrix ermöglicht abschließend eine schnelle Orientierung, welche Themen und Aufgaben in welchen Phasen relevant sind und kann als ein erster Ansatzpunkt für die Entwicklung oder Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung dienen.

Transdisziplinarität und Nachhaltigkeitsausrichtung für Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung

Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung bedeutet, dass Akteur*innen aus der Praxis in die Forschung einbezogen werden und mit dem Vorhaben ein Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung in einem gesellschaftlichen Kontext zumindest teilweise jenseits der Hochschule angestrebt wird. Durch den Transfer soll die Handlungsfähigkeit der Beteiligten, Lösungen für Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung zu entwerfen und umzusetzen, gestärkt werden. Dieses Wissen soll dann an Dritte weitergegeben werden können. Zentrale Akteur*innen sind einerseits die beteiligten Forscher*innen und andererseits Praxispartner*innen, die zur Bearbeitung des Forschungsgegenstands beitragen können. Diese können ein breites Spektrum umfassen, z.B. Beteiligte, Betroffene, Entscheidungsträger*innen oder Expert*innen. Das nachfolgende Kapitel bezieht sich überwiegend auf transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung, weil diese eine hohe Übereinstimmung mit Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung (Nachhaltigkeitsausrichtung und Transdisziplinarität) aufweist. Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung ist ein mittlerweile gut ausgearbeiteter Forschungsstrang, so dass auf bewährte Fachliteratur zurückgegriffen werden kann.

Stimme Transferexpert*in:Wenn er [Forscher] noch besser ist, dann sagt er, die Forschung ist ja nicht nur für mich, sondern ist auch für die Wirtschaft und Gesellschaft und es macht keinen Sinn, wenn ich jetzt mein Forschungsprojekt beende, der Prototyp steht in der Ecke rum, sondern er soll eine Anwendung finden.“

Nachhaltigkeitstransfer mit dem Komplexitätsgrad Angebotsorientierung entspricht einem traditionellen Verständnis von Technologie- und Wissenstransfer, z.B. die Erforschung von Technologien zur Nutzung von Holz als nachwachsender Ressource anstelle nicht-erneuerbarer Ressourcen in den Ingenieurwissenschaften und die Anwendung der Techniken in Unternehmen. Ein solch einseitiger Transfer entspricht nicht dem Verständnis transdisziplinärer Nachhaltigkeitsforschung, leistet aber einen notwendigen Beitrag zur Verbreitung von Nachhaltigkeitswissen. Beim Komplexitätsgrad des wechselseitigen Austausches werden Praxisakteur*innen bei einzelnen Schritten des Forschungszyklus‘ beteiligt, z.B. geben sie einen Input oder eine Rückmeldung zum Nachhaltigkeitsproblem, das untersucht werden soll, steuern Fachexpertise für die Entwicklung von Lösungen bei, bewerten die Ergebnisse aus Praxissicht und geben Hinweise für die Implementierung. Beim Komplexitätsgrad Ko-Produktion entwickeln Praxisakteur*innen und Forscher*innen gemeinsam und auf Augenhöhe – womit gemeint ist, dass die Beiträge aller prinzipiell als gleichwertig angesehen werden – Nachhaltigkeitsinnovationen oder -lösungen. Dies umfasst die gemeinsame Problembeschreibung und Konzeption des Forschungsvorhabens (Ko-Design), die Bearbeitung des Forschungsgegenstands (Ko-Produktion) sowie die gemeinsame Auseinandersetzung darüber, wo und wie die Erkenntnisse in Praxis und Wissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung genutzt werden können. Beim Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung liegt der Fokus auf der Anwendungsorientierung, dem Test, der Erprobung, den Bedingungen für die Implementierung und auf der Reflexion dieser praxisbezogenen Erfahrungen im Forschungsprozess.

Beispiel für Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung: Gitarrenbau ohne Tropenholz
In Gitarren, aber auch in anderen Instrumenten, werden traditionell tropische Holzarten eingesetzt. Einige von diesen unterliegen aufgrund verschärfter Artenschutzmaßnahmen zunehmenden Handelsbeschränkungen. Mit dem Wunsch Tropenhölzer zu ersetzen, initiierte die Bestacoustics Reinhardt GmbH aus Tübingen – ein Hersteller und Vertrieb von Gitarren – ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Ziel war es, unter Verwendung von einheimischen Hölzern klanglich an Gitarren aus Arten wie Mahagoni oder Palisander heranzukommen, sodass man zukünftig auf tropische Hölzer verzichten kann. Hierfür wurde ein thermisches Modifikationsverfahren zur Verbesserung und Optimierung der Klangeigenschaften heimischer Laubhölzer entwickelt. Die tropischen Hölzer im Gitarrenkorpus konnten so durch modifizierte heimische Hölzer substituiert werden. Das Ergebnis wurde auf der Musikmesse in Frankfurt 2017 präsentiert: akustische Gitarren, die ohne Tropenholz gefertigt werden, jedoch genauso klangstark wie herkömmliche Gitarren sind. Unter dem Markennamen rECOtimber werden seit Ende 2017 diese tropenholzfreien Gitarren hergestellt und vertrieben.

Operationalisierung von Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung

Phasen von Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung

Anhand der vier Phasen werden die relevanten Aufgaben von Nachhaltigkeitstransfer dargestellt.

1. Phase: Initiierung von Nachhaltigkeitstransfer

Auch in der Forschung besteht die Schwierigkeit darin, die richtigen Transferpartner*innen zu identifizieren und zusammenzubringen. Kristallisationspunkt kann ein gesellschaftliches Nachhaltigkeitsproblem sein. Schrittweise können dann die Akteur*innen mit den für die Lösung erforderlichen Kapazitäten und Zugängen ausgewählt und hinzugezogen werden. Hierbei sind Sondierungen und Netzwerkarbeit hilfreich, z.B. Unternehmertreffen oder andere sektorspezifische Austauschformate. Ein anderer Zugang können bereits bestehende Praxis-Forschungs-Netzwerke sein, die sich bewährt haben und in denen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist.

Im Kern der Initiierungsphase steht eine gemeinsame Problembeschreibung, wobei eine Übersetzung von gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsproblemen, die in der Praxis beschrieben werden, in wissenschaftliche Fragestellungen der Schlüssel sind. Bei diesem Schritt der inhaltlichen Zusammenarbeit lässt sich bereits testen, wie gut die verschiedenen Transferpartner*innen miteinander zusammenarbeiten können. Hierbei zeichnet sich in der Regel bereits ab, ob die jeweiligen Interessen an der konkreten Transferaktivität miteinander kompatibel sind und ob es eine ausreichende Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit gibt.

2. Phase: Konzeption der Transferaktivität – Forschungsdesign

Zentrale Aufgabe dieser Phase ist die gemeinsame Formulierung von Forschungszielen, die einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten (sollen). Die Begründung der Nachhaltigkeitsziele kann sowohl aus der Praxis als auch aus der Wissenschaft heraus erfolgen, gegebenenfalls unter Berufung auf politisch gesetzte Nachhaltigkeitsziele. Die gemeinsame Argumentation sollte sowohl in der Wissenschaft (z.B. in Form von Hypothesen) als auch in der Praxis (z.B. Nutzen für die konkrete Problemlösung) tragfähig sein. Abgeleitet von den Zielen wird in der Konzeption auch die angestrebte Nachhaltigkeitswirkung(en) bestimmt. Die Transferakteur*innen können neben den gemeinsamen Transferzielen auch eigene Interessen verfolgen, z.B. Nachweis von Forschungsleistungen in Form begutachteter Publikationen, oder Verbesserung der Organisationsleistung, z.B. einer Kommune durch verbesserte Planung oder eines Unternehmens durch Nachhaltigkeitsinnovationen.

Entsprechend der gemeinsamen Transferziele entwickeln die Transferpartner*innen ein Forschungsdesign, einschließlich Arbeits- und Ressourcenplan, Methodenwahl und Verwertungskonzept. Insgesamt ist die Praxiskomponente im Forschungsprozess wichtig, also Aspekte wie Implementierung, Test, Erprobung, Anwendung. Das transferbezogene Forschungsdesign kann von einem niedrigen Komplexitätsgrad wie dem Test entwickelter Techniken und Verfahren unter praktischen Bedingungen bis hin zu einem hohen Komplexitätsgrad mit Formaten wie Aktionsforschung oder Reallaboren reichen[1][2]. In organisatorischer Sicht muss geklärt werden, wer welche Ressourcen (Zeit, Expertise, Räume, Instrumente, Geld) in den Forschungsprozess einbringt.

3. Phase: Umsetzung der Nachhaltigkeitsforschung

In der Phase der Umsetzung geht es um die gemeinsame Wissensproduktion, diese kann Analyse, Konzeption und Entwicklung sowie bei einer Anwendung eine praktische Erprobung solcher Lösungsansätze durch Test, Intervention oder Implementierung umfassen. Insbesondere durch die Anwendung und Umsetzung werden Theorie und Praxis miteinander verknüpft, die praktische Problemlösung, die konkreten Anwendungs- und Umsetzungsbedingungen, Voraussetzungen und Aufwand der Implementierung sowie Nutzen, Wirkungen und Nebenwirkungen rücken dabei in den Fokus von Nachhaltigkeitstransfer und machen dessen spezifischen Charakter im Kontext transdisziplinärer Nachhaltigkeitsforschung aus.

Für diesen Zweck sind Methoden geeignet, die für die Praxispartner*innen zugänglich und praktikabel sind und keine hohen disziplinspezifischen Voraussetzungen mit sich bringen. Eine solche Methode ist beispielsweise die Situationsanalyse, bei der die verschiedenen Wissensbestände, aber auch Bewertungen durch ein Mapping zusammengeführt werden [3][4]. Der Vorteil dieser pragmatischen, induktiven Herangehensweise ist eben der Verzicht auf eine (disziplinär geprägte) Leittheorie. Für die Erarbeitung einer Situationsanalyse kann beispielsweise die Konstellationsanalyse als interdisziplinäres Brückenkonzept für die Nachhaltigkeits- und Innovationsforschung genutzt werden [5]. Ein bislang in der transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung noch wenig beleuchteter Aspekt ist die Implementierung von Konzepten und Lösungen und die gemeinsame Auswertung der dabei gemachten Erfahrungen. Die Transferperspektive kann genau diesen Aspekt stärken. Sie könnte zu einer konzeptionellen Ausarbeitung von „Ko-Implementierung“ beitragen, was die bisher deutlich weiter entwickelten Konzepte von Ko-Design und Ko-Produktion abrunden würde.

Hier ist der konzeptionelle Bezug auf transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung hilfreich, die u.a. darauf verweist, dass die Ergebnisse der gemeinsamen Wissensproduktion für die jeweilige Verwendung sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis entwickelt werden, wodurch spezifische Lernprozesse angestoßen werden können [6][7].

4. Phase: Ergebnissicherung und -aufbereitung für die (praktische) Nutzung

Bei Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung achten die Beteiligten, anders als bei der Lehre, stärker auf die Ergebnissicherung, denn diese stellt in der Regel das Ziel von Nachhaltigkeitsforschung dar, bei der es um die Erzeugung von – möglichst übertragbaren – Wissen geht. Sowohl die beteiligten Forscher*innen als auch die Geldgeber*innen der Drittmittelforschung legen Wert auf die wissenschaftliche Verwertung der Ergebnisse, vorrangig in Form wissenschaftlicher Publikationen. Hinzu kommen Forschungsberichte für die Geldgeber*innen und quantitative Indikatoren wie Patentanmeldungen. Durch Nachhaltigkeitstransfer wird der Blick stärker auf die Nutzbarmachung der Ergebnisse für die Praxis gelenkt. Dies können konkrete Produkte und Dienstleistungen, Geschäftsmodelle, Praxisprojekte, Konzepte, Pläne, Leitfäden, Transferpublikationen sowie weiterführende Ergebnisformate wie Nachhaltigkeitsstrategien und -leitbilder sein. Auch öffentliche Erklärungen und Stellungnahmen, die gemeinsam von Wissenschaft und Praxis abgegeben werden, oder Beratungsleistungen gehören dazu. Solche Ergebnisformate sind in der Wissenschaft eher ungewohnt und müssen mit den Praxispartner*innen gemeinsam erstellt werden, um einen hohen Nutzen für die Anwendung sicherzustellen.

Für Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung stellt sich die Aufgabe der Evaluation und Wirkungsanalyse, was wissenschaftlich äußerst anspruchsvoll ist. So stellen Kaufmann-Hayoz et al. fest „Es besteht Einigkeit darüber, dass außerwissenschaftliche Wirkungen von Forschung nicht unmittelbar und direkt als Folge von Diffusionsleistungen der Forschenden eintreten, sondern ein Ergebnis komplexer und nicht-linearer (Kommunikations-)Prozesse sind, bei denen außer den Forschenden sowohl weitere Akteure, insbesondere Knowledge Broker, wie auch verschiedene situative Faktoren eine Rolle spielen.“ [8] Die Formulierung einer Wirkungslogik oder Wirkungskette durch die Transferakteur*innen könnte zu einer systematischeren Wirkungsbilanzierung beitragen [9], ist aber jeweils projektspezifisch zu operationalisieren und sehr aufwändig. Kaufmann-Hayoz et al. schlagen eine Differenzierung nach Ergebnistypen vor (außerwissenschaftliche Ergebnisdarstellung; Leitfäden und Tools; Veränderungen im Feld), um verschiedene Wirkungen einordnen zu können [8]. Weiterhin können verschiedene Wirkungsgrade unterschieden werden. Nachhaltigkeitstransfer kann an diese Überlegungen anknüpfen und die Bewertung und Einschätzung der Wirkung durch die beteiligten Praxispartner*innen als besondere Stärke einbringen.

Querschnittsaufgaben in der Forschung

Querschnittsaufgabe Prozessmanagement

Die Spielräume der Transferakteur*innen in der Forschung werden durch die jeweiligen Rahmenbedingungen festgelegt. Eine erste Anforderung an das Prozessmanagement beim Nachhaltigkeitstransfer ist die Klärung der jeweiligen Strukturbedingungen und hochschulinternen Forschungsbedingungen. Besonders relevant ist dabei die Akquise von Forschungsgeldern, in der Regel Drittmittel. Die Transferpartner*innen müssen sich dafür meist mit einem Antrag bewerben. Die Identifizierung passender Ausschreibungen und Förderprogramme sowie der Erfahrungen in der Antragstellung ist daher eine wichtige Aufgabe. Hierbei kann ein Schnittstellenmanagement (oder auch eine Forschungsabteilung, eine Transferstelle etc.) die Transferakteur*innen wirkungsvoll unterstützen. Nicht zuletzt kann die Außenkommunikation zur Transferaktivität durch die Kommunikationsabteilung der Hochschule unterstützt werden.

Entsprechend der Phasen beim Nachhaltigkeitstransfer kristallisieren sich folgende wichtige Aufgaben für das Prozessmanagement heraus. In der Initiierungsphase sind das Management der Kontaktanbahnung sowie eine Kommunikation mit und zwischen den potentiellen Transferakteur*innen wichtig, um zu Beginn eine Kommunikations- und Kooperationskultur zu etablieren und Vertrauen aufzubauen. Dies kann sehr zeitaufwändig sein. In der Konzeptionsphase steht in der Regel die Antragstellung im Vordergrund, die ebenfalls einer Unterstützung in Form von Netzwerkmanagement, Kommunikation, Moderation und Übersetzung zwischen den verschiedenen Fachsprachen bedarf. In der Phase der Umsetzung ist die Organisation des Austausches und der Reflexion wichtig, damit die verschiedenen Akteur*innen und Arbeitspakete nicht aneinander vorbei arbeiten. Die Transferpartner*innen benötigen außerdem Unterstützung und Begleitung bei denjenigen Aktivitäten, die nicht unmittelbar im Bereich ihrer Expertise liegen, z.B. praktische Anwendung und Umsetzung bei Wissenschaftler*innen oder Analyse und Konzeption bei den Praxispartner*innen. In der Phase der Ergebnissicherung ist insbesondere die Kommunikation nach außen anspruchsvoll, weil ungewohnte Kommunikationskanäle bedient werden müssen, z.B. Transferpublikationen der Wissenschaftler*innen.

Querschnittsaufgabe Reflexion

Reflexion ist für Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung ein Erfolgsfaktor. Die Begründung der Nachhaltigkeitswirkung der Transferaktivität sollte übergreifend zwischen Wissenschaft und Praxis erfolgen, um „robust“ gegenüber Kritik aus beiden Domänen zu sein. Die Formulierung von Transferziele und Forschungsfragen ist bei heterogenen Akteur*innen anspruchsvoll und der Erfolg keinesfalls gewährleistet. Gestützt auf Moderation und Kommunikation ist es Aufgabe der Reflexion, die verschiedenen Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand, die Problemlösung und deren Implementierung für alle Beteiligten deutlich zu machen. Die besondere Herausforderung liegt darin, mögliche Unterschiede oder Widersprüchen konstruktiv für Lösungsansätze fruchtbar zu machen.

Zentrales Thema für die Reflexion in allen Phasen ist die Diskussion darüber, wie die Transferaktivität zu nachhaltiger Entwicklung beiträgt (in welchem Umfang bzw. mit welcher Wirkung) und was mögliche Risiken oder Unsicherheiten der vorgeschlagenen Lösungen sowie unbeabsichtigte Nebenfolgen sein können. Diese Reflexion transdisziplinär zu führen, bedeutet auch, dass nicht eine Begründungslogik – z.B. die der Wissenschaft – dominiert, sondern dass verschiedene Geltungsansprüche argumentativ zusammengeführt werden. Das schließt Abwägungsprozesse und Bewertung mit ein, die zwischen den Transferakteur*innen verhandelt werden müssen. Eine wissensbasierte Anleitung, Interessenneutralität und Moderation sind wichtige Elemente einer gelungenen Reflexion. Wichtig ist, die Praxispartner*innen dabei mitzunehmen und Formate zu finden, die ihnen zeitlich und fachlich gerecht werden.

Übersichtsmatrix zu Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung

Die Anforderungen an Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung lassen sich in der Übersichtsmatrix (Tabelle 1) zusammenführen. Dabei werden die Aufgaben in den vier Phasen von Nachhaltigkeitstransfer den Querschnittsaufgaben Prozessmanagement und Reflexion gegenübergestellt. Für die einzelnen Phasen können so kritische Punkte identifiziert werden und ermöglichen eine Einschätzung der jeweiligen Transferaktivität. Letztere wird durch die Zusammenstellung von Fragen als eine Art „Checkliste“ erleichtert.

Tabelle 1: Übersichtsmatrix über Nachhaltigkeitstransfer in der Forschung

Phase Inhalte, Themen, Akteur*innen Rahmenbedingungen Prozessmanagement Reflexion Checkliste mit Fragen
1. Initiierung
  • Identifizierung der Akteur*innen: Forschende + Praxis (Experten, Betroffene, Anwender etc.)
  • Identifizierung von Nachhaltigkeitsthemen für die Forschung
  • Gemeinsame Beschreibung des Nachhaltigkeitsproblems und Forschungsbedarfs
  • Ggfs. Formulierung von Hypothesen
  • Ausschreibungen, Förderprogramme
  • Forschungsauftrag + -anreiz der Partner*innen klären
  • Ressourcenverfügbarkeit + Anreizsysteme prüfen
  • Unterstützungsstrukturen kennen + nutzen
  • Kontaktanbahnung zwischen verschiedene Gruppen organisieren
  • Kommunikations- und Kooperationskultur etablieren
  • Nachhaltigkeitsziel der Forschung formulieren + begründen
  • Relevanz der Forschung begründen
  • Austausch über jeweilige Interessen am Nachhaltigkeitstransfer und Forschungsergebnis
  • Klärung der inhaltlichen Schnittmenge
  • Wer ist dabei? Wer sollte dabei sein?
  • Was ist das Thema des Nachhaltigkeitstransfers? Warum ist die Forschung relevant?
  • Welches Nachhaltigkeitsproblem soll gelöst werden? Wem nützt das?
  • Sind die gemeinsamen Forschungsinteressen geklärt + transparent?
  • Wird das Nachhaltigkeitsproblem, -thema gemeinsam beschrieben?
  • Wer übernimmt welche Rolle?
2. Kon-zeption
  • Gemeinsame Formulierung der Forschungsfrage
  • Entwicklung eines transdisziplinären Forschungsdesigns
  • Auswahl von Forschungsmethoden
  • Zeit- und Ressourcenplan, Verantwortlichkeiten
  • zeitliche Verfügbarkeit der Beteiligten
  • Ressourcenbedarf
  • Verfügbarkeit von Forschungsressourcen prüfen
  • Unterstützungsstrukturen für Netzwerkmanagement + Kommunikation nutzen
  • Antragstellung managen, Ressourcen einwerben
  • Kommunikation, Moderation und Übersetzung zwischen Fachsprachen
  • Zeit- und Arbeitsaufwand für Beteiligte abschätzen
  • Raum für Reflexion schaffen
  • angestrebten Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung darlegen (ggfs. Wirkungslogik)
  • Aushandeln gemeinsamer Forschungsziele
  • Abschätzung von Risiken, blinden Flecken, Nebenfolgen in Bezug auf Nachhaltigkeit
  • Rollenklärung in der Gruppe
  • Worin besteht der Beitrag des Transfers zu nachhaltiger Entwicklung?
  • Haben die Beteiligten gemeinsame Forschungsziele formuliert?
  • Können sich Partner auf ein Forschungsdesign und Aufgabenverteilung einigen?
  • Gibt es passende Methoden + Ansätze?
  • Ist ein geeigneter Rahmen für Diskussion und Reflexion geschaffen?
3. Umsetzung
  • Schwerpunktsetzung im Forschungsprozess:
    • Analyse, Konzeption, Entwicklung
    • praktische Erprobung, Test, Intervention, Implementierung
    • Wissensproduktion für die Praxis
  • Möglichkeiten der Partner*innen realistisch einschätzen
  • Forschungs-, Transfer, Schnittstellenmanagement der Hochschule nutzen
  • Management der Finanzierung
  • Interne Kommunikation, Netzwerkmanagement, Moderation, ggfs. Konfliktmanagement
  • Qualitätssicherung im Forschungsprozess
  • Raum für Reflexion schaffen
  • Externe Kommunikation zu Nachhaltigkeitstransfer & Transparenz
  • Verschiedene Perspektiven, Wissen, Expertise, Erfahrungen nutzen für gemeinsame Problemlösung
  • Selbstkritische Bewertung des Forschungsprozesses
  • Nachhaltigkeitsorientierung der Forschung prüfen, praktischen Nutzen begründen
  • mögliche Fehlschläge auswerten
  • Wird der Forschungsprozess entsprechend des Designs umgesetzt?
  • Können die Beteiligten ihre Kompetenzen, Wissen, Erfahrungen einbringen?
  • Worin besteht der Mehrwert der Forschung? Wem nützen die Ergebnisse und wie?
4. Ergebnis-sicherung
  • Dokumentation, Aufbereitung der Forschungsergebnisse für Wissenschaft und Praxis
  • Transferpublikationen
  • Evaluation und Wirkungsanalyse
  • Vorgaben für Forschungsberichte, Veröffentlichungspflicht
  • Vorgaben für Evaluation
  • Pflichtveröffentlichungen für Ergebnisdokumentation nutzen
  • Aufbereitung von Forschungsergebnissen für Praxisakteur*innen
  • Öffentlichkeitsarbeit, Wissenskommunikation zu Ergebnissen
  • Reflexion einzelner Forschungsergebnisse (Arbeitspakete etc.)
  • Bewertung der gemeinsamen Forschungsergebnisse und der Nachhaltigkeitswirkung
  • Auswertung von Lücken, Risiken
  • Schlussfolgerungen zur Übertragbarkeit der Ergebnisse
  • Werden die Forschungsergebnisse dokumentiert?
  • Wie werden die Ergebnisse aufbereitet? Für wen? Wer kann damit weiterarbeiten?
  • Gibt es eine Evaluation, Reflexion, Wirkungsanalyse der Forschung? Wer ist verantwortlich?
  1. Wagner, Felix; Grunwald, Armin (2015). Reallabore als Forschungs- und Transformationsinstrument. Die Quadratur des hermeneutischen Zirkels. In: GAIA 24 (1/2015), S. 26–31.
  2. Schneidewind, Uwe; Singer-Brodowski, Mandy (2014). Transformative Wissenschaft. Klimawandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem. 2. erweiterte Auflage. Marburg: Metropolis.
  3. Thomas, Angelika; Wehinger, Thomas (2009). Situationsanalyse: Die Ausgangssituation kennenlernen, relevante Akteure und Gruppen identifizieren und für die Zusammenarbeit gewinnen, gemeinsam Probleme und Potenzial erkennen. In: Hoffmann, Volker; Thomas, Angelika; Gerber, Alexander (Hrsg.). Transdisziplinäre Umweltforschung. Methodenhandbuch. München: oekom Verlag, S. 72-88.
  4. Clarke, Adele (2012). Situationsanalyse. Grounded Theory nach dem Postmodern Turn. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften.
  5. Schön, Susanne; Kruse, Sylvia; Meister, Martin; Nölting, Benjamin; Ohlhorst, Dörte (2007). Handbuch Konstellationsanalyse. Ein interdisziplinäres Brückenkonzept für die Nachhaltigkeits-, Innovations- und Technikforschung. München: oekom Verlag.
  6. Bergmann, Matthias; Jahn, Thomas; Knobloch, Tobias; Krohn, Wolfgang; Pohl, Christian; Schramm, Engelbert (2010). Methoden transdisziplinärer Forschung. Ein Überblick mit Anwendungsbeispielen. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
  7. Defila, Rico; Di Giulio, Antonietta (Hrsg.) (2006). Transdisziplinär forschen – Zwischen Ideal und Gelebter Praxis. Hotspots, Geschichten, Wirkungen. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag.
  8. 8,0 8,1 Kaufmann-Hayoz, Ruth; Defila, Rico; Di Giulio, Antonietta; Winkelmann, Markus (2016). Was man sich erhoffen darf – Zur gesellschaftlichen Wirkung transdisziplinärer Forschung. In: Defila, Rico; Di Giulio, Antonietta (Hrsg.). Transdisziplinär forschen – zwischen Ideal und gelebter Praxis. Hotspots, Geschichten, Wirkungen. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 289-327.
  9. Kurz, Bettina; Kubek, Doreen (2015). Kursbuch Wirkungen. Das Praxishandbuch für alle, die Gutes noch besser tun wollen. 3. Aufl. Berlin: PHINEO gAG. (http://www.phineo.org/publikationen)
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