Schließung Datenlücken THG-Bilanzierung (REKLINEU): Unterschied zwischen den Versionen
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<div align="left">Im Rahmen des Projektes [[REKLINEU – Regionale Wege zu klimaneutralen Hochschulen|REKLINEU]] wurde vom [[Institut für angewandte Logistik]] (THWS) mit dem LCA-Softwaretool Umberto eine Treibhausgas-Bilanz für ein Whiteboard erstellt, um realitätsgetreue Emissionsfaktoren für den Beschaffungsbereich einer Hochschule zu ermitteln. | <div align="left">Im Rahmen des Projektes [[REKLINEU – Regionale Wege zu klimaneutralen Hochschulen|REKLINEU]] wurde vom [[Institut für angewandte Logistik]] (THWS) mit dem LCA-Softwaretool Umberto eine Treibhausgas-Bilanz für ein Whiteboard erstellt, um realitätsgetreue Emissionsfaktoren für den Beschaffungsbereich einer Hochschule zu ermitteln. | ||
Das Whiteboard wurde als Versuchsprodukt gewählt, weil es an Hochschulen in großer Stückzahl genutzt wird, aber im von der THWS verwendeten Bilanzierungstool [https://www.bayzen.de/materialien/baycalc/ BayCalc] bisher noch nicht mit einem Emissionsfaktor hinterlegt ist. Zur Überprüfung konnte ein Referenzwert aus einer Studie der Norwegian EPD Foundation<ref>Norwegian EPD Foundation. 2021. "Environmental Product Declaration: Lintex Boarder Whiteboard (EPD NEPD-4178-3408)." Oslo: EPD-Norway. https://www.epd-global.com/getfile.php/13231009-1751891644/EPDer/M%C3%B8bler/Lydpanel/NEPD-11633-11562_Boarder-Mobile-Double-sided.pdf</ref> herangezogen werden (76 kg CO₂e pro Whiteboard). Die notwendigen Komponenten des Whiteboards wurden mit Hilfe von ChatGPT<ref name=":0">ChatGPT Version 4.1 - OpenAI</ref> in Form einer Stückliste identifiziert, da ansonsten keine verfügbaren Daten zur Verfügung standen (Kritische Diskussion). | Das Whiteboard wurde als Versuchsprodukt gewählt, weil es an Hochschulen in großer Stückzahl genutzt wird, aber im von der THWS verwendeten Bilanzierungstool [https://www.bayzen.de/materialien/baycalc/ BayCalc] bisher noch nicht mit einem Emissionsfaktor hinterlegt ist. Zur Überprüfung konnte ein Referenzwert aus einer Studie der Norwegian EPD Foundation<ref name=":1">Norwegian EPD Foundation. 2021. "Environmental Product Declaration: Lintex Boarder Whiteboard (EPD NEPD-4178-3408)." Oslo: EPD-Norway. https://www.epd-global.com/getfile.php/13231009-1751891644/EPDer/M%C3%B8bler/Lydpanel/NEPD-11633-11562_Boarder-Mobile-Double-sided.pdf</ref> herangezogen werden (76 kg CO₂e pro Whiteboard). Die notwendigen Komponenten des Whiteboards wurden mit Hilfe von ChatGPT<ref name=":0">ChatGPT Version 4.1 - OpenAI</ref> in Form einer Stückliste identifiziert, da ansonsten keine verfügbaren Daten zur Verfügung standen (Kritische Diskussion). | ||
Für die Berechnung wurden die Software Umberto (V 11.16.1) zusammen mit der Hintergrunddatenbank ecoinvent (V 3.11) verwendet, um Emissionsfaktoren für Materialien und Prozesse zu hinterlegen. Die Materialliste aus ChatGPT wurde entsprechend in Umberto implementiert. | Für die Berechnung wurden die Software Umberto (V 11.16.1) zusammen mit der Hintergrunddatenbank ecoinvent (V 3.11) verwendet, um Emissionsfaktoren für Materialien und Prozesse zu hinterlegen. Die Materialliste aus ChatGPT wurde entsprechend in Umberto implementiert. | ||
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Die THG-Bilanz des Whiteboards ergab einen gesamten CO₂-Fußabdruck von 52,7 kg CO₂e pro Stück. Damit liegt der Wert deutlich unter dem Referenzwert der EPD-Studie (76 kg CO₂e). Die erhebliche Abweichung von rund 30 % ist darauf zurückzuführen, dass im Rahmen des Projekts viele Prozessdetails nur vereinfacht bzw. mit Lücken abgebildet werden konnten. So wurden z. B. der tatsächliche Energieeinsatz und bestimmte Produktionsschritte (etwa spezielle Oberflächenbehandlungen) nur durch oberflächlich recherchierte Annahmen gestützt und somit möglicherweise unterschätzt oder gar nicht berücksichtigt. Die EPD-Studie<ref name=":1" /> hingegen basiert auf einer ausführlichen Analyse aller Herstellungsschritte und enthielt wahrscheinlich auch End-of-Life-Aspekte, wodurch ein höherer Wert zustande kam. | |||
Insgesamt zeigt das Ergebnis, dass Datenlücken und vereinfachte Annahmen zu einer falschen Einordnung bzw. eher Schätzung der Emissionen führen können – ein Befund, der die Bedeutung hochwertiger Datenbasis unterstreicht. Kurzum bezüglich des Aufwands einer solchen Lückenschließung und der Machbarkeit muss konsttiert werden, dass sowohl Detailwissen hinsichtlich Material, Fertigung und Logstik in erheblichen Maße in der Regel fehlen, wie auch der zeitliche und finanzielle Aufwand nicht vertretbar scheinen - zumindest zur Schießung der Datenlücken zur THG-Bilanzierung einer Hochschule. | |||
== Kritische Diskussion == | == Kritische Diskussion == | ||
Grenzen der Hochschul-Modellierung: Das Projekt verdeutlicht die Limitationen einer LCA-Modellierung ohne direkten Zugang zu Herstellerdaten. Im Vergleich zu industriellen Studien (z. B. EPDs) musste hier mit sekundären Daten und Annahmen gearbeitet werden, was die Ergebnisgenauigkeit einschränkt. | |||
Hochschulen bzw. kleinere Organisationen verfügen selten über die Ressourcen, alle prozess- und lieferkettenspezifischen Daten detailliert zu erheben. Dies deckt sich mit Erkenntnissen aus der Literatur<ref>Thakur, Shubham. 2025. “Life Cycle Assessment Reporting Challenges: How to Convert Them into Business Benefits?” Climate Action Front, 1. Mai 2025.</ref><ref>Gómez-Garza, Rodrigo et al. 2024. “Barriers and Enablers of Life Cycle Assessment in Small and Medium Enterprises: A Systematic Review.” Environment, Development and Sustainability 26.</ref>, wonach vor allem Mangel an Daten und begrenztes Personal zu den Hauptbarrieren bei der Durchführung von LCAs gehören. | |||
Trotz dieser Einschränkungen bietet das Vorgehen auch Nutzen: Durch die Beschäftigung mit der THG-Bilanzierung wurden die Beteiligten für die klimarelevanten Aspekte von Beschaffungsobjekten sensibilisiert und haben ein tieferes methodisches Verständnis für LCA gewonnen. | |||
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Version vom 3. Dezember 2025, 10:49 Uhr
Im Rahmen des Projektes REKLINEU wurde mithilfe des Life-Cycle-Assessment (LCA) Tools Umberto versucht, zur Schließung von Datenlücken innerhalb der THG-Bilanz im Bereich Beschaffung, realitätsgetreue Emissionsfaktoren zu ermitteln.
Das Arbeitspaket „THG-Bilanzierung“ wurde vom Institut für angewandte Logistik (THWS) im Rahmen des Projektvorhabens REKLINEU erarbeitet. Das Beispiel zeigt die THG-Erfassung an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS).

Kurzbeschreibung
Das Whiteboard wurde als Versuchsprodukt gewählt, weil es an Hochschulen in großer Stückzahl genutzt wird, aber im von der THWS verwendeten Bilanzierungstool BayCalc bisher noch nicht mit einem Emissionsfaktor hinterlegt ist. Zur Überprüfung konnte ein Referenzwert aus einer Studie der Norwegian EPD Foundation[1] herangezogen werden (76 kg CO₂e pro Whiteboard). Die notwendigen Komponenten des Whiteboards wurden mit Hilfe von ChatGPT[2] in Form einer Stückliste identifiziert, da ansonsten keine verfügbaren Daten zur Verfügung standen (Kritische Diskussion).
Für die Berechnung wurden die Software Umberto (V 11.16.1) zusammen mit der Hintergrunddatenbank ecoinvent (V 3.11) verwendet, um Emissionsfaktoren für Materialien und Prozesse zu hinterlegen. Die Materialliste aus ChatGPT wurde entsprechend in Umberto implementiert.
Ziele
Zielsetzung des Projekts war es, Datenlücken in der THG-Bilanzierung im Bereich Beschaffung zu schließen, indem für ein nicht in BayCalc erfasstes Produkt (Whiteboard) ein Emissionsfaktor mittels LCA ermittelt wird. Durch die exemplarische Modellierung des Whiteboards sollte ein belastbarer CO₂-Fußabdruck für dieses Produkt generiert werden, der zukünftig in der Beschaffungsbilanz genutzt werden kann. Der Aufwand einer solchen Lückenschließung sollte nachvollzogen und hinsichtlich Machbarkeit (Aufwand) bewertet werden.
Vorgehen
Erstellung der Stückliste
Zunächst wurde eine Stückliste aller Komponenten des Whiteboards mit Unterstützung von ChatGPT generiert. Die folgende Tabelle zeigt die ermittelte Stückliste mit den Hauptbauteilen, Abmessungen, Materialien sowie Gewichtsangaben.
| Pos. | Bauteil | Abmessung | Material | Stückzahl | Einzel-gewicht (ca.) | Gesamt-gewicht in kg (ca.) |
| 1 | Schreibfläche (Front) | 2000 × 1200 × 0,4 mm | lackiertes Stahlblech, weiß | 1 | 7,6 | 7,6 |
| 2 | Trägerplatte | 2000 × 1200 × 10 mm | Honeycomb-Leichtbauplatte oder MDF oder Honeycomb | 1 | 7,2 | 7,2 |
| 3 | Rückwand | 2000 × 1200 × 0,25 mm | verzinktes Stahlblech | 1 | 1,4 | 1,4 |
| 4 | Rahmenprofile (umlaufend) | 6400 mm, 25 × 20 mm | Aluminium | 4 | 0,4 | 1,6 |
| 5 | Eckverbinder | passend zum Profil | ABS-Kunststoff | 4 | 0,05 | 0,2 |
| 6 | Stiftablage | 600 × 70 × 40 mm | Aluminium | 1 | 0,4 | 0,4 |
| 7 | Befestigungselemente (Wandhalter, Schrauben) | – | Stahl | 1 | 0,5 | 0,5 |
Anpassung für LCA-Software
Da die Bezeichnungen der ChatGPT-Stückliste nicht direkt den in Umberto verfügbaren Materialdaten entsprachen, wurden im nächsten Schritt geeignete Ersatzmaterialien aus der ecoinvent-Datenbank ausgewählt. Beispielsweise wurde für „lackiertes Stahlblech“ ein passender Datensatz für beschichteten Stahl gewählt, und die Honeycomb-Platte wurde mangels spezifischer Daten durch MDF-Plattenmaterial ersetzt (basierend auf ChatGPT-Recherchen). Energie- und Transportannahmen: Zusätzlich wurde ein Energiebedarf von ca. 9 kWh für die Produktion abgeschätzt und eine Transportdistanz von 160 km (Anlieferung zum Nutzer) angenommen. Diese Annahmen basierten auf eigener Recherche und wurden als Inputs in der LCA-Software hinterlegt.

LCA-Modellierung in Umberto
Für die Bilanzierung wurden vier Lebenszyklusphasen definiert: Raw Materials, Manufacture, Distribution und Use Phase. Zunächst flossen alle Rohmaterialien mit den entsprechenden Mengen in die Phase Raw Materials ein. In der Manufacture-Phase wurde ein Montage-Prozess aufgebaut, in dem die einzelnen Komponenten zum fertigen Whiteboard zusammengefügt werden.

Das montierte Whiteboard wurde danach in die Phase Distribution überführt und um den Transport (160 km per LKW) ergänzt. Schließlich wurde das fertige Produkt in die Use Phase weitergeleitet – da in der Nutzungsphase eines Whiteboards keine signifikanten Emissionen anfallen, diente dies primär der Modellvollständigkeit.

Die Emissionsfaktoren für die Materialien und Prozesse stammten aus ecoinvent 3.11; sie wurden von Umberto für die Berechnung des CO₂-Fußabdrucks herangezogen. Sämtliche hinzugefügten Rohstoffe und Prozessschritte konnten in Umberto über die Funktion „Expand input process variables” überprüft werden.

Ergebnis
Die THG-Bilanz des Whiteboards ergab einen gesamten CO₂-Fußabdruck von 52,7 kg CO₂e pro Stück. Damit liegt der Wert deutlich unter dem Referenzwert der EPD-Studie (76 kg CO₂e). Die erhebliche Abweichung von rund 30 % ist darauf zurückzuführen, dass im Rahmen des Projekts viele Prozessdetails nur vereinfacht bzw. mit Lücken abgebildet werden konnten. So wurden z. B. der tatsächliche Energieeinsatz und bestimmte Produktionsschritte (etwa spezielle Oberflächenbehandlungen) nur durch oberflächlich recherchierte Annahmen gestützt und somit möglicherweise unterschätzt oder gar nicht berücksichtigt. Die EPD-Studie[1] hingegen basiert auf einer ausführlichen Analyse aller Herstellungsschritte und enthielt wahrscheinlich auch End-of-Life-Aspekte, wodurch ein höherer Wert zustande kam.
Insgesamt zeigt das Ergebnis, dass Datenlücken und vereinfachte Annahmen zu einer falschen Einordnung bzw. eher Schätzung der Emissionen führen können – ein Befund, der die Bedeutung hochwertiger Datenbasis unterstreicht. Kurzum bezüglich des Aufwands einer solchen Lückenschließung und der Machbarkeit muss konsttiert werden, dass sowohl Detailwissen hinsichtlich Material, Fertigung und Logstik in erheblichen Maße in der Regel fehlen, wie auch der zeitliche und finanzielle Aufwand nicht vertretbar scheinen - zumindest zur Schießung der Datenlücken zur THG-Bilanzierung einer Hochschule.
Kritische Diskussion
Grenzen der Hochschul-Modellierung: Das Projekt verdeutlicht die Limitationen einer LCA-Modellierung ohne direkten Zugang zu Herstellerdaten. Im Vergleich zu industriellen Studien (z. B. EPDs) musste hier mit sekundären Daten und Annahmen gearbeitet werden, was die Ergebnisgenauigkeit einschränkt.
Hochschulen bzw. kleinere Organisationen verfügen selten über die Ressourcen, alle prozess- und lieferkettenspezifischen Daten detailliert zu erheben. Dies deckt sich mit Erkenntnissen aus der Literatur[5][6], wonach vor allem Mangel an Daten und begrenztes Personal zu den Hauptbarrieren bei der Durchführung von LCAs gehören.
Trotz dieser Einschränkungen bietet das Vorgehen auch Nutzen: Durch die Beschäftigung mit der THG-Bilanzierung wurden die Beteiligten für die klimarelevanten Aspekte von Beschaffungsobjekten sensibilisiert und haben ein tieferes methodisches Verständnis für LCA gewonnen.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Norwegian EPD Foundation. 2021. "Environmental Product Declaration: Lintex Boarder Whiteboard (EPD NEPD-4178-3408)." Oslo: EPD-Norway. https://www.epd-global.com/getfile.php/13231009-1751891644/EPDer/M%C3%B8bler/Lydpanel/NEPD-11633-11562_Boarder-Mobile-Double-sided.pdf
- ↑ 2,0 2,1 ChatGPT Version 4.1 - OpenAI
- ↑ 3,0 3,1 Software Umberto (V 11.16.1)
- ↑ Hintergrunddatenbank ecoinvent (V 3.11)
- ↑ Thakur, Shubham. 2025. “Life Cycle Assessment Reporting Challenges: How to Convert Them into Business Benefits?” Climate Action Front, 1. Mai 2025.
- ↑ Gómez-Garza, Rodrigo et al. 2024. “Barriers and Enablers of Life Cycle Assessment in Small and Medium Enterprises: A Systematic Review.” Environment, Development and Sustainability 26.