Konferenz, Appetit auf den akademischen Donut, 21.-22.01.25
Einen höheren h-Index, schneller zur Publikation, weitere Fördermitteleinwerbungen – Wachstums- und Konkurrenzlogiken prägenden Arbeitsalltag von Forscher*innen. Wer dies kritisch hinterfragt, stößt unweigerlich auf die „großen“ Fragen: Wofür betreiben wir Wissenschaft? Was ist gute Forschung? Was ist gute Lehre? Welche Verantwortung trägt Wissenschaft angesichts der multiplen Krisen unserer Zeit? [1] [2]. Eine Möglichkeit, jene Fragen zu adressieren, bietet das Konzept des „Academic Donut“ der Wissenschaftlerinnen Clare Kelly und Anne Urai[3]. Der Donut-Ökonomie [4] entlehnt fordern die Autor:innen dazu auf, die Arbeit in der Wissenschaft so auszurichten, dass sie ein soziales Fundament gewährleistet und planetare und menschliche Grenzen nicht überschreitet. Auf Grundlage dieses Konzepts und im Anschluss an eine Debatte auf einer der vergangenen Projektleitungshubs nimmt die Konferenz ihren Ausgang in der Frage danach, was nachhaltige Universitäten ruhig auch weglassen können – oder das Weglassen von „was“ sie ermöglichen sollten.
Konferenz, Appetit auf den akademischen Donut, 21.-22.01.25 | |
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Datum | |
Di 21 Januar 2025 14:00 Uhr
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Schwerpunkte | |
akademischer Donut | |
Bezug Wiki-Themen | |
Agenda und Informationen
In der zweitägigen Konferenz wollen wir die Normen der aktuellen akademischen Praxis mit Hilfe der Linse des Academic Donut analysieren und hinterfragen. Welche neuen Prinzipien könnten ein nachhaltiges akademisches System in Deutschland, und speziell an unseren Institutionen leiten? Aufbauend auf einer Keynote von Clare Kelly diskutieren wir in vielfältigen Beiträgen Visionen alternativer Hochschul- und Wissenschaftsgestaltung. Anschließend wollen wir uns zu konkreten Interventionsmöglichkeiten und mögliche Transformationsaktivitäten austauschen.
Programm, Dienstag 21.01.25
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14:00 Uhr | BEGRÜßUNG UND WILLKOMMEN | Keynote zur Doghnut Academia Clare Kelly |
15:30 Uhr | PAUSE | |
16:00 Uhr | TRÄUMEN & VISIONIEREN | Petcha-Kutcha Impulse mit Austausch |
Der akademische Donut als wissenschaftliche Gesamtlösung? | Milena Jostmeier | |
From Classical Concerts to Jam Sessions: Metaphors, Thought Experiments and Donuts | Michał Pałasz | |
Grasping Sustainability Culture in Universities - A multi-Method Approach to Define and Understand Key Elements | Inga Stademann | |
Keine Zeit für Abkürzungen-Hochschulen und tiefe Nachhaltigkeit | Niklas Heiland, Severin Caspari | |
Universitäres Wohlbefinden durch Realexperimente fördern | Maike Weynand, Susanne Ober, Carina Betz | |
18:00 Uhr | GEMEINSAMER ABSCHLUSS | |
18:10 Uhr | ENDE |
Programm, Mittwoch 22.01.25
Zum öffnen des Programms bitte rechts auf 'ausklappen' klicken | ||
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09:00 Uhr | PLANEN & AKTIV WERDEN | Petcha-Kutcha Impulse mit Austausch |
Entschleunigung in der transformativen Wissenschaft – Beobachtungen im Selbstexperiment | Annika Fricke, Pia Laborgne, Eva Wendeberg, Wanda Wieczorek, Oliver Parodi | |
Attempting to pursue slow science in a fast (science) world - between encountering systemic boundaries and pockets of hope | Julia Wiethüchter, Fynn Schmidt | |
Gesundheit und Nachhaltigkeit in der Lehre: Chancen und Grenzen von Verhaltensexperimenten zur Förderung von Veränderungswissen | Fady Guirgis, Swantje Notzon | |
Einblicke aus dem Zukunftslabor | Johannes Halber, Hannes Wender | |
Auf den Schultern höherer Semester? Auftakt für eine digitale Infrastruktur hochschulischer Wissensbestände | Viktoria Gräbe, Jana Kavermann | |
11:00 Uhr | PAUSE | |
11:30 Uhr | GEMEINSAMES FAZIT | |
12:30 Uhr | ENDE |
Agenda und Informationen als PDF
Im Folgenden sind alle Vorträge dokumentiert.
Key Note
Being an academic in a world on fire Clare Kelly
- Das akademische System ist in seiner aktuellen Form nicht nachhaltig.
- Clare Kellys persönlicher Weg führte sie dazu, sich als "aktivistische Wissenschaftlerin" zu engagieren.
- Ausgangspunkt war der Gedanke: „Ich tue meinen eigenen kleinen Teil.“
- Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Klimakrise sind eindeutig – dennoch gibt es zu wenig politische und gesellschaftliche Maßnahmen.
- Wissenschaftler:innen erleben oft eine Diskrepanz: Sie warnen, aber Entscheidungstragende handeln nicht.
- Die Klimakrise betrifft alle Disziplinen, auch jene, die auf den ersten Blick keinen direkten Bezug haben.
- Besonders wichtig: Lehre ist der wirkungsvollste Hebel für Veränderung – durch Lehre entsteht eine Welleneffekt.
- Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Wandels durch veränderte Curricula und interdisziplinäre Ansätze.
- Clare Kelly entwickelte das Modul "The Psychology of the Climate Crisis", das für Studierende aller Fachrichtungen offen ist.
- Die Psychologie betrachtet individuelle Denkweisen und kognitive Verzerrungen, aber die Klimakrise ist ein systemisches Problem, das auf jahrhundertealten wirtschaftlichen Strukturen basiert.
- Die Diskussion über die Rolle der Wissenschaft öffnet sich: Klimafragen müssen in allen Disziplinen thematisiert werden, nicht nur in den Naturwissenschaften.
- Wissenschaftler:innen haben eine enorme Hebelwirkung – auch ohne spezielle Klimaexpertise kann jede:r beitragen.
- Wichtige Strategie: Gleichgesinnte finden, die sich für Veränderungen innerhalb der Wissenschaft einsetzen.
- Arbeitsplatzsicherheit (z. B. unbefristete Stellen) ermöglicht mehr Ressourcen und Freiheit für Engagement.
- Problem: Das aktuelle akademische System bremst Veränderungen aus.
- Leistungskennzahlen (KPIs) und der zunehmende Einfluss wirtschaftlicher Strukturen in Universitäten erzeugen Barrieren für Engagement.
- Wachstumsideologie und ein korporatisiertes Wissenschaftssystem beschleunigen die Krise.
- Frage: Wie lassen sich diese systemischen Barrieren abbauen? → Notwendigkeit eines neuen Wissenschaftssystems.
- Verbindung zur Klimagerechtigkeit: Universitäten sollten sich stärker als Akteur:innen für Klimagerechtigkeit verstehen.
- Aktuelle Bewegungen & Widerstand in der Wissenschaft:
- UK-Forschungsstudie: Wissenschaftler:innen fühlen sich überarbeitet und machtlos (Demski & Capstick, 2024).
- Paper von Racimo et al. (2022) zeigt Widerstand in Universitäten.
- Handlungsimpulse:
- Liste konkreter Maßnahmen in der Präsentation
- Sicherheit ist ein entscheidender Faktor: Unbefristet Beschäftigte müssen eine Vorreiterrolle übernehmen.
Vorträge des ersten Tages
Der akademische Donut als wissenschaftspolitische Gesamtlösung? - Einladung zum konstruktiven Spielverderben Milena Jostmeier
- Akademischer Donut:
- Ziel: Paradigmenwechsel im Wissenschaftssystem.
- Wissenschaft soll menschliche und ökologische Grenzen achten.
- Fokus auf die Universität als Akteur und das Ökosystem der Universität.
- Politischer Appell:
- Hochschulleitungen, Studierende und Forschende sollen ihr Handeln neu ausrichten.
- Aufruf zur Selbstverpflichtung.
- Demokratischer Regelungsrahmen:
- Der politische Regelungsraum ist demokratisch mandatiert und kollaborativ informiert.
- Er bietet institutionelle Grundlagen für die Gestaltung von Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft.
- Transformation von Strukturen:
- Verwendung der Multi-Level Perspective (Nischen, Regime und Landschaft) für gesellschaftliche Transformationsprozesse.
- Veränderungen im Wissenschaftssystem:
- Das Modell beschreibt Veränderungen im wirtschaftlichen und technischen Bereich.
- Wissenschaftspolitik:
- Es bedarf weiter auszuarbeitender Logistiken und Anschlüsse an bestehende Strukturen.
- Gefahr, als vage oder ideologisch abgestempelt zu werden.
- Politisierung der Wissenschaft:
- Eine Politisierung birgt die Gefahr der Verflachung der wissenschaftlichen Diskussion.
- Wissenschaftliche Veränderungen sollten nicht auf moralischer Panik oder ideologischem Ressentiment basieren, sondern auf intellektuellem Pluralismus.
- Reflexion der Wissenschaft:
- Wichtig, die eigene wissenschaftliche Arbeit regelmäßig zu reflektieren, besonders in herausfordernden Zeiten.
From Classical Concerts to Jam Sessions: Metaphors, Thought Experiments and Donuts Michał Pałasz (Universität Krakau)
- „Una Europa 2030 Strategy“ (stark auf Nachhaltigkeit ausgerichtet)
- Gemeinsame Visionen für eine nachhaltige Universität wird gelebt
- Universität soll globale Umwelt- und gesellschaftliche Ziele aktiv verfolgen
- Una Europa Strategy 2030 betrifft nicht nur Forschung und Lehre, sondern auch das Campus-Management und die öffentliche Beschaffung
- Team von sieben Mitarbeitenden (vier online Treffen, eines offline) befasst sich mit der Zukunft von Universitäten
- Die zentrale Frage war: „Welche kreativen Methoden gibt es, um über die Zukunft von Universitäten nachzudenken?“,
- Die Herausforderung: Es wird die Relevanz der Universitäten in einer sich wandelnden Welt hinterfragt – insbesondere in Hinblick auf die Klimakrise, die demografische Krise und Künstliche Intelligenz
- Die Methoden: Eine Mischung aus Metaphern, Gedankenexperimenten und wirtschaftlichen Modellen, die gedanklichen Experimente dienen dazu, die Intuition zu erforschen
- Metaphern, die für Universitäten gefunden wurden:
- das Elfenbeinturm-Model, also ein abgeschotteter Ort des Wissens
- die Universität als Startrampe
- Universität als Feedback-System
- Universität als Cocktail
- Klassische Konzerte vs. Jam-Sessions
- Klassisches Konzert: verfolgt feste Regeln, klare Trennung zwischen Orchester und Publikum
- Jam-Session: Raum für Improvisation, keine klare Trennung
- Entwickelter Donut des Teams:
- Forschung, Bildung und Wirkung soll geleitet werden von den Werten Solidarität, Würde und Ko-Existenz -> zum Wohle von Umwelt, Gesellschaft und Arbeitskultur. Universitäten sollen nicht dazu beitragen, Ungleichheiten oder Ausbeutung zu fördern
- Universitäten sollen sich zwischen den Polen „Jam-Session“ und „Klassik-Konzert“
- Donut orientiert sich an den Funktionen der Uni: Forschung, Lehre, Innovation, Kommunikation, Community Building und Service
- Folgende Spannungsfelder entstehen:
- Forschung ( disziplinär und autonom oder gesellschaftsorientiert)
- Lehre (autoritär oder partizipativ)
- Innovation (Neugiergetrieben oder bedarfsorientiert)
- Kommunikation (formal oder interaktiv sein)
- Gemeinschaftsbildung (Fokus nach innen oder nach außen)
- Service (Einkommensorientiert oder Wertorientiert)
- Eine Universität sollte also empfänglich, partizipativ, bedarfsorientiert, interaktiv, nach außen gerichtet und wirkungsorientiert sein, jedoch stellt sich hierbei eine weitere zentrale Frage: Wie sollen Unis dabei auf rechtsextreme politische Wendungen reagieren?
- Folgende Spannungsfelder entstehen:
Grasping Sustainability Culture in Universities – A multi-Method Approach to Definde and Understand Key Elements Inga Stademann
- Ziel der Forschung:
- Entwicklung einer neuen Definition und Konzeptualisierung einer Nachhaltigkeitsstruktur in Hochschulen.
- Fokussiert auf kulturelle und strukturelle Elemente einer Hochschulkultur, die für die sozial-ökologische Transformation nötig sind.
- Aktueller Stand:
- Hochschulen haben erste Schritte (z.B. Nachhaltigkeitsmanager, Abfall- und Energiekonzepte) gemacht, aber es fehlt eine tiefgreifende kulturelle Veränderung.
- Kulturelle Anpassung notwendig, um den Wandel nachhaltig zu gestalten, nicht nur strukturelle Maßnahmen.
- Forschungsmethodik:
- Iterativer Prozess aus Literaturrecherche und ExpertInneninterviews.
- Qualitative Inhaltsanalyse dieser Interviews zur Entwicklung der Nachhaltigkeitsstruktur.
- Dimensionen der Nachhaltigkeitsstruktur:
- Commitment und soziale Integration: Zusammengehörigkeitsgefühl, Identifikation mit der Organisation.
- Gemeinsame Ziele und Performance: Gemeinsame Ziele als Orientierung, beeinflusst die Performance.
- Anpassungsfähigkeit: Fähigkeit, schnell auf neue Gegebenheiten und Entwicklungen zu reagieren.
- Führung und Entscheidungsfindung: Wechselwirkung zwischen Führung und Organisationskultur.
- Kommunikation: Beeinflusst Motivation, Commitment und Zufriedenheit der Mitarbeitenden.
- Schwierigkeiten:
- Konkurrenzdruck und Arbeitsbelastung erschweren das Schaffen eines Gemeinschaftsgefühls.
- Häufiges Fehlen von Wertschätzung, Handlungsspielraum und Teamarbeit.
- Wunsch nach mehr Selbstwirksamkeit und weniger Zeitarmut.
- Fazit und Ausblick:
- Nachhaltigkeitsstrukturen bestehen aus beobachtbaren und nicht beobachtbaren Faktoren.
- Nachhaltigkeit erfordert ein dynamisches Konzept, das sich kontinuierlich anpasst.
- Ziel: Die Hochschulen sollen eine nachhaltige, sozial-ökologische Transformation erreichen.
- Herausforderung: Hochschulen haben eine spezifische Organisationsstruktur, die die Veränderung erschwert.
Keine Zeit für Abkürzungen – Hochschulen und tiefe Nachhaltigkeit Niklas Heiland, Severin Caspari
- Einführung: Was ist das Problem?
- Wissenschaftliche Karrieren sind oft unsicher und stressbelastet.
- Befristete Verträge (z. B. durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz) erschweren langfristige Planung.
- Wohlbefinden in der Wissenschaft wird oft vernachlässigt.
- Kernfragen des Vortrags:
- Wie kann Wissenschaft nachhaltiger gestaltet werden – nicht nur ökologisch, sondern auch kulturell und strukturell?
- Welche Veränderungen sind notwendig, um Karriere und Wohlbefinden besser zu verbinden?
- Wie kann man bestehende, nicht-nachhaltige Strukturen überwinden?
- Zentrale Inhalte & Diskussion:
- Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, neue Maßnahmen einzuführen, sondern bestehende, problematische Strukturen aktiv zu verändern.
- Experimenteller Ansatz: Statt einer fertigen Lösung bleibt alles im Modus des Experiments.
- Kleine Veränderungen erzeugen durch Kommunikation eine Eigendynamik (Schneeball-Effekt).
- Entscheidungsstrukturen können durch Experimente beeinflusst werden.
- Reflexionsfrage: „Was würdest du tun, wenn ich dir 20 Sekunden schenke?“
- Ergebnisse & Ausblick:
- Wissenschaft braucht neue Denk- und Arbeitsweisen für langfristige Perspektiven.
- Keine starren Modelle, sondern ein fortlaufender, experimenteller Prozess.
- Veränderung geschieht nicht auf einmal, sondern in kleinen Schritten.
Universitäres Wohlbefinden durch Realexperimente fördern Maike Weynand, Susanne Ober, Carina Betz
- Kultur der Nachhaltigkeit an Hochschulen:
- Nachhaltigkeit sollte nicht nur als isolierte Initiative verstanden werden, sondern als eine ganzheitliche Kultur, die in der Hochschule verankert ist.
- Diese Kultur der Nachhaltigkeit basiert auf drei grundlegenden Elementen:
- Artefakte: Greifbare Objekte, die Nachhaltigkeit repräsentieren.
- Werte: Gemeinsame Überzeugungen und Prinzipien der Hochschulgemeinschaft.
- Grundannahmen: Tiefere, oft schwer fassbare Annahmen, die die Grundlage der Kultur bilden.
- Kultur der Nachhaltigkeit ist dynamisch und entsteht durch Kommunikation im Kollektiv. Sie verändert sich kontinuierlich und erfordert aktive Beteiligung aller Mitglieder.
- Realexperimente:
- Realexperimente unterscheiden sich von Reallaboren durch ihre Temporarität und die Möglichkeit, Bildung als integralen Bestandteil zu integrieren.
- Diese Experimente zielen darauf ab, Verhaltensänderungen im Hochschulalltag herbeizuführen und nachhaltige Praktiken zu fördern.
- Sie sind transdisziplinär und transformativ, das heißt, sie wirken in realen, gesellschaftlichen Kontexten und erzeugen langfristige Veränderungen.
- Wohlbefinden als zentrales Thema:
- Wohlbefinden wird als eine der wesentlichen Voraussetzungen für nachhaltiges Handeln betrachtet und ist auch ein wichtiges Ziel nachhaltiger Entwicklung.
- Der Fokus liegt auf der psychischen Gesundheit und dem universitären Wohlbefinden der Hochschulangehörigen.
- Das Thema umfasst auch inter- und intergenerationale Gerechtigkeit, was eine faire und zukunftsfähige Entwicklung garantiert.
- Beispiel für ein Realexperiment:
- Ein Beispiel für ein Realexperiment ist die Entwicklung einer Website, die als zentrale Anlaufstelle für alle Angebote im Bereich Wohlbefinden an der Hochschule dient.
- Selbstexperimente werden angeboten, bei denen NutzerInnen aktiv kleine Veränderungen in ihrem Alltag vornehmen können, um ihr Wohlbefinden zu steigern und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
- Six Ways to Well-Being:
- Das Konzept Six Ways to Well-Being identifiziert sechs Handlungsfelder, die das Wohlbefinden von Studierenden und Mitarbeitenden an Hochschulen fördern sollen.
- Die Webseite bündelt alle relevanten Angebote und macht diese leichter zugänglich, um den Hochschulangehörigen zu helfen, ihre Gesundheit zu fördern.
- Kritische Perspektive:
- Es besteht die Gefahr, dass solche Initiativen in Richtung Selbstoptimierung abdriften oder Hochschulen sich nur oberflächlich mit Wohlbefinden befassen, um ihr Image zu verbessern.
- Es ist entscheidend, dass Realexperimente nicht als bloße Marketinginstrumente genutzt werden, sondern echte, tiefgehende Veränderungen in der Hochschulkultur bewirken.
- Langfristiges Ziel:
- Durch Realexperimente sollen kleine, aber wirkungsvolle Veränderungen im Hochschulalltag angestoßen werden, die langfristig eine Kultur der Nachhaltigkeit etablieren.
- Hochschulen müssen Verantwortung für das wohlbefinden ihrer Mitglieder übernehmen und sicherstellen, dass nachhaltige Praktiken auch im Alltag verankert werden.
Vorträge des zweiten Tages
Entschleunigung in der transformativen Wissneschaft – Beobachtungen im Selbstexperiment Annika Fricke, Pia Laborgne, Eva Wendeberg, Wanda Wieczorek, Oliver Parodi
- Hintergrund und Motivation:
- Der Vortrag basiert auf einem Selbstexperiment zur Entschleunigung im wissenschaftlichen Kontext.
- Grundlage ist die Beschleunigungsdiagnose von Hartmut Rosa, die beschreibt, wie moderne Steigerungslogiken zur Entfremdung von sich selbst, anderen und der Welt führen.
- Als Antwort auf diese Problematik entwickelte Rosa die Resonanztheorie (2016), die gelungene Beziehungen zwischen Subjekt und Welt beschreibt.
- Entschleunigungsprogrammatik 2024:
- Ziel: Das eigene beschleunigte Handeln erforschen, hinterfragen und neue Wege erproben.
- Hypothese: Entschleunigung schafft Raum für Reflexion und kann Resonanz begünstigen.
- Zentrale Dimensionen der Entschleunigung wurden im Team erarbeitet: Gemeinschaft, Freiraum, Fokus, Reflexion, Transformation, Schock.
- Strukturiert nach einem Aktionsforschungszyklus mit dokumentierten Erfahrungen, Datenerhebung, Umfragen und Reflexion auf drei Ebenen: Individuum, Teamdynamiken, Wissenschaftssystem.
- Umgesetzte Maßnahmen:
- Meeting-freie Fokuswochen zur bewussten Vertiefung in die Arbeit.
- Tandems für regelmäßigen Austausch.
- Weitere experimentelle Formate zur Untersuchung der Wirkungen von Entschleunigung.
- Erwartungen und Befürchtungen
- Hoffnungen:
- Entschleunigung könnte Energie freisetzen, Kreativität fördern, transformativ wirken und Teambeziehungen stärken.
- Sie könnte helfen, Arbeit als sinnhaft zu erleben, mehr Reflexion zuzulassen und innere Ruhe zu finden.
- Befürchtungen:
- Risiko, dass Entschleunigung zu weniger Wirkung oder verpassten Chancen führt.
- Gefahr, dass sie als zusätzliches To-Do empfunden wird oder zu Egozentrismus führt.
- Negative Konsequenzen für individuelle Karrieren oder Vereinsamung durch zu viel Selbstfokussierung.
- Ambivalenzen und Herausforderungen - widersprüchliche Dynamiken wurden sichtbar, z. B.:
- Eigenes Schaffen vs. gemeinsames Arbeiten
- Kommunikation vs. Rückzug
- Identifikation vs. Abgrenzung
- Existenzangst vs. freier Arbeitsmodus
- Praktische Schwierigkeiten: Selbst im Kloster geriet die Agenda zur Entschleunigung zunächst in einen Beschleunigungsmodus und musste gestrichen werden.
- Erste Wirkungen und offene Fragen:
- Die erste Wirkungsumfrage Ende 2024 zeigte: mehr Bewusstsein, Interesse und Sensibilität für Entschleunigung
- Veränderungen in der Teamdynamik, aber kaum strukturelle Effekte.
- Interesse und Wohlwollen von außen, aber der Wunsch nach einer konkreteren Umsetzung
- Offene Fragen für die Zukunft:
- Wie kann Entschleunigung nachhaltig in den Arbeitsalltag integriert werden?
- Wie lassen sich Selbstexperimente in eine langfristige Praxis überführen?
- Welche Rolle spielen Resonanz und Verlust in diesem Prozess?
- Ausblick:
- Die Gruppe plant, sich verstärkt mit Resonanz als gelungener Beziehung zwischen Subjekt und Welt auseinanderzusetzen.
- Neben der wissenschaftlichen Auswertung der Daten soll die Thematik praktisch weitergeführt werden.
- Entschleunigung bleibt ein offenes Experiment mit neuen Fragen und Herausforderungen.
Attempting to pursue slow science in a fast (science) world – between encountering systemic boundaries and pockets of hope Julia Wiethüchter, Fynn Schmidt
- Die Slow Science-Werkstatt:
- Format: Achtwöchige digitale Treffen mit Teilnehmenden aus verschiedenen Instituten.
- Ziele: Reflexion über wissenschaftliche Beschleunigung, Erprobung alternativer Forschungspraktiken, Förderung von Wohlbefinden und tiefem Denken.
- Methoden:
- Phase 1: Dokumentation des Forschungsalltags mit der Photovoice-Methode (Fotos oder Screenshots von Momenten der Belastung oder Zufriedenheit).
- Phase 2: Austausch über bestehende Slow Science-Maßnahmen mit internen und externen Impulsen.
- Phase 3: Erprobung alternativer Praktiken, z. B. Schreib- und Denk-Retreats, Fokus-Arbeitszeiten, Buddy-Besprechungen.
- Herausforderungen und systemische Grenzen:
- Überlastete Terminkalender erschweren eine durchgängige Teilnahme.
- Kompakte Sitzungen führten paradoxerweise zu Zeitdruck, was der Entschleunigung entgegenwirkte.
- Hohe Mobilität und unsichere Vertragslagen verhindern, dass viele Forschende an einem Ort wohnen, was eine digitale Lösung erforderte – allerdings auf Kosten der direkten Interaktion.
- Widersprüche im Wissenschaftssystem:
- Hohe Konzentrationsanforderungen vs. mobile, instabile Arbeitsumgebung.
- Strikte Vorgaben für Forschung vs. fehlende Orientierung für NachwuchswissenschaftlerIinnen.
- „Pockets of Hope" – Räume für Veränderung
- Basierend auf der Arbeit von Joseph Salisbury und Laura Connery (Interracial Scholar Activism) wurde nach Spielräumen für Veränderungen gesucht.
- Eine zentrale Erkenntnis: Gerade in systemischen Widersprüchen entstehen Möglichkeiten für alternative wissenschaftliche Praktiken.
- Ein Beispiel: Ausbrechen aus routiniertem Denken, um neue Perspektiven und Arbeitsweisen zu entwickeln.
Gesundheit und Nachhaltigkeit in der Lehre: Chancen und Grenzen von Verhaltensexperimenten zur Förderung von Veränderungswissen Fady Guirfis, Swantje Notzon
- Motivation und Herausforderungen:
- Hauptanreize: Gesundheitliche Vorteile und Klimafreundlichkeit.
- Probleme bei der Umsetzung:
- Unterbrechungen oder Ausnahmen führten teilweise zu einem Gefühl des Scheiterns.
- Fehlende oder schlechte Alternativen (z. B. keine veganen Optionen, ungeeignete Transportmittel wie der Bus).
- Health Co-Benefits:
- Verbindung zwischen gesundheitlichen Vorteilen und Nachhaltigkeit.
- Verhaltensweisen, die gesund sind, sind oft auch klimafreundlich.
- Soziale Einflüsse auf das Verhalten:
- Soziale Einflüsse haben einen starken Einfluss, sowohl positiv als auch negativ.
- Soziales Umfeld kann Verhalten fördern oder behindern.
- Notwendigkeit, gesundes und nachhaltiges Verhalten systematisch in Gemeinschaften zu verankern.
- Bedeutung der Sozialpsychologie: Soziale Dynamik ist ein wichtiger Faktor bei Verhaltensänderungen.
- Individuelle Unterschiede:
- Verhaltensveränderungen sind von Person zu Person unterschiedlich.
- Manche Maßnahmen erscheinen für einige einfach, sind für andere jedoch herausfordernd.
- Erkenntnis für Studierende: Bewusstsein für unterschiedliche Herausforderungen ist wichtig, besonders für Fachkräfte im sozialen Bereich.
- Erfahrungen aus dem Experiment:
- Studierende machten eigene Erfahrungen mit Verhaltensänderungen.
- Erkenntnis: Es ist schwieriger als gedacht, Gewohnheiten nachhaltig zu ändern.
- Wichtige Einsicht: Bestimmte Faktoren helfen, langfristige Veränderungen durchzuhalten.
- Bedeutung für Fachkräfte und Praxis:
- Sozialarbeitende müssen verstehen, dass Verhaltensveränderungen individuelle Unterstützung benötigen.
- Systematische Förderung in Gemeinschaften kann langfristige Erfolge sichern.
- Schlussfolgerung:
- Verhaltensänderungen sind komplex und von sozialen sowie individuellen Faktoren abhängig.
- Fachkräfte sollten soziale Dynamiken nutzen, um gesundes und nachhaltiges Verhalten zu fördern.
- Langfristige und systematische Unterstützung ist entscheidend für erfolgreiche Veränderungen.
Einblicke aus dem Zukunftslabor Johannes Halber, Hannes Wender
- „Seminar Zukunftslabor“:
- 13 Sitzungen x 4 Studierende (Masterkurs mit etwas 15-20 Studierenden) und 3 Lehrende sowie eine studentische Hilfskraft
- Zu Anfang eine Frage „Was ist Zukunft für dich? Wann, Wo, Wer kann sie gestalten? -> Zukunftsvisionen wurden mit Bastelübungen bearbeitet
- Schwerpunkt im Anschluss in die Wissensarten der Transformationsforschung (System Knowledge (Status Quo), Transformation Knowledge, Target Knowledge), hier gab es unterschiedlichste kreative Herangehensweisen
- Ziel:
- Es soll die Wahrnehmung vom EGO zu ECO umgewandelt werden, also der Mensch in Verbundenheit mit der Natur sowie der Umgebung und nicht als übergeordnetes Individuum
- Weitere Sitzungen:
- Wie kann eine Zukunftsuniversität aussehen?
- Wie kann eine Zukunftsstadt aussehen?
- Gruppenarbeiten (Studierende konnten sich die Themen aussuchen, die verschiedenste Schwerpunkte legten), z.B.:
- Wie kann Landwirtschaft solidarisch gestaltet werden?
- Zukunftsrad, mit welchem PassantInnen gefragt wurden „Wie stellt ihr euch eure Zukunft vor?“,
- Podcast mit der Frage „Wie stellt ihr euch eure Zukunft vor?“ etc.
- Dokumentation:
- Ergebnisse sollen alle erfasst werden, Informationen werden aufbereitet
- Es ist ein Abschlusstag am 28.02.25 geplant, bei welchem die Gruppenergebnisse (Postergalerie) vorgestellt werden
Auf den Schultern höherer Semester? Auftakt für eine digitale Infrastruktur hochschulischer Wissensbestände Viktoria Gräbe, Jana Kavermann
- Zielsetzung:
- Entwicklung einer nachhaltigen digitalen Infrastruktur zur Erfassung und Nachnutzung von Forschungsdaten.
- Bereitstellung empirischer Daten aus studentischen Arbeiten für nachfolgende Studierendengenerationen.
- Förderung der Wiederverwendung von Daten, um Ressourcen zu schonen und tiefere Analysen zu ermöglichen.
- Grundprinzipien der Datenweiterverwendung:
- Orientierung an den GoFair-Prinzipien:
- Auffindbarkeit (Findability)
- Zugänglichkeit (Accessibility)
- Interoperabel (Interoperability)
- Wiederverwendbar (Reusability)
- Sekundäranalysen als etablierte Forschungsmethode, insbesondere in der qualitativen Forschung.
- Orientierung an den GoFair-Prinzipien:
- Herausforderungen und offene Fragen:
- Urheberrechtliche Aspekte: Schutz persönlicher geistiger Schöpfungen (Seminar- und Abschlussarbeiten) vs. Gemeinfreiheit der zugrunde liegenden Daten.
- Fehlende Infrastruktur: Keine zentrale Servicestelle für Forschungsdatenmanagement an der Hochschule.
- Datenschutz und Ethik: Klärung mit Datenschutzbeauftragten und Ethikkommission erforderlich.
- Pflege der Daten: Kontinuierliche Betreuung notwendig, aber Kapazitätsprobleme vorhanden.
- Praktische Umsetzung:
- Erstellung eines digitalen Forschungskatalogs zur Archivierung und Nachnutzung studentischer Forschungsarbeiten.
- Integration von Studierenden in die Datenüberführung und Verschlagwortung als Bestandteil ihrer Forschungsprojekte.
- Testphase innerhalb des Forschungsmoduls der Sozialen Arbeit.
- Entwicklung einer Suchmaske für den einfachen Zugriff auf relevante Daten.
- Zukünftige Schritte:
- Kontaktaufnahme mit Datenschutz- und Ethikkommission.
- Aufbau eines Forschungsdatenmanagementsystems.
- Ernennung eines Verantwortlichen für die Datenpflege
- Austausch mit anderen Hochschulen über Herausforderungen und Lösungsansätze
Überraschungen:
- Bewusstwerden eigener Denkmuster, Automatismen und Grenzen
- Wissenschaftssystem als undurchsichtig und oft schwer zugänglich für spannende Entwicklungen
- Fehlende systematische Berücksichtigung von BGM (Betriebliches Gesundheitsmanagement) an Hochschulen
- Positives Erlebnis mit dem Pecha-Kucha-Format und kreative Vielfalt in den Präsentationen
- Entfristete haben mehr Möglichkeiten zur Entschleunigung
- Inspirierende, lebhafte Online-Konferenz mit gutem Mix aus Input, Diskussion und Reflexion
- Verbünde reflektieren ihre eigene Arbeitsweise und erzeugen fruchtbare Ergebnisse
- Es gibt bereits viele Experimente und Überlegungen zu diesen Themen im System, mehr als bewusst war
- Verbindung persönlicher Vorteile mit Nachhaltigkeitsprojekten
- Ideen zur Entschleunigung im Arbeitsalltag (z.B. ein Tag ohne E-Mails)
Widerstände:
- Entschleunigung vor allem für Entfristete möglich – Frage nach Privilegienbewusstsein und Solidarität
- Manche Folien hätten länger gezeigt werden können, anstatt andere Inhalte wegzulassen
- Mangel an Vergleich mit anderen Lohnarbeitsverhältnissen – Wer ist wirklich prekär und wer privilegiert?
- Pecha Kucha inspirierend, aber auch stressig, da Inhalte stark verkürzt wurden
- Die Gefahr, dass befristete vs. entfristete Stellen als Gegensatz konstruiert werden, was das System stabilisiert
- Frustration über kleine Veränderungen (z. B. vegetarisches Essen bei Studierenden) angesichts der großen Herausforderungen
Erkenntnisse & Mitnahmen:
- Kreative Formate können positive Veränderungen bewirken
- BGM könnte stärker auf strukturelle Maßnahmen statt nur Verhaltensänderungen setzen
- Schutz und Zugehörigkeit als Voraussetzung für Wirksamkeit – befristete Verträge als Hemmnis
- Slow Science und Entschleunigung müssen über Selbsthilfegruppen hinaus strukturell gedacht werden
- Wissenschaft kann sich durch Neugier auch selbst beschleunigen – Fokus ist entscheidend
- Hochschulpraktiken sind oft nicht nachhaltig – mehr Kreislaufdenken notwendig
- Pecha Kucha als Lehrformat denkbar (z. B. für Prüfungen oder als Einstieg)
- Mehr Austausch zu verschiedenen Ansätzen und Erfahrungen gewünscht
Wünsche & Zukunftsperspektiven:
- Mehr solcher Konferenzen im akademischen System mit Fokus auf gemeinsames Lernen und Austausch
- Zeit für Diskussionen nach Vorträgen, um Nachhaltigkeit der Themen zu sichern
- Überlegung, Keynotes vorab als Video bereitzustellen (flipped conference)
- Mehr Zeit für einzelne Vorträge und Fallbesprechungen („Case Clinics“)
Handlungsimpulse:
- Welche strukturellen Veränderungen kann ich selbst anstoßen?
- Was kann ich konkret in dieser Woche schon umsetzen?
Literatur
- ↑ Collini, S. (2012). What are universities for? Penguin.
- ↑ Schneidewind, U., & Singer-Brodowski, M. (2014). Transformative Wissenschaft: Klimawandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem (2., verbesserte und aktualisierte Auflage). Metropolis Verlag.
- ↑ Urai, A. E., & Kelly, C. (2023). Rethinking academia in a time of climate crisis. eLife, 12, e84991. https://doi.org/10.7554/eLife.84991
- ↑ Raworth, K. (2017). Doughnut economics: Seven ways to think like a 21st-century economist. Random House Business Books.